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Mario Brandenburg : "Für etwas, das nie mein Plan war, ist das eine lange Zeit"

Nach zwei Wahlperioden verlässt Mario Brandenburg den Bundestag. Der Liberale aus der Pfalz erzählt, warum er Amtszeitbegrenzungen gut findet und was er nun vorhat.

07.01.2025
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4 Min

Ein märchenhafter Anfang bei einem Porträt über Mario Brandenburg wäre, dass er seinen Rückzug aus dem Bundestag beschloss, als sein Rebknorzen im Berliner Büro vertrocknete. Ist natürlich nicht so. Die Weinpflanze in einem offenen Weinfass verdorrte zwar tatsächlich, "zu viel Schatten", sagt Brandenburg und schaut aus dem Fenster im ersten Stock auf die Wilhelmstraße. Aber seine Entscheidung, nicht noch einmal für eine Legislatur zu kandidieren, hatte er bereits im Mai 2024 kundgetan, also lange vor dem Bruch der Regierungskoalition.

Der Pfälzer ist kein großer Fan von Berlin

Seine Erklärung dazu sagt einiges über die Person. "Ich bin seit 2017 Bundestagsabgeordneter, das wird ein Viertel meines bisherigen Lebens gewesen sein", sagt er. "Für etwas, das nie mein Plan war, ist das eine lange Zeit, und eine Verlängerung wäre wie eine Verschiebung." Dann sind da noch Frau und zwei Töchter, "Berlin ist nicht gerade ums Eck". Brandenburg, 41, ist Abgeordneter der FDP aus Rheinland-Pfalz. Der Rebknorzen, ein als Weinlager umgestalteter Baumstamm und ein Umzugskarton mit Weinflaschen zeugen von seinen Versuchen, ein Stück Pfalz an der Spree zu wahren. “Ich mag Berlin nicht wirklich, bevorzuge das Leben im ländlichen Raum. Es ist weniger hektisch.”

Foto: Mario Brandenburg

Mario Brandenburg tritt nicht wieder für den Bundestag an. In der Nach-Mandatszeit will er sich eventuell dem Wein-Studium widmen.

Wer indes Brandenburg zuschaut, sieht nicht gerade einen bewegungslosen Stein. Er schlägt das rechte Bein auf dem Sofa unter den linken Oberschenkel, lächelt viel und redet zügig. Vieles hat an ihm einen Zug. "Ich komme aus der Softwarebranche und gelangte eher zufällig in den Bundestag." Wirtschaftsinformatik hatte er studiert, dann bei SAP den Dreischritt aus Softwareentwicklung, Beratung und internationalem Vertrieb absolviert. 

Wenn er heute Schülern etwas über Informatik erzähle, komme er sich vor wie "Opa, der vom Krieg berichtet, in diesen zehn Jahren ist so viel geschehen". Ein Berufswechsel stehe jetzt an. "Neu ist besser als alt, und ja ist besser als nein." Das klingt schon ziemlich nach FDP. Jedenfalls fragte er sich: "Bin ich noch hungrig, kann ich noch was lernen, ist es fair zur Familie?" In der Abwägung kam heraus, dass Brandenburg im kommenden Jahr nach etwas Neuem suchen wird. "Das ist gewachsen", sagt er, "ich wollte selbstbestimmt entscheiden, früh und fair".

Was nach dem Mandat kommt, weiß Brandenburg noch nicht

Was wird dann kommen? "Das steht nicht fest. Erst führe ich mein Mandat ordentlich zu Ende, dann kümmere ich mich um meine Mitarbeiter, und schließlich steht dann vielleicht Familienurlaub an." Eine Gründung schwebe ihm vor, oder eine Rückkehr zu SAP. Oder: "Auch ein "'MBA in Wine, Sustainability & Sales' am Weincampus Neustadt würde mich reizen." Oder, oder: "Europapolitik könnte ich mir auch vorstellen. Denn alles mit Bezug zu Innovation und Technologie ist europäisch." Den Bundestag habe er schon als recht deutsch empfunden. "Bei SAP hatte ich ein internationales Leben, war viel unterwegs." Man neige ihm hierzulande, sagt er, zu sehr zu Ängstlichkeit. "Beharren ist aber für mich eher ein Fremdwort. Nach vier bis fünf Jahren in einer Tätigkeit halte ich es kaum aus."

