Bücher rund um den Parlamentarismus : Von Rednern, Frauen, Einsamkeit und der Vertrauensfrage
An Publikationen über den Bundestag und zum Parlamentarismus mangelt es nicht. Eine Auswahl zu unterschiedlichen Aspekten des parlamentarischen Betriebs.
Unter den vielen Publikationen über den Bundestag und seine Abgeordneten gehört "Das Hohe Haus" von Roger Willemsen sicherlich zu den bemerkenswertesten. Im Wahljahr 2013 setzte sich der bekannte Publizist und TV-Moderator Sitzungswoche für Sitzungswoche auf die Zuschauertribüne im Reichstagsgebäude und verfolgte die Debatten im Rund des Plenarsaals. Seine Beobachtungen, Eindrücke und Schlussfolgerungen verpackte Willemsen, der drei Jahre später verstarb, in seinem glänzend geschriebenen Buch. Und er sparte nicht an Kritik, monierte die schlechte Rhetorik vieler Reden, denen zudem etwas "Nachgereichtes" anhafte, weil die Entscheidungen meist bereits außerhalb des Plenarsaals getroffenen worden seien.
Roger Willemsen:
Das Hohe Haus.
Ein Jahr im Parlament.
Fischer Taschenbuch,
Frankfurt/M. 2015;
432 Seiten, 13,00 €
Sie waren Pionierinnen unter den 410 Abgeordneten, die am 7. September 1949 im ersten Bundestag in Bonn zusammenkamen. Und sie waren eine kleine Minderheit, gerademal 28 Frauen. Auch wenn ihre Zahl im Lauf der Legislatur auf 38 anstieg, war es ein harter Kampf, sich in der Männerdomäne Bundestag durchzusetzen. Im Band "Der nächste Redner ist eine Frau" erzählen die Schriftstellerinnen Helene Bukowski, Julia Franck, Shelly Kupferberg, Terézia Mora und Juli Zeh die Geschichte der damals oft unterschätzten und heute meist vergessenen ersten Frauen im Bundestag. Auch wenn ihr Anteil auf heute 35 Prozent stieg, mit so manchem Sexismus kämpfen ihre politischen Enkelinnen noch heute.
Deutscher Bundestag (Hg.):
Der nächste Redner ist eine Dame.
Die Frauen im ersten Deutschen Bundestag.
Ch. Links,
Berlin 2019;
256 Seiten, 25,00 €
Macht macht sexy, Macht macht süchtig, Macht macht krank und einsam. Die Journalisten Peter Dausend und Horand Knaup untersuchen in ihrem Buch „Alleiner kannst du gar nicht sein“ die menschliche Seite des Abgeordneten-Daseins. Ihre lesenswerte Diagnose: Das begehrte Mandat im Bundestag ist ein Hochrisiko für Körper und Seele. Viele Abgeordnete sind übergewichtig, leiden unter Bewegungsmangel und einem erhöhten Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt. Der Ton und Umgang werden seit Jahren rauer und roher. Abgeordnete werden beschimpft, sind Opfer von Morddrohungen und Vergewaltigungsfantasien. Fast die Hälfte des Jahres sind sie von ihrem sozialen Umfeld und ihren Familien getrennt, leiden unter Einsamkeit.
Peter Dausend, Horand Knaup:
"Alleiner kannst Du gar nicht sein"
Unsere Volksvertreter zwischen Macht, Sucht und Angst.
dtv,
München 2020;
464 Seiten, 22,00 €
Der Parlamentarismus in Deutschland hat sich in den vergangenen 75 Jahren als erfolgreich erwiesen. Dennoch stehe er vor einer „Vertrauensfrage“, wie der Würzburger Staatsrechtler Florian Meinel in seinem gleichnamigen Buch meint. Gründe dafür findet er nicht nur im Erstarken der politischen Ränder in Gestalt von Parteien wie der AfD und in der schwindenden Bindungskraft der Volksparteien, sondern auch im Regierungssystem. Gerade in Zeiten großer Koalitionen verschiebe sich die Macht auf Kosten des Bundestages zunehmend zur Regierung. Meinel lotet auch deshalb die Vor- und Nachteile möglicher Minderheitenregierungen aus. Ein kluges und anspruchsvolles Buch.
Florian Meinel:
Vertrauensfrage.
Zur Krise des heutigen Parlamentarismus.
C.H.Beck,
München 2019;
238 Seiten, 16,95 €
Weitere Bücher über den Bundestag
In seinem neuen Buch "Die Institution" zeichnet der Historiker Michael F. Feldkamp die wechselhafte Geschichte des Bundestages nach.
"Das Treibhaus" gilt bis heute als einer der wichtigsten politischen deutschsprachigen Romane. Das 1953 veröffentlichte Buch spielt im Bundestag in Bonn.
Anna Sauerbrey geht in ihrem Buch "Machtwechsel" der Frage nach, wie sich die neue Generation, die den Wechsel wählte, von der Babyboomer-Generation unterscheidet.