
Die ersten Stunden des neuen Bundestags : Wie bei einer Einschulung - nur für Große
Im und um den Bundestag herrscht Hektik und Vorfreude auf die erste Sitzung. Ein Einblick in einen Tag im politischen Berlin zwischen Ritual und Neustart.
Ein Hauch von Frühling liegt an diesem Dienstagvormittag in der Luft. An dem Tag, an dem sich der 21. Bundestag konstituiert. Dass an einem solchen Tag alles ein bisschen anders ist als sonst, zeigt sich schon vor dem Jakob-Kaiser Haus. Die Wilhelmstraße ist ab der Dorotheenstraße für Fahrzeuge gesperrt. Warum? "Na wegen der Konstituierung", erläutert ein leicht genervter Polizist, der ordentlich zu tun hat, die nicht immer einsichtigen Autofahrer umzudirigieren.
Hektische Betriebsamkeit im Parlamentsviertel
Schon von der Marschallbrücke aus sind dann größere Menschengruppen auf dem Platz zwischen Jakob-Kaiser-Haus und Paul-Löbe-Haus zu erkennen. Eine dieser Gruppen stellt sich beim Näherkommen als die SPD-Fraktion heraus, die an der Treppe zum Spreeufer für ein Gruppenfoto Aufstellung genommen hat. Einen Anspruch auf Vollständigkeit hat das bei bestem Wetter und mit dem Reichstagsgebäude als Hintergrund aufgenommene Foto aber nicht. Immer noch kommen vereinzelt Abgeordnete angehetzt. Die letzten zu dem Zeitpunkt, als die Fotografen ihr Equipment schon wieder zusammenpacken. "Wie jetzt? 9.50 Uhr war doch gesagt", zeigt sich die eine und der andere überrascht. Die Uhr zeigt genau 9.50 Uhr, aber der Tross setzt sich dennoch wieder in Bewegung. Es geht in Richtung Reichstagsgebäude - genauer gesagt zum Fraktionssaal der SPD.
Auf der Fraktionsebene herrscht da schon hektische Betriebsamkeit. Zahlreiche Medienvertreter haben sich vor den Sälen der (vermutlich) die Regierung tragenden Fraktionen von CDU/CSU und SPD aufgebaut. Beide Fraktionen haben vor der Konstituierung zu einer Sitzung geladen. Nein, ein Zählappell oder eine Einnordung, wie sonst bei wichtigen Abstimmungen üblich, sei das nicht, wird den Journalisten versichert. Eher ein Kennenlernen in großer Runde.
Sitzungssaal der FDP bleibt nach der Wahlschlappe künftig verwaist
Gezählt wurde aber offenbar trotzdem. Bei uns sind alle da, heißt es von der Union. Auf der anderen Seite der Fraktionsebene im Reichstagsgebäude herrscht Ruhe. Zum einen, weil AfD, Grüne und Linke auf eine morgendliche Fraktionssitzung verzichtet haben, zum anderen weil der Sitzungssaal der FDP nach deren Wahlschlappe künftig verwaist bleibt.
In den diversen Cafeterien der Bundestagsliegenschaften herrscht derweil noch die Ruhe vor dem großen Sturm. Schlecht sieht es mit der Verpflegungslage aber nicht aus. An belegten Brötchen und leckere Schnittchen herrscht kein Mangel. An Nachfrage sicherlich auch nicht. Schließlich kann sich die Konstituierung bis in den Abend hinziehen.
Plenarsaal und die Tribünen füllen sich, die Regierungsbank bleibt leer
Im Pressebereich vor dem Plenarsaal wird derweil ständig jemand interviewt. Gerade erläutert Dietmar Bartsch (Die Linke), warum seine Fraktion den AfD-Kandidaten für das Bundestagsvizepräsidentenamt nicht mitwählen wird.
So langsam enden auch die Fraktionssitzungen. Es geht auf 10.40 Uhr zu. Die Unionsabgeordneten haben einen Vorsprung beim Kampf um einen Platz im Fahrstuhl, weil die Sozialdemokraten etwas länger tagen.

Neue Sitzordnung im Bundestagsplenum: Die 630 Abgeordneten kamen 30 Tage nach der Bundestagswahl zu ihrer ersten Sitzung zusammen.
Unten füllen sich der Plenarsaal und die Tribünen. Viele ehemalige Abgeordnete haben dort Platz genommen - ebenso wie internationale Gäste. Der Blick von der Pressetribüne in den Saal zeigt ein verändertes Bild. Vom Podium aus gesehen rechts sitzt nach wie vor die AfD, die personell stark angewachsen ist, was sich auch darin dokumentiert, dass sie in der ersten Reihe vier Plätze hat. Fünf Plätze hat die daneben platzierte größte Fraktion des Bundestages - die Unionsfraktion. Anstelle der FDP sitzen nun die Grünen in der Mitte, die es auf zwei Plätze in der ersten Reihe bringen. Daneben folgt die SPD-Fraktion mit drei Frontplätzen und die Linksfraktion, die dort nur einen Sessel hat.
Leergeblieben ist die Regierungsbank. Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz sitzt in der ersten Reihe der SPD-Fraktion.
Händeschütteln, Umarmungen und Fotos bis zum Gong
Die Stimmung im sich stetig füllenden Saal ist freudig erregt. Wie bei einer Einschulung - aber für Große. Es werden Hände geschüttelt, es gibt herzliche Umarmungen - und viele Fotos. Inzwischen ist auch Julia Klöckner (CDU) eingetroffen, die Bundestagspräsidentin in spe. Gemeinsam mit Dorothee Bär und Andrea Lindholz (beide CSU) posiert sie für die Handykamera eines Fraktionskollegen.

Aufstellen zum Foto auch bei der Linksfraktion: Social Media-Star Heidi Reichinnek dirigiert die Abgeordneten.
Punkt 11 Uhr leitet ein Gong die Ankunft des Sitzungsleiters ein. Der dienstälteste Bundestagsabgeordnete, der 77-jährige Linkenpolitiker Gregor Gysi, betritt den Saal und eröffnet als Alterspräsident die konstituierende Sitzung.
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