Hat man ihm früher in seiner Kindheit gesagt, der Junge müsse mal an die frische Luft? "Oh ja, sehr oft. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich eine leichte Form der ADHS habe, aber ich brauche die Diagnose nicht. Ich mag Schlaf nicht sehr, man sieht wach eben mehr." Er empfinde dies auch nicht als Leiden, "es ist eben so". Die Mehrheit der Gesellschaft könne da offener sein. "Dieses liberale Denken, das ich mir wünsche, führte mich mitunter zur FDP." Seine Rechnung klingt nüchtern: Die CDU sei ihm zu christlich, die SPD glaube zu sehr ans Kollektiv, die Grünen zeigten sich zu emotional und bevormundend "und die Ränder links und rechts sind für mich Schwachsinn".


„Die Ampel ist nicht das Problem - da sind Personen aneinander gescheitert.“
Marion Brandenburg (FDP)

Als Pfälzer hat ihn das Aus der Ampelkoalition getroffen, schließlich regiert dort solch ein Bündnis seit Jahren. Das merkt man, obwohl er mäandernd darüber spricht. "Die Ampel ist nicht das Problem", sagt er, "da sind Personen aneinander gescheitert". Im Umsetzungsgrad könne sich diese Regierung sehen lassen. "Aber die Art war keine gute Werbung, und das zahlt genauso auf die Demokratie ein." Jedenfalls sei eine Ampel auf Bundesebene nicht unmöglich geworden, "es hat nur jetzt nicht mehr funktioniert". Am Ende sei alles miteinander verknotet und blockiert worden. "Fußballmannschaften setzen auch immer auf neue Spieler, da ist in der Zukunft an Bündnissen nichts ausgeschlossen."

Der Liberale ist offen für eine Amtszeitbegrenzung

Und, hat er im Schatten der derzeitigen Regierungskrise und der schlechten Umfragewerte seine Entscheidung noch einmal überdacht - läuft er ein Stück weit davon? "Das Gegenteil ist der Fall", entgegnet Brandenburg. "Genau solch ein Denken ist ein Problem in unserem Land. Wenn sich Einzelne zu wichtig nehmen und sagen, ohne sie würde es nicht laufen, führt das in der Regel zu schlechten Ergebnissen." Er werde nun seinen Nachfolger als Kandidat im Wahlkreis unterstützen, "der hat ein anderes Feuer, andere Ziele und ein anderes Verständnis - und das ist gut so". Eine Amtszeitbegrenzung, das sei für ihn ein Mittel "gegen die Verstopfung des Systems".

Im Gemeinderat wird er nun weitermachen, da wird er dann Parkbuchten und keine Forschungsprogramme verhandeln. Im Juni 2022 wurde Brandenburg Nachfolger des zurückgetretenen Parlamentarischen Staatssekretärs Thomas Sattelberger im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Digitale Agenda, Ausgründungen und die Förderung von Computerspielen bestimmten seine Agenda als Politiker. Davon erzählt auch das große Gemälde, unter dem er sitzt: ein Kopf, aus dem Gebäude wachsen - durchaus ansehnlich und verwirrend zugleich. "Das war ein Projekt meines Büros", erzählt er, "die Mitarbeiter befahlen einer KI, 'blauer Stuhlgang' zu malen". Mit dieser Wortschöpfung wollten sie die Künstliche Intelligenz veräppeln. "Aber dann hat sie uns überrascht." Das wird ihm gefallen haben.

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