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Gastkommentare : Vertrauensfrage erst im Januar?

Bundeskanzler Olaf Scholz will am 15. Januar 2025 die Vertrauensfrage stellen. Martin Ferber findet das viel zu spät, Kerstin Münstermann nicht. Ein Pro und Contra.

08.11.2024
True 2024-11-08T17:15:07.3600Z
3 Min

Pro

Eine gewisse Zeit der Beruhigung wäre gut

Foto: Marco Urban
Kerstin Münstermann
ist Mitglied der Chefredaktion der "Rheinischen Post".
Foto: Marco Urban

Die Ampelkoalition ist Geschichte, gescheitert an menschlich und politisch unvereinbaren Positionen und Charakteren. Wie geht es nun im Land weiter? Nach dem Bruch wird jetzt groß über den Zeitpunkt der Vertrauensfrage diskutiert. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte angekündigt, er wolle die Vertrauensfrage im Bundestag am 15. Januar stellen und dann eine vorgezogene Bundestagswahl Ende März herbeiführen. Er setzt auf Zeit und hofft darauf, dass etliche Projekte im Parlament am Ende doch die Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion finden. Dies könnte etwa beim Gesetz für verschärfte Auflagen für die kritische Infrastruktur oder bei der Abmilderung der kalten Progression in der Einkommensteuer sowie bei diversen Gesetzentwürfen aus dem für Unternehmen wichtigen Wachstumspaket der Fall sein. Die Industrie wartet darauf.

Die Union und ihr Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) wiederum wollen verständlicherweise das in der Politik so wichtige Momentum für sich nutzen. Tritt man aber einen Schritt zurück, so ist eine gewisse Zeit der Beruhigung mit einem inhaltlichen Wahlkampf auch angesichts der hohen Umfragewerte der AfD sicher kein Fehler. Die Bürgerinnen und Bürger haben nach den ganzen Turbulenzen ein Recht darauf, zu erfahren, mit welchen Konzepten die Parteien das Land künftig führen wollen.

Auch braucht es Zeit für Formate, in denen sich die Kanzlerkandidaten untereinander messen. Laut Verfassung gibt es ohnedies keine Möglichkeit der Opposition, eine Vertrauensfrage des Kanzlers zu erzwingen. Olaf Scholz wird sich dem Druck nicht beugen wollen, und das muss er laut Grundgesetz auch nicht. Und die Verfassung weist den Weg - auch in politisch hochturbulenten Zeiten.

Contra

Ein monatelanger Stillstand wäre fatal für das Land

Foto: Rake Horn / BNN
Martin Ferber
ist politischer Redakteur der "Badischen Neuesten Nachrichten" in Karlsruhe.
Foto: Rake Horn / BNN

Überspitzt formuliert, ist Bundeskanzler Olaf Scholz seit Mittwochabend der deutsche König Johann Ohneland. Zwar steht er weiterhin der Bundesregierung vor, doch im Bundestag haben SPD und Grüne keine Mehrheit. Nicht im Plenum und auch nicht in den Ausschüssen. Dennoch will Scholz noch fast zwei Monate weiter regieren, als sei nichts geschehen. Er hofft sogar, bis zum Jahresende einige Gesetzesvorhaben, die aus seiner Sicht "keinen Aufschub dulden", durchs Parlament zu bringen, darunter so wichtige Projekte wie die Rentenreform, den Ausgleich der kalten Progression oder Sofortmaßnahmen für die Industrie.

Nur, wer sollte diesen Gesetzen noch zustimmen? Warum sollten die Oppositionsparteien einer Regierung, die am Ende ist, zu einer Mehrheit verhelfen? Scholz schielt auf die Union, doch Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz hat keinen Grund, ihn noch zu stützen. Er will Scholz ablösen und selbst Kanzler werden.

Mit seinem Zeitplan verursacht Scholz einen monatelangen Stillstand, den sich das Land angesichts der angespannten wirtschaftlichen wie internationalen Situation nicht leisten kann. Auch wenn die Zeit für die Wahlvorbereitung extrem knapp ist, gibt es keinen Grund, erst am 15. Januar die Vertrauensfrage zu stellen und Ende März zu wählen. Je nach Wahlausgang gäbe es dann frühestens im Sommer eine neue Regierung, die erst ab Herbst im Arbeitsmodus ist. Das wäre fatal. Die Welt wartet nicht, bis es in Berlin eine handlungsfähige Regierung gibt. Im Kreml knallen die Sektkorken.

Olaf Scholz hat in seinem Amtseid versprochen, sich dem Wohle des Volkes zu widmen und Schaden von ihm zu wenden. Er könnte dem Land einen großen Dienst erweisen, wenn er sofort die Vertrauensfrage stellt und ohne weitere Verzögerungen den Weg für Neuwahlen freimacht. Deutschland braucht jetzt eine klare Perspektive, keine Hängepartie.

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