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Republikanische Vorteile im System? : Die Herrschaft der Minderheit in einer multiethnischen Demokratie

Die Politikwissenschaftler Steven Levitsky und Daniel Ziblatt äußern erhebliche Zweifel an der demokratischen Verfasstheit der USA.

01.11.2024
True 2024-11-01T16:13:47.3600Z
2 Min

Die USA rühmen sich der ältesten modernen Demokratie. Dennoch haben die amerikanischen Politikwissenschaftler Steven Levitsky und Daniel Ziblatt erhebliche Zweifel an der demokratischen Verfasstheit der Vereinigten Staaten von Amerika.

Das Autorenduo definiert Demokratie in einer multiethnischen Gesellschaft wie den USA wie folgt: "Sie ist ein politisches System mit regulären, freien und fairen Wahlen, in denen erwachsene Staatsbürger aller ethnischen Gruppen sowohl das Wahlrecht als auch grundlegende bürgerliche Freiheiten besitzen." Sei dies nicht gegeben, so drohe "Die Tyrannei der Minderheit", wie der Titel ihres pointierten und durchaus scharfzüngigen Buches lautet.

Eine solche Herrschaft der Minderheit attestieren die Autoren den USA. So sei beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, dass Afroamerikanern und Latinos fälschlicherweise mitgeteilt wird, ihre Namen stünden nicht in der Wählerliste, zweimal so hoch wie bei Weißen. Auch von den Gesetzen, die Vorbestraften das Wahlrecht entziehen, seien Afroamerikaner unverhältnismäßig oft betroffen.

Republikaner profitieren vom Wahlrecht

Vor allem aber verweisen Levitsky und Ziblatt auf die verfassungsrechtlichen Besonderheiten des Wahlrechts. So hätten von dem Umstand, dass der Präsident eben nicht direkt vom Volk, sondern von den in den Bundesstaaten nach dem Prinzip "Der Gewinner bekommt alles" gewählten Wahlmännern gewählt wird, bislang nur Republikaner profitiert. So zuletzt bei der Wahl von Donald Trump im Jahr 2016.

Auch die Zusammensetzung des Senats sehen die Autoren als höchst problematisch an. Der Umstand, dass alle Bundesstaaten unabhängig von ihrer Bevölkerungsgröße mit zwei Senatoren vertreten sind, führe dazu, dass dünn besiedelte Staaten mit zusammen weniger als 20 Prozent der US-Bevölkerung eine Senatsmehrheit bilden können. Auch hier, so weisen Levitsky und Ziblatt nach, profitierten bislang die Republikaner.


Steven Levitsky, Daniel Ziblatt:
Die Tyrannei der Minderheit.
DVA,
München 2024;
353 S., 26,00 €


In der Folge können zudem auch die Richter am Obersten Gerichtshof von einem Präsidenten nominiert und vom Senat bestätigt werden, die beide nicht die Mehrheit der Amerikaner vertreten. Dies sei aktuell bei drei der Obersten Richter der Fall. Und auch hier seien erneut die Republikaner die Profiteure.

Nun wissen Levitsky und Ziblatt natürlich, dass sie den Republikanern die mehr als 200 Jahre alte Verfassung nicht zum Vorwurf machen können. Mit einiger Berechtigung halten sie ihnen aber entgegen, sich von einem grundlegenden demokratischen Prinzip verabschiedet zu haben: die Anerkennung einer Wahlniederlage und die friedliche Übergabe der Macht.

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