Piwik Webtracking Image

Hybride Kriegsführung Moskaus : "Wir werden von außen manipuliert"

Der frühere BND-Vizepräsident Arndt Freytag von Loringhoven warnt in seinem Werk eindringlich vor russischer Propaganda und Desinformation.

10.10.2024
True 2024-10-15T18:15:54.7200Z
2 Min

Deutschland ist das wichtigste europäische Ziel in Russlands Propagandakrieg. Zum einen ist die Bundesrepublik ein wichtiger EU-Mitgliedstaat, zum anderen erweist sich Berlin als zweitwichtigster Unterstützer Kiews gegen Russlands Angriffskrieg. Dennoch streiten nicht wenige Bundesbürger ab - oder wollen es nicht wahrhaben -, dass sich Deutschland im Fadenkreuz der Staatspropaganda Russlands befindet und "aktiven Maßnahmen" seiner Geheimdienste ausgesetzt ist.

Auf den Spuren der hybriden Kriegsführung Moskaus gegen Deutschland

Gegen diese Fehleinschätzung richtet sich das informative und gut strukturierte Buch "Putins Angriff auf Deutschland" von Arndt Freytag von Loringhoven und Leon Erlenhorst. Sie zeigen auf, wie der Kreml seit der Krim-Eroberung im März 2014 pro-russische Bewegungen und Parteien unterstützt und folgen den Spuren der hybriden Kriegsführung Moskaus gegen Deutschland während der Flüchtlingskrise 2015, der Corona-Pandemie, den Kriegen gegen die Ukraine, vor Wahlen und bei der Anstiftung zu innenpolitischen Unruhen. "Wir werden in weit größerem Ausmaß von außen manipuliert, als wir es wahrnehmen", betonen die Autoren.


Arndt Freytag von Loringhoven, Leon Erlenhorst:
Putins Angriff auf Deutschland.
Econ,
Berlin 2024;
336 Seiten, 24,99 €


Ihre Sachkenntnis ist unstrittig: Der ehemalige Botschafter Loringhoven war unter anderem als Diplomat in Moskau vor Ort, spricht gut Russisch und war von 2007 bis 2010 Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes. Leon Erlenhorst beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Propaganda. Ihre Analysen können sie mit zahlreichen Quellen belegen.

Autoren enttarnen Moskaus Kontakte zur AfD

Sie zeichnen nach, wie Präsident Putin Russlands Modernisierung gezielt abbrach, weil sie letztlich zu einer Demokratisierung und damit zu seinem Machtverlust geführt hätte. Seit 2012 verfolge er einen "gewaltbereiten, imperialistischen und revanchistischen" Kurs, der sich auch gegen den "Feindstaat" Deutschland richte. Die Autoren enttarnen die direkten Kontakte Moskaus zur AfD sowie Methoden der "gigantischen" Wählerbeeinflussung und Manipulation im Sinne der russischen Kriegsführung. "Große Teile unserer Gesellschaft, so scheint es, glauben offensichtlich nicht, dass der Krieg in der Ukraine auch Deutschland bedroht", stellen von Loringhoven und Erlenhorst fest. In den meisten anderen Ländern im Osten und Norden Europas hingegen mache man sich sehr viel weniger Illusionen über Moskaus Revisionismus.

Auch das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags, das alle deutschen Geheimdienste kontrolliert, stellte in einer seiner seltenen öffentlichen Stellungnahmen fest, dass Moskau "auf verschiedenen Ebenen illegitim auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft versucht aktiv einzuwirken". Deutschland müsse sich deutlich robuster, resilienter und wehrhafter aufstellen. Es reiche nicht aus, die jeweiligen Angriffe einzeln zu betrachten, vielmehr müsse Deutschland eine umfassende Gegenstrategie entwickeln. 

Auch Loringhoven und Erlenhorst empfehlen neue Mechanismen zur Abwehr der Desinformationspolitik Moskaus. Die Gesellschaft müsse aufgeklärt und Medienkompetenz in allen Altersgruppen aktiver vermittelt werden. Erst "die deutsche Zurückhaltung" habe Moskau einen so erfolgreichen Informationskrieg ermöglicht.

Weitere Buchrezensionen

Alexej Nawalny
Ermordung von Alexej Nawalny: Der arrogante Drachentöter
Der britische Journalist John Sweeney setzt in "Mord im Gulag" der russischen demokratischen Opposition in Gestalt von Alexej Nawalny ein würdiges Denkmal.
Ein Buch mit einer Brille
Russlands Militärgeheimdienst GRU: Erfolge und Fehlschläge im Krieg
Der deutsche Historiker Matthias Uhl legt erstmals eine umfassende Darstellung des sowjetisch-russischen Militärgeheimdienstes GRU vor.
Dmitry Glukhovsky auf einem blauen Sofa auf der Frankfurter Buchmesse 2022
Dmitry Glukhovsky im Interview: "Ich habe keine Angst"
Der russische Exil-Schriftsteller wirft einen Blick auf die Entwicklung in seinem Heimatland in den vergangenen zehn Jahren und rechnet mit dem System Putins ab.