Kriminalität im Internet : Bundestag streitet über Speicherung von IP-Adressen
Zwischen Datenschutz und Verbrechensaufklärung: Im Bundestag wird darüber diskutiert, ob und wie lange IP-Daten gespeichert werden sollen.
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sprach sich im Bundestag für eine Mindestspeicherfrist von IP-Adressen aus.
Die Aufklärung von Verbrechen im digitalen Raum stellt Ermittler vor enorme Herausforderungen. Täter hinterlassen zwar Spuren, wie etwa ihre IP-Adresse, doch diese Daten werden von Telekommunikationsanbietern in Deutschland oft nicht oder nur kurz gespeichert. Dabei sind sie häufig der einzige Ansatzpunkt, um schwere Straftaten im Internet zu verfolgen.
Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom September 2022 ist die begrenzte Speicherung solcher Daten bei schweren Straftaten erlaubt. Im April 2024 wurde diese Möglichkeit auf die allgemeine Kriminalitätsbekämpfung ausgeweitet. Doch in Deutschland fehlt weiterhin ein rechtlicher Rahmen, der eine Speicherung von IP-Adressen verbindlich regelt. Die Debatte darüber zieht sich seit Jahren hin und spaltet die Politik. Kritiker warnen vor tiefgreifenden Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte und vor einer möglichen Missachtung des Datenschutzes. Befürworter fordern das Speichern von Daten, um schwerste Straftaten im Internet, wie die Verbreitung von Kinderpornografie, zu ahnden.
Am Donnerstag debattierte der Bundestag über gleich drei Gesetzentwürfe zu diesem Thema. Die CDU/CSU-Fraktion brachte ihren Entwurf "zur Verbesserung der Verbrechensaufklärung - Einführung einer Mindestspeicherung von IP-Adressen und Wiederherstellung der Funkzellenabfragemöglichkeit" ein. Dieser sieht vor, dass Telekommunikationsanbieter IP-Adressen ihrer Kunden für drei Monate speichern müssen. Nach Ansicht der Union ist diese Maßnahme unerlässlich, um schwerste Straftaten aufzuklären.
Verfahren im Bereich der Kinderpornografie laufen ins Leere
Die FDP hingegen setzt mit ihrem Entwurf "zur Einführung einer Sicherungsanordnung für Verkehrsdaten in der Strafprozessordnung" auf das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren, bei dem Daten erst im Verdachtsfall und nach richterlicher Anordnung gesichert werden. Thorsten Lieb (FDP) erklärte in der Debatte, das Verfahren sei grundrechtsschonend und europarechtskonform. Es ermögliche eine gezielte Datensicherung, ohne die Rechte unbeteiligter Bürger zu verletzen. Die Union hingegen kritisiert das Quick-Freeze-Verfahren als unzureichend.
Einen weiteren Gesetzentwurf brachte der Bundesrat ein. Dieser sieht vor, IP-Adressen für einen Monat zu speichern, verzichtet jedoch auf die Speicherung von Standortdaten und eine anlasslose Erfassung zur Gefahrenabwehr.
Grüne plädieren für Stärkung anderer Ermittlungsinstrumente
Auch Sebastian Fiedler (SPD) sprach sich für eine gesetzliche Grundlage zur Speicherung von IP-Adressen aus, zeigte sich aber offen für die Dauer der Speicherung, ob ein oder drei Monate. Er bezeichnete die Ausmaße kinderpornografischer Kriminalität als "pandemisch" und mahnte, dass dringend gehandelt werden müsse. Die Speicherpflicht sei dabei ein notwendiges Instrument für Ermittlungsbehörden.
Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) kritisierte bei der Aussprache im Plenum scharf, dass seit dem EuGH-Urteil von 2022 keine rechtliche Grundlage geschaffen worden sei. In dieser Zeit seien rund 40.000 Verfahren im Bereich der Kinderpornografie ins Leere gelaufen, da Ermittler die Täter nicht identifizieren konnten. Auch Andrea Lindholz (CSU) forderte, die gelockerte Rechtsprechung des EuGH im Interesse der Opfer zu nutzen. Dass bisher keine Vorratsdatenspeicherung eingeführt wurde, sei auch ein "Versagen" von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Kritik an der Vorratsdatenspeicherung kam von Helge Limburg (Bündnis 90/Die Grünen). Sie sei unverhältnismäßig und treffe nicht nur Täter, sondern auch unbescholtene Bürger. Limburg plädierte für eine Stärkung der Prävention und anderer Ermittlungsinstrumente. Er erinnerte daran, dass mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts frühere Speicherpflichten bereits für verfassungswidrig erklärt hätten.
Auch Stephan Brandner (AfD) lehnte die Vorratsdatenspeicherung ab. Er warf der Union vor, Kinderpornografie als "Vorwand" zu nutzen, um einen "perfekten Überwachungsstaat" zu schaffen, und verglich die Vorschläge der Union mit George Orwells Roman "1984". Brandner betonte, dass die AfD es nicht unterstützen würde, Bürger zu bespitzeln.