Piwik Webtracking Image

Foto: picture alliance/dpa
Deutsche Soldaten während des Nato-Manövers "Fast Griffin" im Oktober 2022 in Litauen. Ab dem kommenden Jahr soll dort eine kriegstüchtige Brigade der Bundeswehr dauerhaft stationiert werden.

Litauen-Brigade der Bundeswehr : Operation Zweitenwende an der Nato-Ostflanke

In Litauen soll eine kriegstüchtige Bundeswehr-Brigade dauerhaft stationiert werden. Dafür nötige Gesetze sollen noch vor den Neuwahlen durch den Bundestag gehen.

06.12.2024
True 2024-12-06T12:07:33.3600Z
3 Min

Die dauerhafte Stationierung einer kriegstüchtigen Brigade in Litauen, zur der sich Deutschland auf dem Nato-Gipfel am 18. Dezember 2023 in der litauischen Hauptstadt Vilnius verpflichtet hat, stellt in der rund 70-jährigen Geschichte der Bundeswehr ohne Zweifel eine Zeitenwende dar. Ihr Auftrag: Schutz des Nato-Mitgliedstaates gegen eine mögliche russische Aggression. Aktuell bereitet ein rund 150-köpfiger Aufstellungsstab in Litauen die Stationierung vor, im kommenden Jahr soll die Brigade dann offiziell in Dienst gestellt und bis 2027 auf ihr volles Kontingent von rund 4.800 Soldaten und 200 Zivilangestellte anwachsen.

Für Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist die Litauen-Brigade "das wichtigste Projekt der Zeitenwende", die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner Regierungserklärung Ende Februar 2022 nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine verkündet hatte. Und die Brigade sei Teil einer "glaubwürdigen Abschreckung" der Nato gegen das "revisionistische und imperialistische Russland" wie er am vergangenen Donnerstag vor dem Bundestag ausführte.

Stationierungs-Abkommen mit Litauen muss noch ratifiziert werden

Der Bundestag debattierte in erster Lesung über zwei Gesetzentwürfe, die wichtige gesetzliche Grundlagen für die Stationierung der Brigade in Litauen schaffen sollen. So soll zum einen das Abkommen zwischen Litauen und der Bundesrepublik vom 13. September 2024 über die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Stationierung auf dem litauischen Hoheitsgebiet mit einem Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen von SPD und Grünen ratifiziert werden. Das litauische Parlament habe das Abkommen bereits ratifiziert, führte Pistorius aus.

Für die Soldaten der Bundeswehr und die Zivilangestellten sowie ihre Familien viel wichtiger hingegen ist jedoch der vom Verteidigungsminister vorgelegte Gesetzentwurf “zur weiteren Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft und zur Änderung von Vorschriften für die Bundeswehr”. Der Name des Gesetzes, das auch als Artikelgesetz Zeitenwende bezeichnet wird, klinge zwar sehr technisch, sei für die Soldaten und ihre Familien "mitnichten trivial", stellte denn auch der SPD-Abgeordnete Johannes Arlt, selbst ehemaliger Offizier der Bundeswehr, fest.

Bundeswehr will möglichst viele Freiwillige für die Brigade gewinnen

Mit dem Gesetz soll der Dienst fern der Heimat für die Soldaten möglichst attraktiv gestaltet werden, denn die Bundeswehr möchte für ihre Brigade in Litauen möglichst viele Freiwillige gewinnen und auf verpflichtende Versetzungen nach Möglichkeit verzichten. Im Gegensatz zu den bisherigen Auslandseinsätzen der Bundeswehr werden die Soldaten nicht nur für wenige Monate, sondern für Jahre in Litauen stationiert werden. Für die Familien der Soldaten stellt dies - ganz gleich ,ob sie mit nach Litauen umziehen oder nicht - eine gewaltige Herausforderung für das Privatleben dar.

So sieht der Gesetzentwurf Verbesserungen bei der Bezahlung von Mehrarbeit im Einsatz, beim Trennungsgeld und den Umzugskosten vor, zudem Zahlungen für den Ausgleich von Pflegekosten betreuungsbedürftiger Angehöriger sowie Zuschüsse zur Altersversorgung der Ehepartner.

Verteidigungsminister Pistorius warb denn auch sehr eindringlich vor dem Bundestag für die Annahme des Gesetzentwurfes, ohne den die Aufstellung der Litauen-Brigade "gefährdet" sei. In der Tat gehören beide Gesetzesvorlagen zu den wenigen der jetzigen Bundesregierung, die wohl eine Mehrheit im Bundestag finden werden. Zumindest signalisierten sowohl die FDP als auch die Union ihre konstruktive Verhandlungsbereitschaft.

Union bemängelt fehlende Ausrüstung in der Truppe

Kritik musste sich Pistorius aus den Reihen der Opposition dennoch nicht zu wenig anhören. Die vom Bundeskanzler ausgerufene Zeitenwende sei insgesamt gescheitert, befand der Unionsabgeordnete Florian Hahn (CSU). Auch die Aufstellung der Litauen-Brigade sei "kein Erfolg". Das vorgelegte Artikelgesetz sei zwar wichtig, käme aber viel zu spät. Zudem müssten andere Verbände des Heeres "geplündert" werden, um die materielle Ausrüstung der Brigade zu gewährleisten.

Mehr zum Thema

Die Deutschland-, EU- und NATO-Flaggen nebeneinander vor dem blauen Himmel
Schwerpunkte des Nato-Gipfels: Elefanten im Raum
Ukraine-Krieg, russische Atomdrohungen, Konfrontation mit China: Der Nato-Gipfel zum 75. Jubiläum steht im Zeichen sicherheitspolitischer Großkrisen.
Porträt von Johann Wadepuhl
Interview zum Nato-Gipfel: "Wir müssen uns von der Illusion lösen, dass Sicherheit nichts kostet"
Christdemokrat Johann Wadephul fordert ein klares Bekenntnis im Haushalt 2025 zum Zwei-Prozent-Ziel für Verteidigung. Er sagt: Der Verteidigungsetat muss ansteigen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius
Verteidigungsetat: Ein Minister und seine Truppe in Geldnöten
Der Bundeswehr werden nach dem Aufbrauchen des Sondervermögens zweistellige Milliardenbeträge fehlen, um "kriegstüchtig" zu werden.

Der FDP-Parlamentarier Nils Gründer mahnte an, die personelle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr dürfe nicht nur bei der Litauen-Brigade gesteigert werden. Das Personalsystem der Bundeswehr müsse insgesamt auf den Prüfstand.

Von Seiten der AfD-Fraktion sowie der Linken- und der BSW-Gruppe wurde fundamentale Kritik laut. Die Politik der Regierung aber auch die Vorstellungen der Union steigerten lediglich die Gefahr eines Krieges mit Russland.