Nach langen Diskussionen in der Ampel : Bundeseinheitliche Regelung für Bezahlkarte beschlossen
Der Bundestag hat eine bundeseinheitliche Regelung für die Bezahlkarte für Asylsuchende beschlossen. Vor Ort soll das Instrument flexibel eingesetzt werden können.
In der Schlussphase dieses langen Prozesses ging es dann schnell: Nachdem sich die Ampel-Koalition am vorvergangenen Freitag nach monatelangen Diskussionen auf eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) geeinigt hatte, passierte diese am Freitag dieser Woche den Bundestag. Damit gibt es nun eine bundesrechtliche Regelung für die Einführung einer Bezahlkarte für Asylsuchende. Die schnelle Verabschiedung hat ein sogenanntes Omnibusverfahren ermöglicht: An den Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Anpassung von Datenübermittlungsvorschriften im Ausländer- und Sozialrecht" wurde per Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen die Reform des AsylbLG "angehängt". Neben SPD, Grünen und FDP stimmten auch die AfD-Fraktion und die Gruppe BSW dem Gesetz zu. Die Unionsfraktion, die ihre eigenen, letztlich abgelehnten Vorlagen für die besseren hielt, stimmte dagegen, ebenso die Gruppe Die Linke.
Bundesländer setzen Bezahlkarte teils in Eigenregie um
Auf Änderungen hatten vor allem die Bundesländer gepocht. Hauptziel dabei: Migrationsanreize senken, Geldüberweisungen ins Ausland unterbinden und Kommunen von Bürokratie entlasten. Ziele, von denen Wohlfahrtsverbände und Migrationsforscher allerdings nicht glauben, dass sie mit einer Bezahlkarte erreicht werden.
Zwar können die Bundesländer die Karte auch in Eigenregie umsetzen und tun dies teilweise schon. Mit dem Argument, sich mit einer Bundesregelung im Rücken besser gegen Klagen wappnen zu können, hatten sie jedoch seit dem Flüchtlingsgipfel im Herbst 2023, auf dem die Einführung der Karte beschlossen worden war, Druck auf die Bundesregierung ausgeübt.
Diskussion über die Bezahlkarte
Bisher erhalten Asylsuchende ihre Leistungen für den täglichen Bedarf in Geldform. Die Unionsfraktion möchte Sachleistungen einführen.
Die Union hat einen Gesetzentwurf für die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vorgelegt. Die Grünen beharren auf einer diskriminierungsfreien Bezahlkarte.
Die Abgeordneten streiten in einer Aktuellen Stunde darüber, ob es eine bundesgesetzliche Regelung braucht, um die Bezahlkarte für Asylbewerber überall einzuführen.
Doch innerhalb der Koalition wollten sich die Grünen diesem Druck nicht beugen und drängten darauf, diese guthabenbasierte Karte diskriminierungsfrei auszugestalten. In ländlichen Regionen, aber auch bei Bezahlung von Strom- oder Telefonkosten könne es schwierig oder unmöglich sein, mit einer solchen Karte zu bezahlen, lautete ihr Argument.
Die Kommunen haben viel Spielraum
Nun ist der Kompromiss da: Die Option der Bezahlkarte wird explizit ins AsylbLG aufgenommen, neben bereits bestehenden Regelungen zu Geld- oder Sachleistungen. Ob sie die Karte einführen und wie sie die Nutzung konkret ausgestalten, bleibt aber den Bundesländern überlassen, um den "individuellen Bedürfnissen und Umständen vor Ort" gerecht werden zu können. Es ist also den Behörden auch möglich, sich im Rahmen der Ermessensausübung im Einzelfall gegen den Einsatz der Karte zu entscheiden. Dies könne etwa bei Menschen der Fall sein, die Einkommen aus Erwerbstätigkeit, Ausbildungsvergütung oder BAföG auf ein eigenes Girokonto erhalten, so dass eine Überweisung von aufstockenden AsylbLG-Leistungen auf dieses Konto zweckmäßiger sei, schreiben die Koalitionsfraktionen. Neu ist außerdem, dass, wenn einzelne Bedarfe des monatlichen Regelbedarfs nach dem SGB XII (Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch) nicht über eine Bezahlkarte gedeckt werden können, diese als Geldleistung erbracht werden sollen. Über die Höhe des auf der Karte verfügbaren Betrages sollen die Behörden vor Ort selbst entscheiden.
Bezahlkarte für Asylsuchende
⛰️ Flüchtlingsgipfel: Im Herbst 2023 hatten sich Bund und Länder auf die Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber geeinigt.
💳 Praxis: Die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sollen hauptsächlich auf diese Karte gebucht werden und nur ein kleiner Betrag noch bar zu Verfügung stehen.
