Triumph des republikanischen Ex-Präsidenten : Trumps Comeback, Harris' Absturz
Die Amerikanerinnen und Amerikaner wählen Donald Trump zum 47. Präsidenten der USA. Die demokratische Kandidatin Kamala Harris verliert unerwartet deutlich.
An der ehrwürdigen Howard-Universität im Washingtoner Stadtteil Shaw warteten die Anhänger von Kamala Harris in der Nacht zu Mittwoch vergeblich auf ihren Star. Anders als angekündigt, erschien die demokratische Präsidentschaftskandidatin nicht auf dem Campus ihrer ehemaligen Alma Mater.
Der 60-jährigen Demokratin war die Feierlaune gründlich vergangen, als sich abzeichnete, dass Donald Trump ihr den größten Triumph ihres Lebens versagen würde: den Aufstieg zur ersten Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika. Harris holte den Besuch der berühmten, von Afro-Amerikanern besuchten Hochschule, die preisgekrönte Schriftstellerinnen wie Toni Morrison oder Verfassungsrichter wie Thurgood Marshall hervorbrachte und an der sie 1986 ihr Jura-Studium beendet hatte, am Mittwochnachmittag nach. Ihrer „Concession”-Rede, in der sie ihre Niederlage eingestand, war ein Anruf bei „President-elect” Donald Trump vorausgegangen, in dem die Kalifornierin dem Republikaner eine glückliche Hand wünschte.
Harris ging vor Hunderten Anhängern, die teilweise deprimiert und fassungslos wirkten, in ihrer Rede in die Vollen: „Ich gebe den Verlust dieser Wahl zwar zu, aber nicht den Kampf auf, der diese Kampagne befeuert hat”, sagte sie mit kräftiger Stimme. „Das Licht der amerikanischen Verheißung wird immer hell strahlen, solange wir niemals aufgeben und solange wir weiterkämpfen", ließ die amtierende Vize-Präsidentin all jene wissen, die jetzt tief enttäuscht seien. Manchmal brauche der Kampf Zeit. „Das heißt nicht, dass wir nicht gewinnen. Gebt niemals auf. Ihr habt die Kraft. Verzweifelt nicht, krempelt die Ärmel hoch. Bleibt engagiert im Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit.”
Harris schweigt zu möglichen Fehlern im Wahlkampf
Mit keiner Silbe der Selbstkritik ging Harris auf die Niederlage gegen den Republikaner ein. War ihr Wahlkampf thematisch falsch gewichtet? Hat sie sich von Amtsinhaber Joe Biden nicht deutlich genug distanziert? Harris gab keinen Einblick in ihr Seelenleben. Aber sie betonte indirekt den Unterschied zu Trump. Sie habe ihm am Nachmittag gratuliert und versichert, dass sie und die Demokraten eine friedliche Machtübergabe gewährleisten werden. „Das unterscheidet uns von der Tyrannei. Wir schuldender Verfassung Loyalität.”
In ihrer "Concession"- Rede gestand Kamala Harris am Mittwoch in Washington ihre Niederlage ein, zeigte sich jedoch weiter kämpferisch.
Dass Trump vier Jahre zuvor nach seiner Niederlage gegen Joe Biden die amerikanische Demokratie an den Rand einer Zerreißprobe geführt hatte, musste sie nicht eigens ausführen. Mit Blick auf die düsteren Ankündigungen Trumps, der Oppositionellen Vergeltung angedroht hat, sagte Harris: „Ich weiß, dass viele Menschen das Gefühl haben, dass wir jetzt in eine dunkle Zeit eintreten.” Doch nur in der Dunkelheit seien Sterne zu sehen. Nun sei es an Amerika selbst, den Himmel mit Sternen zu füllen.
Trump holte bei der „Popular Vote” vier Millionen Stimmen mehr als Harris
Bis die Demokraten die krachende Niederlage – auch der Senat fiel an die Republikaner – analysiert und verdaut haben, „werden Monate vergehen”, sagen Parteigänger in Washington. Wie es dem vorbestraften Geschäftsmann gelingen konnte, die Swing States North Carolina, Pennsylvania, Georgia, Wisconsin und Michigan für sich zu entscheiden und so auf die vorläufige Zahl von 295 Stimmen im 538-köpfigen Wahlmänner-Gremium zu kommen, das am 17. Dezember den Präsidenten bestimmt, „ist ein Rätsel, an dem wir noch lange knacken werden”.
