Einigung über Änderung des Grundgesetzes : Bundesverfassungsgericht soll resilienter werden
Wesentliche Regelungen zum Bundesverfassungsgericht sollen im Grundgesetz verankert werden. Darauf haben sich Union und Koalition nach langer Debatte geeinigt.
Wichtige Strukturmerkmale des Bundesverfassungsgerichts sollen künftig im Grundgesetz geregelt werden. Damit soll die "Resilienz" des Gerichts gestärkt werden. Darauf haben sich Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Vertreter der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie von CDU und CSU nach langen Verhandlungen geeinigt. Sie stellten ihre Pläne am Mittwoch in der Bundespressekonferenz vor. Die fraktionsübergreifende Einigung ist entscheidend, weil für die angestrebte Grundgesetzänderung eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag erforderlich ist.
Nach der Einigung sprach Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP, Mitte) von einem "guten Tag für die Verfassungsordnung".
Struktur des Gerichts soll in der Verfassung verankert werden
Konkret sieht der interfraktionelle Antrag vor, einige wesentliche Merkmale des Gerichts im Grundgesetz zu verankern. Dazu gehören der Status des Gerichts und die Bindungswirkung seiner Entscheidungen. Auch die Struktur mit zwei Senaten zu je acht Richterinnen und Richtern soll festgeschrieben werden. Ebenso sollen die Amtszeit von zwölf Jahren, die Altersgrenze von 68 Jahren, die Regelung zur Fortführung der Amtsgeschäfte sowie das Verbot der Wiederwahl in den Verfassungstext aufgenommen werden. Das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit für die Wahl der Richterinnen und Richter soll dagegen nicht im Grundgesetz verankert werden.
Bisher sind diese Regelungen einfachgesetzlich im Bundesverfassungsgerichtsgesetz verankert und können mit einfacher Mehrheit geändert werden. Bei einer Verankerung im Grundgesetz wäre eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich.
Im Falle einer Blockade soll ein "Ersatzwahlmechanismus" greifen
Darüber hinaus sieht der jetzt vorgelegte Vorschlag vor, die Geschäftsordnungsautonomie des Gerichts als Verfassungsorgan im Grundgesetz zu verankern. Zudem soll für den Fall, dass eine obstruktive Minderheit im Bundestag oder Bundesrat die Wahl von Richterinnen und Richtern des Bundesverfassungsgerichts blockiert, ein "Ersatzwahlmechanismus" greifen.
Dazu soll eine so genannte Öffnungsklausel in das Grundgesetz aufgenommen werden, die es erlaubt, das Verfahren im Bundesverfassungsgerichtsgesetz zu regeln. Koalition und Union planen, dass bei einer Blockade im Bundesrat oder Bundestag nach einer bestimmten Frist auch das jeweils andere Organ das Stimmrecht ausüben kann. Bundesrat und Bundestag wählen jeweils die Häfte der Richterinnen und Richter des Verfassungsgerichtes.
Lange Debatten zwischen Union und Koalition
Der Einigung war eine monatelange Debatte vorausgegangen, die sich seit Jahresbeginn zugespitzt hatte. Vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen in ost- und mitteleuropäischen Ländern sowie der Wahl- und Umfrageerfolge der AfD war diskutiert worden, wie das Bundesverfassungsgericht besser vor möglichen Angriffen geschützt werden kann. Die Gruppe Die Linke hatte dazu im April einen Gesetzentwurf vorgelegt, der jedoch noch nicht beraten wurde.
Erste Gespräche zwischen Union und Koalition hatte Fraktionschef Friedrich Merz im Februar zunächst für beendet erklärt. Später zeigte sich der Christdemokrat offen für weitere Verhandlungen, bestand aber auf einer vertraulichen Debatte. Damit scheint sich Merz durchgesetzt zu haben, Details der nach weiteren Verhandlungen erzielten Einigung waren bis zur Pressekonferenz nicht an die Öffentlichkeit gedrungen.
Buschmann: Guter Tag für demokratische Kultur im Land
Bei der Vorstellung in der Bundespressekonferenz demonstrierten die Vertreter von Union und Koalition trotz aller Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten in einzelnen Punkten Einigkeit. Bundesjustizminister Buschmann sprach von einem "guten Tag für die Verfassungsordnung und die demokratische Kultur im Land". Es gebe eine "breite Allianz", um das Bundesverfassungsgericht weiter zu stärken.
Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) führte an, dass die Union ihrer "staatspolitischen Verantwortung" gerecht werde. "Wir haben hart gerungen", sagte die Christsoziale. Die Vorschläge seien im Detail und in alle Richtungen geprüft worden. "Wir sind geschlossen an dieser Stelle und überzeugt", so Lindholz.
Johannes Fechner (SPD) hob die Bedeutung der Absicherung des Wahlverfahrens hervor. Damit würden "Hängepartien" vermieden und die "Arbeitsfähigkeit des Verfassungsgerichts" gesichert, so der Sozialdemokrat.
Gesetzentwurf soll "zeitnah" eingebracht werden
Die Fraktionen wollen "zeitnah" gemeinsam einen Gesetzentwurf vorlegen. Das Verfahren solle noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden, heißt es im Gemeinsamen Erläuterungspapier der Fraktionen.
Auch im Bundesrat ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Buschmann zeigte sich am Mittwoch zuversichtlich, die Länder von dem Vorhaben überzeugen zu können. Die vorgeschlagene Regelung nehme sie in die Pflicht und stärke gleichzeitig ihre Rolle. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) äußerte die Hoffnung, dass von dem Entwurf zudem eine "Signalwirkung" für die Länder ausgehe, ähnliche Regelungen in ihren Landesverfassungen anzustreben.