Verbesserung für SED-Opfer : SED-Opferbeauftragte Zupke tadelt Regierungspläne
Die Pläne der Bundesregierung zur Verbesserungen für SED-Opfer sind in einer Anhörung auf teils harsche Kritik gestoßen. Tenor: Gut gemeint, schlecht gemacht.
Vertreter von Opferverbänden und die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke haben die von der Bundesregierung vorgelegten Vorschläge zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für SED-Opfer teils harsch kritisiert. Zupke sprach bei einer Anhörung am Mittwoch zu dem Gesetzentwurf zwar von einigen "guten Ansätzen". Der Entwurf gehe aber weit an dem vorbei, "was wir heute brauchen, um die Opfer angemessener zu unterstützen", kritisierte die Opferbeauftragte. Noch deutlichere Worte fand der Bundesvorsitzende der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), Dieter Dombrowski. Der Gesetzentwurf habe ihn "fassungslos" gemacht, berichtete er.
Sachverständige fordern Erhöhung der SED-Opferrente
Dabei gibt es einiges in dem Entwurf, was in der Anhörung auf Zustimmung traf, wenn auch meist ein "Aber..." folgte: Dass die SED-Opferrente dynamisiert werden soll, fanden die Sachverständigen beispielsweise richtig, aber eine vorherige Erhöhung der angepassten Leistung sei notwendig. Dass Betroffene der Zwangsaussiedlung aus dem Grenzgebiet der ehemaligen DDR künftig als Opfergruppe anerkannt und Anspruch auf eine einmalige Leistung haben sollen, wurde begrüßt, zu niedrig sei aber die geplante Höhe von 1.500 Euro.
Die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke kritisiert die Regierungspläne für SED-Opfer als unzureichend. Vor allem fehlt ihr eine Regelung zu Gesundheitsschäden.
Doch vor allem kritisierten die Sachverständigen, dass eine Regelung zur Anerkennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden fehlt. Betroffene sowie die SED-Opferbeauftragte in Bund und Ländern weisen seit Jahren darauf hin, dass die Anträge scheitern. Das Problem: Sie müssen den kausalen Zusammenhang zwischen ihrer Hafterfahrung und ihrem Leiden, etwa einer Angststörung oder einer posttraumatischen Belastungsstörung, nachweisen. Das gelingt häufig aber nicht.
SED-Opferbeauftragte will Regelung wie für einsatzgeschädigte Soldaten
Auch SPD, Grüne und FDP hatten das Problem in ihrem Koalitionsvertrag anerkannt und angekündigt, eine Lösung dafür zu finden. Im vorliegenden Gesetzentwurf fehlt diese allerdings, und die Bundesregierung begründet dies auch ausführlich. Ihrer Auffassung nach ist mit der Novellierung des sozialen Entschädigungsrechts der entscheidende Schritt schon gegangen worden.
Dem widersprachen die Sachverständigen vehement. Die letzten Jahrzehnte hätten gezeigt, dass dieses Problem so nicht zu lösen sei, so Zupke. Die SED-Opferbeauftragte bekräftigte ihre Forderung nach einer kriterienbasierten Vermutungsregelung, wie sie für einsatzgeschädigte Soldaten bereits gelte. Danach soll bei Vorliegen von Kriterien wie einer politischen Haftzeit ein Zusammenhang mit einer späteren Erkrankung grundsätzlich angenommen - und entsprechend entschädigt - werden.
Dass so eine Vermutung zulässig sei, machten drei Sachverständige mit medizinisch-psychologischem Hintergrund deutlich. So berichtete Tolou Maslahati von der Berliner Charité über Studienergebnisse, nach denen sowohl psychische als auch physische Erkrankungen bei Menschen, die politisch verfolgt wurden, gehäuft vorkämen.
Bundesweiter Fonds soll SED-Opfern im Westen helfen
Nachbesserungsbedarf sahen die Sachverständigen auch bei der großen Neuerung des Entwurfs, dem bundesweiten Härtefallfonds. Hintergrund ist, dass für SED-Opfer, die in westdeutschen Bundesländern leben, keine Unterstützungsfonds wie in ostdeutschen Bundesländern existieren. Durch einen bundesweiten Fonds, der von der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge betreut werden soll, soll dem abgeholfen werden.
In der Anhörung warnte aber unter anderem Jörg Drieselmann, Stiftungsratsmitglied der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge, davor, einen "Härtefallfonds West" einzurichten. Der Fonds sei "wichtig und überfällig", es sei aber nicht vermittelbar, "dass Art und Höhe der Unterstützung vom Wohnort abhängig sind". Vielmehr müssten die Fonds in den Ländern beendet werden, forderte Drieselmann.
Ikea will sechs Millionen Euro in Härtefallfonds einzahlen
Auch die finanzielle Ausstattung des Fonds nahmen die Sachverständigen in den Blick. Nachdem das schwedische Möbelunternehmen IKEA in der vergangenen Woche erklärt hatte, sechs Millionen Euro in den Fonds einzuzahlen, weil das Unternehmen von politischen Häftlingen in der DDR produzierte Möbel verkauft hatte, sieht UOKG-Vorsitzender Dombrowski nun westdeutsche Unternehmen, die von der Zwangsarbeit profitiert hätten, in der Pflicht - namentlich nannte er die Bahn, Aldi und Otto. Bislang weisen die Unternehmen entsprechende Forderungen zurück. "Möglicherweise liegt es in der DNA deutscher Unternehmen, dass sie kein Problem haben, mit und in Diktaturen gute Geschäfte zu machen", kritisierte Dombrowski.
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Weil politische Häftlinge für IKEA produzierten, will das Unternehmen SED-Opfer mit sechs Millionen Euro unterstützen. SED-Opferbeauftragte Zupke zeigt sich dankbar.
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