Kurz rezensiert : Das Weiße Haus und Putins Krieg
Bob Woodward gibt mit seinem Buch "Krieg" Einblicke in die Entscheidungen der US-Regierung vor und während des russischen Angriffs auf die Ukraine.
"Wir glauben einfach nicht, dass sie einmarschieren werden", erwiderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Gerade hatte ihn US-Vizepräsidentin Kamala Harris über die russische Truppenkonzentration an der ukrainisch-weißrussischen Grenze informiert und vor einer Invasion gewarnt. Selenskyj wollte die Katastrophe nicht wahrhaben. Dabei war Harris am 20. Februar 2022 eigens nach München gereist, um ihm die schlechten Nachrichten persönlich zu überbringen. Außerdem empfahl sie dem Ukrainer einen Fluchtplan. Auch davon wollte Selenskyj nichts hören. Vier Tage später griffen russische Truppen die Ukraine an.
"Krieg" ist ein echter Woodward! Dutzende amerikanische Politiker, Sicherheitsbeamte und Diplomaten sprachen mit dem berühmten Journalisten, der ein weiteres spannendes Kapitel Oral-History vorgelegt hat. Sein Buch sei allen empfohlen, die wissen wollen, was im Weißen Haus vor und während Putins Angriff auf die Ukraine diskutiert und entschieden wurde.
Biden schließt Atomwaffen-Einsatz aus
Die USA würden "nicht mit Atomwaffen reagieren, wenn Putin auf dem Schlachtfeld in der Ukraine eine taktische Nuklearwaffe einsetzte". Sowohl im privaten Umfeld als auch gegenüber seinen Beratern habe sich US-Präsident Joe Biden klar geäußert, betont Woodward. Die Aussagen des zweifachen Pulitzer-Preisträgers der "Washington Post" stehen außer Zweifel. Zusammen mit seinen Kollegen Carl Bernstein hatte er 1973 die Watergate-Affäre aufgedeckt, die zum Rücktritt des US-Präsidenten Richard Nixon führte.
Bob Woodward:
Krieg.
Hanser,
München 2024;
480 S., 25,00 €
Am Ende des Buches zieht der Journalist eine Bilanz von Bidens Präsidentschaft, in deren Verlauf keine US-Soldaten in einen Krieg entsandt wurden. Der Demokrat konsolidierte die Nato, sein Sicherheitsteam warnte die Welt vor der bevorstehenden Aggression Putins und versorgte die Ukraine mit den benötigten Waffen. Auch Israel profitierte nach dem 7. Oktober 2023 von einer massiven amerikanischen Unterstützung. Zugleich verweist Woodward auf die Versuche des Präsidenten, eine weitere Eskalation im Nahen Osten zu verhindern.
Es ist wenig überraschend, dass Woodward Trump nicht für geeignet hält, die USA zu führen. Trump sei "schlechter als Richard Nixon, ein erwiesenermaßen krimineller Präsident". Der Republikaner werde "von Furcht und Wut beherrscht", "das öffentliche und nationale Interesse sind ihm gleichgültig".
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