Trump holte bei der „Popular Vote” auch über vier Millionen Stimmen mehr als seine Kontrahentin, die Stand Freitag 226 Wahlmännerstimmen errang. Zum Vergleich: Bei seinem ersten Wahlsieg 2016 sammelte Hillary Clinton knapp drei Millionen Stimmen mehr ein als Trump.
TV-Analysten hielten Comeback Trumps schon früh in der Wahlnacht für realistisch
Schon die erste Etappe der Wahlnacht in Amerika verlief nicht nach dem Geschmack der Demokraten. Ex-Präsident Donald Trump häufte nach Schließung der Wahllokale einen Sieg nach dem anderen an. Er kam bereits gegen 22 Uhr Ostküstenzeit (4 Uhr morgens in Deutschland) nach Hochrechnungen auf rund 200 Stimmen im Wahlmännergremium.
Seine demokratische Konkurrentin lag zu diesem Zeitpunkt mit rund 100 Stimmen deutlich zurück. Ein Comeback des 78-Jährigen im dritten Anlauf zum Weißen Haus nach 2016 und 2020 wurde von TV-Analysten darum schon früh „mit aller gebotenen Vorsicht für realistisch gehalten”. Vier Stunden später war die politische Welt in den USA eine andere. Trump näherte sich der magischen Grenze von 270 Stimmen im „Electoral College”.
Als alles so gut wie klar war, ging Trump ähnlich wie 2020 – aber diesmal von Fakten statt Fake News getrieben – vorzeitig vor die Kameras und verkündete einen „politischen Sieg, wie ihn unser Land noch nie erlebt hat“. Anstatt verbaler Breitseiten gegen seine Gegner redete Trump fast konziliant: „Es ist an der Zeit, die Spaltungen der vergangenen vier Jahre hinter uns zu lassen. Es ist an der Zeit, dass wir uns vereinen, und wir werden das versuchen”, sagte er vor Anhängern in West Palm Beach, Florida.
Ansprache junger Wähler über Tiktok erfolgreich
Da hatte der New Yorker Unternehmer schon Tatsachen auf seiner Seite, die vor wenigen Tagen noch für undenkbar gehalten worden wären. Danach stimmten weiße Männer ohne College-Abschluss zu mehr als zwei Dritteln für Trump. Sein Bemühen, jüngere Wähler, vor allem Männer, über Tiktok zu erreichen, zahlt sich ebenfalls aus.
Die Annahme, dass Frauen wegen des Skandal-Themas Abtreibung in Scharen zu Kamala Harris überlaufen, war verfehlt. 52 Prozent der weißen Frauen entschieden sich für Trump. Die These, dass die weibliche Wählerschaft dem Mann, der Sätze wie „grab ’em by the pussy“ gesagt hat, die Grenzen aufzeigen wird, hat sich als falsch erwiesen. Nach Hillary Clinton 2016 scheiterte mit Kamala Harris zum zweiten Mal eine Frau an Amerikas Männer-Gesellschaft.
Ebenfalls ein Trugschluss war die demokratische Lesart, dass die unter der Regierung Joe Biden geschaffenen ökonomischen Kennziffern der USA nach Überwindung der Corona-Pandemie – hohes Wachstum, geringe Arbeitslosigkeit – von den Wählern auf breiter Front honoriert würden. Die Lebenswirklichkeit vieler Menschen sah anders aus. Vor allem unverändert hohe Verbraucherpreise erzürnen das Land. Kamala Harris wurde dafür, als Nachfolgerin Bidens, haftbar gemacht.
Viele votierten aus wirtschaftlichen Gründen für den Ex-Präsidenten
Auf das falsche Pferd setzten die Demokraten und Harris auch mit der Einschätzung, dass sich Trump nach dem von ihm vom Zaun gebrochenen Sturm aufs Kapitol im Januar 2021 endgültig als Demokratie-inkompatibel erwiesen habe. In Nachwahlbefragungen stellte sich heraus, dass eine Vielzahl der Wähler die Vorfälle rund um den von Trump behaupteten Wahlbetrug 2020 als weitaus weniger dramatisch ansahen als die Eliten in Medien, Wissenschaft und Wirtschaft.
Das gilt insbesondere für die wachsend wahlentscheidende Gruppe der Latinos. Bei Einwanderern aus lateinamerikanischen Ländern gewann Joe Biden 2020 rund 60 Prozent der Stimmen. Diesmal liefen viele Hispanics, vor allem Männer, zu Trump über, weil sie sich von ihm wirtschaftlichen Erfolg versprechen und mit einer liberal-progressiver Gesellschaftspolitik nichts anfangen können.
Der Autor ist US-Korrespondent der Funke-Mediengruppe.