Vor 55 Jahren : Erster deutscher Satellit "Azur" startet ins All
Am 8. November 1969 flog der erste deutsche Forschungssatellit ins All. "Azur" sollte ein Jahr die Erde umkreisen, doch nach rund acht Monaten brach der Kontakt ab.
Im Oktober 1957 schoss die Sowjetunion mit "Sputnik 1" den ersten Satelliten ins All. Mit dem sogenannten "Sputnik-Schock" begann im Kalten Krieg endgültig der Wettlauf um die Eroberung des Weltraums. Bis die Bundesrepublik hier auf den Plan trat, sollten jedoch noch zwölf Jahre vergehen: Am 8. November 1969, genau um 2:52 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, wurde der erste deutsche Forschungssatellit in die Erdumlaufbahn gebracht und Deutschland damit zur Weltraumnation. Damals hatten neben den USA und der UdSSR nur Großbritannien, Italien, Frankreich, Kanada, Japan und Australien eigene Satelliten im All.
Technologisches Meisterstück: 72 Kilo schwer ist der erste deutsche Forschungssatellit "Azur". Er sollte unter anderem die kosmische Strahlung, den Sonnenwind und die Polarlichter untersuchen.
Dabei hätte der wegen seiner bläulich schimmernden Solarpaneele "Azur" getaufte Satellit schon einen Tag früher seine Reise auf einer US-Rakete antreten sollen. Doch ein Kabelbrand führte dazu, dass der Start von der Vandenberg Air Force Base in Kalifornien um 24 Stunden verschoben werden musste. Im eigens eingerichteten Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum im bayerischen Oberpfaffenhofen, wo Presse und Ehrengäste zu Vorträgen und Buffets geladen waren, gab es entsprechend lange Gesichter.
Komplikationen behindern den Start
Auch nach dem Start lief nicht gleich alles glatt: Eine NASA-Bodenstation in Alaska konnte nicht wie geplant den ersten Kontakt zu "Azur" aufbauen, auch der nächsten Station in England gelang es nicht, die Datenübertragung zu starten. Erst die Zentralstation des Deutschen Bodensystems in Weilheim hatte Erfolg.
Die Enttäuschung war damit schnell verflogen. Den Jubel ihrer amerikanischen Kollegen, als die ersten Rohdaten aus Oberbayern in die USA per Fernschreiber übermittelt worden waren, konnten die Deutschen über ihre Kopfhörer hören. "Rund um Azur herrschte eine unglaublich enthusiastische Stimmung. Es war ein Abenteuer, das wir alle zum Erfolg bringen wollten - und wir haben es geschafft. Wir konnten zeigen, dass auch Deutschland zu einer Satellitenmission fähig ist", zitiert das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) den damaligen wissenschaftlichen Mitarbeiter Dieter Sundermann.
“Azur” zieht noch immer seine Bahnen – als Weltraumschrott
"Azur" sollte unter anderem die kosmische Strahlung, den Sonnenwind und die Polarlichter untersuchen. Doch die "Azur"-Mission war auch eine politische. Fünf Jahre vor dem Start hatte Bundeswissenschaftsminister Hans Lenz (FDP) der NASA eine Zusammenarbeit in der Weltraumforschung vorgeschlagen. Die Bundesrepublik wollte ihre technischen Fähigkeiten ausbauen, um sich langfristig auch an internationalen Weltraumvorhaben beteiligen zu können. "Azur" bezeichnet das DLR als "Grundstein für eine bis heute anhaltende Zusammenarbeit zwischen der deutschen und amerikanischen Weltraumforschung". So hätten die USA "die Zuverlässigkeit der bundesdeutschen Industrie und die wissenschaftliche Exzellenz der deutschen Forschungslandschaft" geschätzt.
Eigentlich sollte "Azur" ein Jahr die Erde umkreisen. Doch nach rund acht Monaten, am 29. Juni 1970, brach der Kontakt zu dem 72-Kilo-schweren Erdtrabanten aus ungeklärten Gründen ab, der nun als Weltraumschrott seine Bahnen zieht. Als Erfolg wurde die Mission dennoch gewertet. "Sputnik 1" war übrigens schon 92 Tage nach seinem Start in tiefere Schichten der Erdatmosphäre eingetreten - und verglüht.
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