Geschichte : 20 Miniaturen aus 75 Jahren Parlamentarismus
In seinem neuen Buch "Die Institution" zeichnet der Historiker Michael F. Feldkamp die wechselhafte Geschichte des Bundestages nach.
Höchstes Verfassungsorgan, Volksvertretung, Gesetzgeber, Hohes Haus, Forum der Nation, Werkstatt oder gar Herzkammer der Demokratie. Die Bedeutung des Bundestags lässt sich mit vielen Bezeichnungen charakterisieren. Für den Historiker Michael F. Feldkamp ist das Parlament schlichtweg "Die Institution". Wobei die Betonung des auf den ersten Blick etwas bieder klingenden Buchtitels auf dem "die" liegt, um die herausragende Stellung des Bundestags zu unterstreichen. In der repräsentativen Demokratie ist er die Verkörperung des Leitsatzes, dass alle Macht vom Volk ausgeht.
Michael F. Feldkamp:
Die Institution.
Der Deutsche Bundestag 1949 bis heute.
Langen Müller,
München 2024;
336 Seiten, 28,00 €
Auf etwas mehr als 300 Seiten zeichnet Feldkamp die 75-jährige Geschichte dieser Institution nach. Von seiner erstmaligen Konstituierung am 7. September 1949 bis in den Februar dieses Jahres. Kein ganz einfaches Unterfangen angesichts der Größe des Stoffes. Dass es dennoch gelungen ist, liegt nicht zuletzt am Autor als ausgewiesenem Experten für den Bundestag. Seit 1993 arbeitet Feldkamp mit Unterbrechung in unterschiedlichen Funktionen in der Bundestagsverwaltung. Seit 2000 leitet er die Redaktion des "Datenhandbuchs zur Geschichte des Deutschen Bundestages", jenem gewaltigen Nachschlagewerk, das den Bundestag zum wahrscheinlich am besten dokumentierten und wissenschaftlich aufbereiteten Parlament weltweit macht. Feldkamp ist also nicht nur bestens mit der Materie vertraut, sondern kennt das politische und administrative Innenleben des Bundestags aus dem gelebten Berufsalltag.
Blick auf alle 20 Wahlperioden
Nach einer kurzen Einleitung zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland und zur Entstehung des Grundgesetzes, präsentiert das Buch je ein Kapitel zu den 20 Legislaturperioden. Diese "Miniaturen" der einzelnen Wahlperioden, wie Feldkamp sie selbst nennt, folgen dabei stets dem gleichen Muster: Neben einem Blick auf die Ergebnisse der vorangegangenen Bundestagswahl und die Zusammensetzung des neuen Parlaments, berichten sie von der konstituierenden Sitzung, den Alterspräsidenten und Bundestagspräsidenten, der Wahl des Bundeskanzlers und vor allem über die wichtigsten und strittigsten Debatten und Entscheidungen im Parlament sowie vereinzelte große Reden.
Abgerundet werden die Kapitel durch Darstellungen zu den Wahlen der Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung, zu den Untersuchungsausschüssen, den Änderungen an der Geschäftsordnung oder dem Wahlrecht, dem sich ändernden Stil der Debatten oder der Bekleidung der Saaldiener im Plenum und dem wachsenden digitalen Informationsangebot des Bundestags im Internet und den sozialen Medien. Insgesamt bietet das Buch ein breites und vielfältiges Kaleidoskop des parlamentarischen Betriebs.
Mit seinem lesenswerten Kompendium zur Historie des Bundestags liefert Feldkamp gleichsam einen Überblick zur Geschichte der Bundesrepublik insgesamt. Mitunter geraten einzelne Aspekte aber doch sehr knapp. Dass etwa zum Ende der 13. Legislaturperiode nach der Bundestagswahl am 27. September 1998 noch der "alte" Bundestag am 16. Oktober über die deutsche Beteiligung an den Nato-Luftangriffen gegen Serbien entschied, ist sicherlich bemerkenswert. Wichtiger zu erwähnen wäre aber dann doch, dass es nicht irgendein Auslandseinsatz der Bundeswehr war, über den der Bundestag entschied, sondern ihr erster Kriegseinsatz - und dies ohne Mandat der Vereinten Nationen.