Parlamentarisches Profil : Der Unaufgeregte: Marcus Faber
Marcus Faber ist neuer Vorsitzender des Verteidigungsausschusses. Der Liberale aus der Altmark setzt andere Akzente als seine Vorgängerin.
Für einen Amtsinhaber in schwierigen Zeiten antwortet er meist schnell. Marcus Faber, laut eigener Website "40 Jahre jung", bevorzugt klare und kurze Sätze. Lange Monologe sind seine Sache nicht. Dennoch sieht sich der Altmärker in der Rolle des Erklärers. "Die Zeitenwende ist zu erklären", sagt er, "das ist eine Leerstelle, die es zu füllen gilt".
Marcus Faber ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages. Er ist seit Juni 2024 Vorsitzender des Verteidigungsausschusses.
Zeitenwende? Da war doch was: Die verkündete Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit Blick auf den außen- und sicherheitspolitischen Kurswechsel der Bundesregierung im Schatten des russischen Angriffs auf die Ukraine. Faber fällt eine nicht unwichtige Rolle dabei zu, er ist seit knapp einem Monat Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Bundestag. Zwischen ihm und seiner Vorgängerin Agnes-Marie Strack-Zimmermann, die als Spitzenkandidatin der FDP bei der Europawahl nun nach Straßburg und Brüssel gewechselt ist, passt inhaltlich kein Blatt. "'As fast as possible' ist mir lieber als 'As long as it takes'", sagt er - lieber so schnell wie möglich sei die Hilfe für die angegriffene Ukraine zu mobilisieren.
Die Ukraine hatte keine Verbündete
Dass es zum Überfall auf das Land gekommen ist, erklärt Faber mit einem Vergleich. "Die baltischen Staaten sind viel kleiner, aber sie haben eben Verbündete - und die Ukraine hatte sie nicht." Die Verbündeten, das ist die Nato, die in diesen Tagen 75 Jahre alt wird. "Es ist immer hilfreich, mit den Menschen im Baltikum zu sprechen", sagt der Liberale, "deren Perspektive auf Russland ist wesentlich realistischer und pragmatischer". Seit er Parlamentarier ist, reiste er fünfmal in die Ukraine und dreimal ins Baltikum.
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Mit dem Erklären der Zeitenwende kennt sich Faber aus. Er stammt aus Sachsen-Anhalt, in der Bevölkerung ist die Sympathie für die Nato weniger ausgeprägt als in westlichen Landesteilen. Woran liegt das? "Die Nato ist halt noch nicht so lange da", erläutert Faber knapp. Er selbst wuchs 500 Meter von einer Kaserne der Sowjettruppen auf. Was er also macht: viel reden. "Es geht oft darum, Vorbehalte zu adressieren, Ängste abzubauen." Je länger man rede, desto größer sei das Verständnis für seine Position.
Faber will im Verteidigungsausschuss "integrierender wirken"
Und es ist ja nicht so, dass die Altmärker ihn nicht kennen würden. Nach dem Abitur in Stendal leistete er seinen Grundwehrdienst ab, war vorher mit 17 der FDP beigetreten. Zuhause und unter Freunden war Politik kein Thema, aber der Sohn einer Kassiererin bei einem Möbelhaus und eines Taxifahrers merkte schnell, "dass vieles in meinem Lebensumfeld von Politik determiniert war". Warum musste man so früh zur Schule? Warum lernte man mit einem veralteten Geschichtsbuch? Kann man das nicht besser machen? Diese Fragen brachten ihn zur Politik. Faber studierte Politikwissenschaft in Potsdam und an der Western Sydney, forschte in seiner Promotion zu direkter Demokratie. Wäre mehr davon ratsam in Deutschland? "Das hängt vom Diskussionsprozess ab", skizziert er. "Wenn eine Grundinformiertheit erreicht wird, kann das gut werden."
Ein bisschen hat er sich das auch für den Verteidigungsausschuss vorgenommen. Er strebe eine konstruktive Kooperation unter den 38 Mitgliedern an. "Ich will integrierender wirken." Das klingt schon ein wenig anders als bei Strack-Zimmermann.
Faber plant jedenfalls, die Berichterstattergespräche zur Aufstellung der Bundeswehr regelmäßig stattfinden zu lassen. Fragen an die Bundesregierung sollen nach Fraktionen gebündelt werden, damit alles übersichtlich werde, so Faber. Als er sein neues Amt antrat, traf er sich bilateral mit den verschiedenen Obleuten, um sich "Ideen abzuholen"; politische Arbeit kennt er von der Basis her: 2007 übernahm er den FDP-Kreisverbandsvorsitz, seit 2010 gehört er dem Stadtrat von Stendal an. 2017 dann der Einzug in den Bundestag. Das Interieur seines Büros spiegelt klare Kante - ein Bild mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Handschellen überm Sofa, ein ukrainischer Morgenstern auf dem Tisch und drei große Fotos an der Wand gegenüber, allesamt Momentaufnahmen der innerdeutschen Grenze in Berlin. "Ich bin in einer Diktatur geboren", sagt er, "ich möchte nicht in einer sterben".