Parlamentarisches Profil : Der Bodenständige: Marc Henrichmann
Der CDU-Abgeordnete aus dem Münsterland hält eine europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage für schneller möglich als viele denken.
Liegt tatsächlich alles Glück dieser Erde auf dem Rücken der Pferde, dann muss Marc Henrichmann ziemlich frohgemut aufgewachsen sein. "Wir hatten immer zwei Pferde", sagt er am Telefon, der Vater habe ein Händchen für Talente bei den Tieren gehabt. Wie man sich also das Leben im Münsterland so vorstellt, "westfälisch geerdet", wie Henrichmann, 48, auf seiner Website über sich schreibt. Doch der Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Coesfeld - Steinfurt II verlässt das Idyll für die Sitzungswochen in Berlin, "die Aufgabe ist eben unfassbar spannend", sagt er. “Es ist nie gleich. In Berlin ist man ein sogenannter 'Fachidiot' und arbeitet tief in Fachthemen. Und im Wahlkreis ist man dann Generalist.”
Marc Henrichmann (48) sitzt seit 2017 im Bundestag. Der Rechtsanwalt ist Mitglied im Innenausschuss und im Parlamentarischen Kontrollgremium.
Henrichmann will Wiederbelebung des Dublin-Abkommens
Als Innenpolitiker hat Henrichmann dieser Tage viel mit Migration, Asyl und dem "Sicherheitspaket" der Ampel-Koalition zu tun. "Die Sogwirkung nach Deutschland lässt sich so nicht abstellen", bescheidet er knapp und fordert stattdessen eine Wiederbelebung des Dublin-Abkommens, das ursprünglich festlegte, dass Menschen beim Stellen eines Asylantrags in einem EU-Vertragsstaat während der Prüfung dort auch bleiben sollen. "Es geht um den Verteilmechanismus", sagt er.
Das Thema brauche eine europäische Lösung, die vielleicht schneller möglich sei, als man derzeit denke. "Klar ist", umreißt er seine Position, "dass man als Geflüchteter in Europa Hilfe findet, aber nicht unbedingt in Deutschland". Die Zahlen würden sich allein reduzieren, wenn Flüchtende nicht klar sei, in welches EU-Land sie kommen würden. "Der Zuweisungsprozess ist der Schlüssel." Wie sollten davon andere Mitgliedsländer überzeugt werden, damit sie mehr Flüchtende aufnehmen? "Der Druck ist hoch genug für eine Agenda."
Die Asylquote ist für ihn nicht der Grund für Europas Überforderung
Henrichmann sitzt seit 2017 im Bundestag, hat zweimal seinen Wahlkreis gewonnen. Aus der Region vernehme er, dass bei vielen Bürgern das Gefühl vorherrsche, Staat und Verwaltung hätten die Steuerung der Migration nicht im Griff. "Es geht ihnen nicht um Abschottung, sondern um Leistungsfähigkeit." Dabei sieht er nicht in der Asylquote den Grund für eine Überforderung Europas - "der Status quo ist ok". Gleichwohl habe er seinen Meinungsbildungsprozess zu einer Änderung des Asylrechts noch nicht beendet.
Im Bundestag ist Henrichmann Mitglied im Innenausschuss. In die Politik selbst kam er nach eigenen Worten "spät und zufällig". Was war passiert? Mit Anfang 30 war er kommunalpolitisch angesprochen worden, ob er als Bürgermeister in seiner Gemeinde kandidieren wolle. Er war wohl durch seine nicht wenigen Ehrenämter aufgefallen, der Rechtsanwalt arbeitete zudem vor Ort zu Familienrecht, Vertrags- und Verkehrsrecht - und dann war das Händchen für Pferde, das er in der Familie mitgekriegt hatte: Früher im Pferdesport im Springreiten und in der Ausbildung junger Pferde aktiv, hatte er sich sein Studium durch Pferde in seinem Beritt finanziert.
"Politisches Interesse war aber immer da", erinnert er sich, verweist auf das Schauen der Fernsehnachrichten in der Kindheit und der TV-Rededuelle im Bundestag in der Studentenzeit. Die Eltern, die Mutter Grundschullehrerin, der Vater Verwaltungsbeamter in einer Justizvollzugsanstalt, seien zwar CDU-Mitglieder gewesen, "aber nicht aktiv. Mir wurde da viel Freiheit zum Finden meines Wegs eingeräumt".
Pendelei zwischen Westfalen und Berlin
Nachdem es mit dem Bürgermeisterjob nicht geklappt, er aber Lust am politischen Engagement verspürt hatte, wurde er an die Spitze des Parteigemeindeverbands gewählt. "Dann wurde ich gefragt, ob ich auch den Kreisverband übernehmen könne." Als ihn dann der scheidende Bundestagsabgeordnete seines Wahlkreises ansprach, ob er sich auch dies vorstellen könne, griff Henrichmann zu. Und pendelt seitdem zwischen Westfalen und Berlin. "Es ist ein schöner Zweitklang." Allerdings würde er nie ein Wochenende in Berlin verbringen, "und wäre jede Woche eine Sitzungswoche, könnte ich mir dieses Mandat kaum vorstellen". Das Reiten hat er längst reduziert: "Nach der Geburt unserer Tochter wurde ich zu ihrem Bodenpersonal", scherzt er.
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