✅ Motivation: Zahlungen in Herkunftsländer der Flüchtlinge sollen mit der Bezahlkarte unterbunden und Kommunen von Bürokratie entlastet werden.
👎 Kritik: Sozial- und Wohlfahrtsverbände kritisieren die Karte als Abschreckungsinstrument, das vor Ort zu vielen Benachteiligungen im Alltag führen werde. Im parlamentarischen Raum waren es vor allem die Grünen, die auf eine diskriminierungsfreie Ausgestaltung der Bezahlkarte bestanden haben. Union und AfD warfen der Partei daraufhin eine Verzögerungspolitik vor.
🤝 Kompromiss: Mit der nun gefundenen Lösung wird die Bezahlarte explizit im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) verankert, als Option neben Geld- und Sachleistungen. Die Leistungsbehörden vor Ort erhalten jedoch einen großen Ermessensspielraum für individuelle Lösungen. Kann das Guthaben auf der Bezahlkarte das Existenzminimum nicht absichern, müssen Geldleistungen erbracht werden.
Die Debatte im Bundestag verlief aber keineswegs nach dem Motto: Ende gut, alles gut. Die gegenseitigen Attacken um den richtigen Kurs in der Migrationspolitik zeigten deutlich: Das Thema birgt auch nach dem Bezahlkartenbeschluss viel Konfliktpotenzial. Insbesondere die Grünen mussten sich von CDU/CSU und AfD heftige Vorwürfe gefallen lassen. So schoss sich Stephan Stracke (CSU), wie in den Debatten zuvor, voll auf die Grünen ein. "In der Migrationspolitik bleiben die Grünen Geisterfahrer", sie stünden nicht hinter den Zielen der Bezahlkarte. Es gehe der Partei nur darum, Migrationsströme zu managen, "uns geht es aber um eine klare Begrenzung und Ordnung der Migration", sagte Stracke.
Der AfD-Abgeordnete Norbert Kleinwächter warf den Grünen und der Koalition insgesamt vor: "Sie tun so, als gehörten Sozialleistungen zum Ausländerdasein dazu. Das ist aber nicht so, denn es sind deutsche Steuergelder. Deswegen dürfen wir Sozialleistungen für Ausländer nicht systematisieren, sondern müssen sie begrenzen, wo es nur geht."
Für die Gruppe BSW warf Alexander Ulrich Grünen und SPD vor, die Existenz von Pull-Faktoren zu leugnen und trotz Bezahlkarte bei migrationspolitischen Fragen nicht konsequent genug zu ein.
Dem widersprach nicht nur Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD): "Woran andere gescheitert sind, was 16 Jahre lang Bundesinnenminister der CDU nicht geschafft haben, das setzen wir um." Die Regierung habe nicht nur die Bezahlkarte beschlossen, sondern auch ein Gesetz für schnellere Abschiebungen und auf europäischer Ebene für einen Asylkompromiss gerungen (siehe Seite 10).
Es können individuelle Lösungen gefunden werden
Rasha Nasr (SPD) sagte, Grüne und SPD leugneten nicht die Pull-Faktoren. Es sei jedoch falsch, wie Union und AfD so zu tun, als gebe es nur den einen entscheidenden Pull-Faktor, nämlich Sozialleistungen. "Weder ist die Bezahlkarte die Lösung für alles, noch schafft sie das Grundrecht auf Asyl ab", mahnte Nasr zu Sachlichkeit. Sie verteidigte die gefundene Lösung als "pragmatisch", sie gebe den Behörden vor Ort genügend Ermessensspielraum und ermögliche nun auch Direktzahlungen für Strom und Miete.
Andreas Audretsch (Grüne) warf der Union vor, "komplett die andere Seite der Debatte zu ignorieren". Wenn, wie im Bundestag zuvor geschehen, die AfD "Brot, Bett und Seife" für Asylsuchende fordere, sei eine Grenze überschritten: "Das werden wir nie zulassen!" Mit der Klarstellung, dass die Kommunen vor Ort das Existenzminimum zu garantieren haben, sei es nun "ausgeschlossen, dass Menschen von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen werden", betonte Audretsch. Stephan Thomae (FDP) hob vor allem die Entlastung der Kommunen hervor, da sich am Monatsende nun nicht mehr lange Schlangen vor den Ausgabestellen der Leistungsbehörden bilden würden.
Clara Bünger (Gruppe Die Linke) kritisierte die Debatte um die Bezahlkarte generell als vorurteilsbehaftet: Die AsylbLG-Leistungen lägen unter dem Existenzminimum. "Die Idee, dass Asylsuchende nichts anderes zu tun haben, als große Geldbeträge ins Ausland zu transferieren, ist doch total absurd."