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Foto: DBT/Stella von Saldern
Die 14-jährige Czeslawa Kwoka, hier porträtiert von Monika Mendat, ist eines von mehr als einer Millionen Auschwitz-Opfern.

80 Jahre Auschwitz-Befreiung : Bundestag zeigt gemalte Porträts von KZ-Häftlingen

Archiv-Fotografien inspirierten die Künstlerin Monika Mendat zu ausdrucksstarken Porträts. Sie wolle den anonymen Opfern von Auschwitz ein Gesicht geben, sagt sie.

30.01.2025
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3 Min

Wie nähert man sich dem Grauen? Wie erfasst man das Unfassbare - den millionenfachen Mord an Männern, Frauen und Kindern? Wie bewahrt man die Erinnerung?

Monika Mendat hat dafür zu Acrylfarbe und Pinsel gegriffen. Die Künstlerin malt, inspiriert von Originalfotografien aus dem Archiv des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, Porträts von Menschen, die von den Nationalsozialisten deportiert und im Arbeits- und Vernichtungslager Auschwitz gefoltert und ermordet wurden. Ihre Bilder, die der Deutsche Bundestag in der Ausstellung "Erinnerung an die Befreiung - Mahnung an die Demokratie" zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zeigt, arbeiten mit Licht und Schatten, farblich reduziert auf verschiedene helle und dunkle Blautöne. In den Blick fallen besonders die Gesichter der Porträtierten: Ein Mädchen, abgemagert bis auf das Skelett, die Augen voller Verzweiflung. Männer hinter Stacheldraht, ausgemergelt und gezeichnet von den Qualen des Lagers, im Augenblick der Befreiung durch die Soldaten der Roten Armee.


„Je ungeheuerlicher das Verbrechen, desto dringlicher das Erinnern.“
Monika Mendat

Rund 7.000 Häftlinge, davon etwa 700 Kinder, befanden sich zum Zeitpunkt der Befreiung am 27. Januar 1945 noch im Lager. Zwischen 1940 und 1945 hatten die Nazis dort mehr als eine Million Menschen systematisch ermordet, vor allem Juden, aber auch Sinti und Roma, sowjetische Kriegsgefangene, Homosexuelle, politische Gegner und Gefangene anderer Nationalitäten.

Auschwitz, Symbol und Synonym für den Holocaust, sei einzig dazu dagewesen, Menschen auszubeuten, zu erniedrigen und dann zu ermorden, betonte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) bei der Eröffnung der Ausstellung am Dienstag. Die Bilder von Monika Mendat bewirkten etwas Besonderes: "Mit jedem Tropfen Farbe und mit jedem Pinselstrich" gäben sie jenen, denen die Nazis alles geraubt hätten - Rechte, Hab und Gut, Heimat, häufig die Familie und schlussendlich das eigene Leben - "einen Teil ihrer Würde zurück".

Nur wenige Inhaftierte überlebten das Konzentrationslager

Einer der Porträtierten ist Jósef Szajna. Er überlebte fast fünf Jahre Konzentrationslager und Gefangenschaft. Auf einem der Todesmärsche, auf welche die Nazis ihre Gefangenen angesichts der näher rückenden Alliierten zwangen, gelang es ihm zu fliehen. Monika Mendats Bild zeigt einen zerbrechlich wirkenden jungen Mann in gestreifter KZ-Häftlingskleidung. Sein Kopf ist kahlgeschoren, der Blick geht ins Leere.

Czeslawa Kwoka hingegen entkam ihren Peinigern nicht: Das bei ihrer Deportation nach Auschwitz im Dezember 1942 erst 14-jährige Mädchen starb drei Monaten später, im März 1943. Ihr Foto, das Mendat im Archiv fand, aufgenommen am Tag der Registrierung in Auschwitz, ließ sie nicht mehr los. Sie malt Czeslawa mit blutigen Lippen und verweinten Augen.

Die Auseinandersetzung der Künstlerin mit dem Holocaust hat auch biografische Gründe: Die Mutter stammt aus Oswiecim (deutsch: Auschwitz), "einem der schlimmsten Orte der Weltgeschichte", wie Mendat es formuliert. Sie wolle "die Opfer aus der Anonymität holen und ihnen ein Gesicht geben", sagt Mendat über ihre Bilder. Es gehe ihr nicht um "Malerei um der Malerei Willen", sondern um das Erinnern: "Je ungeheuerlicher das Verbrechen, desto dringlicher das Erinnern" - auch in der Kunst.

Das “Nie Wieder!” muss mit Leben gefüllt werden

Bärbel Bas verwies in ihrer Rede zudem auf die Intention der Mütter und Väter des Grundgesetzes, eine Wiederkehr von Nazi-Tyrannei und Menschheitsverbrechen an den Juden in Deutschland zu verhüten. Das "Nie Wieder!" jedoch müsse mit Leben gefüllt werden, mahnte die Bundestagspräsidentin. “Nur Mitmenschlichkeit und Solidarität können Garanten dafür sein, dass sich ein solches Verbrechen nicht wiederholt.”

Die Ausstellung ist noch bis zum 21. Februar im Paul-Löbe-Haus, Konrad-Adenauer-Str. 1, 10557 Berlin, zu sehen und kann montags bis freitags von 9.00 bis 17.00 Uhr besucht werden. Notwendig ist eine Anmeldung zwei Werktage vor dem gewünschten Termin.

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