Hohe Temperaturen, langanhaltende Trockenperioden : Massive Zunahme bei Waldbränden in 2022
Der Bundestag debattiert über Löschflugzeuge und Hubschrauber, den Waldumbau und Zuständigkeiten beim Katastrophenschutz.
Ein Hubschrauber der Bundeswehr beim Löscheinsatz während der Waldbrände im Harz Anfang September dieses Jahres .
Das Jahr 2022 geht zweifelsohne als "annus horribilis" in das europäische Geschichtsbuch der Waldbrände ein. Nach Angaben des Europäischen Waldbrand-Informationssystems (EFFIS) fielen zwischen Januar und Ende November 785.362 Hektar Wald den Flammen zum Opfer. Zum Vergleich: Der Durchschnittswert der Jahre 2006 bis 2021 liegt bei rund 318.000 Hektar. Besonders stark betroffen waren einmal mehr die Mittelmeerländer. Allein in Spanien brannten rund 280.000 Hektar Wald. Aber auch in Deutschland waren rund 4.300 Hektar von Flächenfeuern betroffen. Das ist mehr als zehnmal so viel als der Durchschnittswert der Jahre 2006 bis 2021. Grund der massiven Zunahme an Waldbränden waren extrem hohe Temperaturen und langanhaltende Trockenperioden, kurz: der Klimawandel.
CDU/CSU und Linke fordern mehr Engagement des Bundes
Am vergangenen Mittwoch debattierte der Bundestag über die Konsequenzen. Sowohl die CDU/CSU- als auch die Linksfraktion hatten Anträge vorgelegt, in denen sie unter anderem die Beschaffung von Löschflugzeugen und zusätzlicher Hubschrauber für die Bekämpfung von Waldbränden fordern. Finanziert werden sollen diese nicht allein von den für den Katastrophenschutz zuständigen Bundesländern und Kommunen, sondern auch durch den Bund.
Bei größeren Waldbränden kämen die Feuerwehren nicht näher als 500 Meter an das Feuer ran, führte die Unionsabgeordnete Mechthilde Wittmann (CDU) aus. "Dafür brauchen wir Löschflugzeuge, Drohnen - zur Beobachtung, aber auch zur Bekämpfung - und entsprechende Löschhubschrauber." Der Bund dürfe Länder und Kommunen nicht alleinlassen, mahnte Wittmann. Die Linke geht gar noch einen Schritt weiter: "Waldbrandbekämpfung aus der Luft, das muss ein hoheitlicher und vor allem bundesweiter Auftrag sein", führte André Hahn aus. Deshalb solle die Bundesregierung eine Brandbekämpfungseinheit nebst Löschflugzeugen aufstellen, die bei Waldbränden in Deutschland und in Europa eingesetzt werden kann.
SPD lobt Beschaffung weiterer Hubschrauber für die Bundespolizei
Widerspruch gab es zu diesen Forderungen aus den Koalitionsfraktionen im eigentlichen Sinne keinen. Allerdings erklärten sie die Sache für erledigt. Schon heute verfüge etwa die Bundeswehr über 159 Hubschrauber, die für Löscharbeiten in Frage kämen, führte Ingo Schäfer (SPD) an. Die Bundespolizei unterhalte weitere 80 Hubschrauber. Allerdings sei die Tragfähigkeit der leichten Transporthubschrauber sehr beschränkt, räumt er ein. Deshalb sei es "ausdrücklich zu begrüßen", dass Innenministerin Nancy Faeser (SPD) die Beschaffung weiterer 44 Transporthubschrauber einschließlich der Aufnahmemöglichkeit für Löschwasser-Außenlastbehälter für die Bundespolizei beschlossen habe, sagte Schäfer. Zudem werde sich Niedersachsen mit zwei Löschflugzeugen am EU-Programm "RescEU" beteiligen.
Die FDP-Abgeordnete Sandra Bubendorfer-Licht erinnerte die Union an ihre zurückliegende 16-jährige Regierungszeit: "Weshalb haben wir im Jahre 2022 noch kein umfassendes Monitoring in Sachen Waldbrände, das nun endlich auch im Rahmen der Resilienzstrategie der Fortschrittskoalition aufgebaut wird?"
Fakten zum Wald in Deutschland
🏞️ Mit 11,4 Millionen Hektar werden rund 30 Prozent der Fläche Deutschlands von Wald bedeckt.
🌱 Laut Bundeswaldgesetz ist Wald jede mit Forstpflanzen bestockte Fläche. Dazu gehören auch kahlgeschlagene Flächen, Lichtungen, Waldwiesen sowie weitere verbundene Flächen.
🌲 Die häufigsten Arten der rund 90 Milliarden Bäume in den meist gemischten Wäldern sind Fichte (35 Prozent) vor der Kiefer (23). Es folgen Buche (16) und Eiche (19).
Der AfD-Parlamentarier Steffen Janich hingegen erteilte der Forderung nach Löschflugzeugen eine Absage. In der länderoffenen Arbeitsgruppe Nationaler Waldbrandschutz seien bereits Konzepte erarbeitet worden und die Experten hätten sich "einhellig gegen den Einsatz von Löschflugzeugen ausgesprochen". Janich stellte zudem die Aufgabenteilung von Bund und Ländern beim Zivil- und Katastrophenschutz in Frage: "Ein moderner Bevölkerungsschutz darf den Katastrophenschutz und den Zivilschutz nicht länger trennen. Beide sind eine Einheit, und die Parlamente müssen hierfür die Grundlage schaffen."
Grüne werben für klimaangepasstes Waldmanagement
Für Niklas Wagener (Grüne) wiederum greift der Ruf nach mehr Löschflugzeugen und Hubschraubern zu kurz. Diese Forderung erscheine zwar "politisch greifbarer und verlockender", der Schwerpunkt aber müsse auf dem Waldumbau liegen. Es seien die in der Forstwirtschaft oftmals bevorzugten Kiefernbestände, "die besonders gut brennen". Laub- und Mischwälder seien deutlich resilienter gegen Brände. Die Koalition stelle deshalb 900 Millionen Euro für ein klimaangepasstes Waldmanagement zur Verfügung. "Wer seinen Wald so bewirtschaftet, dass der Waldumbau hin zu mehr standortheimischen Laubbäumen vorangetrieben wird, dass Entwässerungsstrukturen zurückgebaut werden, dass Artenvielfalt im Wald vorangetrieben wird, erhält eine Bundesförderung", sagte Wagener.
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Dem Wald zu Leibe rücken will aber auch die Union. Der massive Bestand an Totholz in Deutschlands Wäldern gehöre zu den feuerbegünstigenden Faktoren und behindere bei der Brandbekämpfung, führte Mechthilde Wittmann an. Als Vertreter der Bundesländer beklagte Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) die Haltung von Umweltverbänden: Obwohl er als Minister gerademal eine Fläche von 0,1 Prozent des Nationalparks in seinem Bundesland von Totholz befreien wolle, habe ein Umweltverband dagegen geklagt. "Das versteht von den Menschen dort niemand mehr, und das hilft uns am Ende in der Debatte nicht."
Beendet ist die Debatte über die Bekämpfung und Vermeidung von Waldbränden sicherlich nicht. Klimaforscher prognostizieren eine Zunahme von Sommern mit extremen Temperaturen und Dürre. Die Anträge von Union und Linken überwies der Bundestag in die Ausschüsse - zur weiteren Debatte.