Gebäudeenergiegesetz : Koalition kalt erwischt
Karlsruhe hat die Abstimmung über das Gebäudeenergiegesetz vorerst gestoppt. Wie es nun mit dem bereits geänderten Entwurf weitergeht.
Finanzminister Christian Lindner (FDP), Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Kanzler Olaf Scholz (SPD) wurden vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichts am Mittwochabend überrascht.
Eigentlich sollte das Gebäudeenergiegesetz (GEG) in der vergangenen Woche verabschiedet werden. Nach monatelangem Streit innerhalb der Ampelkoalition, Auseinandersetzungen mit der Opposition und allgemeiner Kritik am als ruckelig wahrgenommenen Verfahren sollte am Freitag ein Haken an den Entwurf gemacht werden. Doch es kam anders.
Das Bundesverfassungsgericht gibt Eilantrag eines Unionsabgeordneten statt
Am späten Mittwochabend, keine 36 Stunden vor der avisierten Beratung im Bundestag, gab das Bundesverfassungsgericht einem Eilantrag des CDU-Abgeordneten Thomas Heilmann statt. Der hatte der Ampel vorgeworfen, sie ruiniere die Wärmewende mit "einem verfassungswidrigen Verfahren", weil er als Abgeordneter wegen verkürzter Beratungen im Parlament keine konzeptionellen Schwächen des Gesetzespakets habe aufzeigen und ändern können.Der Zweite Senat kam dem Ersuchen mit fünf zu zwei Stimmen nach. Dem Antragsteller wäre sonst unwiederbringlich die Möglichkeit genommen worden, bei den Beratungen und der Beschlussfassung über das GEG seine Mitwirkungsrechte in dem verfassungsrechtlich garantierten Umfang wahrzunehmen.
Den Abgeordneten stehe nicht nur das Recht zu, im Deutschen Bundestag abzustimmen, sondern auch das Recht zu beraten. Dies setze eine hinreichende Information über den Beratungsgegenstand voraus. "Die Abgeordneten müssen dabei Informationen nicht nur erlangen, sondern diese auch verarbeiten können", hieß es. Deshalb die Anordnung, die zweite und dritte Lesung zu verschieben und nicht in der laufenden Sitzungswoche durchzuführen.
Über das Gesetz ist damit noch nichts gesagt
Die Einlassungen der Richter beziehen sich auf das Verfahren - nicht auf das Gesetz an sich. Das sieht im Kern vor, dass irreparabel kaputte Gas- und Ölheizungen künftig gegen Heizungen ausgetauscht werden, die auf Dauer zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden können. Mit dem Gesetz soll der Klimaschutz im Gebäudebereich vorangebracht werden, damit Deutschland das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 erreicht. Startschuss sollte zunächst am 1.1.2025 sein. So haben es die Koalitionspartner SPD, Grüne und FDP schon 2021 im Koalitionsvertrag festgehalten. Dennoch wurde das Heizungsgesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) zum Gegenstand eines monatelangen Streits. Wie kam es dazu?
Spätestens mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine war in Deutschland klar geworden, wie abhängig man von russischem Gas ist. Das Land sah sich plötzlich mit einer Energiekrise konfrontiert. Die Regierung beschloss, das Heizungsgesetz um ein Jahr vorzuziehen auf den 1.1. 2024.
Als ein Jahr später, im März diesen Jahres ein Gesetzentwurf öffentlich wurde, in dem es hieß, der Einbau von Heizungsanlagen auf Basis fossiler Energieträger sei ab 2024 nicht mehr gestattet, hagelte es Kritik aus der Opposition. Auch die FDP zeigte sich empört und pochte auf Technologieoffenheit.
Das Heizungsgesetz wurde zum der größten Streitthema der Ampel
In der Folge wurde das Heizungsgesetz zum der größten Streitthema der Ampel. Einigungen wurden vermeldet, Durchbrüche verkündet Nachbesserungen beschlossen. So sollte es Ausnahmen für über 80-Jährige geben und eine dreijährige Übergangsfrist beschlossen werden. Mitte April billigte das Bundeskabinett einen entsprechenden Gesetzentwurf. Doch schon bei Verabschiedung des Entwurfs forderte die FDP Nachbesserungen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) gab zu Protokoll, er hoffe, dass die Fraktionen des Bundestages im parlamentarischen Verfahren den Entwurf intensiv beraten und auch "weitere notwendige Änderungen" vornehmen würden.
Als Grüne und SPD das Heizungsgesetz in den Bundestag einbringen wollten, um es noch vor der Sommerpause zu verabschieden, blockierte die FDP das Vorhaben. Habeck warf den Liberalen daraufhin "Wortbruch" vor.
Kanzler Scholz: "Heute hat es sich, glaube ich, zu Ende geruckelt"
Mitte Juni, nach tagelangen erfolglosen Verhandlungen der Ampel-Fraktionen, schaltetn sich schließlich Kanzler Olaf Scholz (SPD), Habeck und Lindner ein - wie es schien: mit Erfolg. "Heute hat es sich, glaube ich, zu Ende geruckelt", sagt Scholz hinterher. Der Kompromiss bezieht die Länder und Kommunen mit ein, indem er die kommunale Wärmeplanung zur Voraussetzung macht: Erst wenn die vorliegt, sollen die Regelungen des GEG gelten.
Die Einigung mündete in einem zwei DIN-A4-Seiten umfassenden Papier mit dem Titel "Leitplanken zur weiteren Beratung des Gebäudeenergiegesetzes", das teils vage blieb und Fragen offen ließ.
48 Stunden zur Beurteilung von 111 Seiten mit Änderungswünschen
Ende Juni schließlich einigt man sich auf die Details. Eine erste Expertenanhörung findet auf Basis des zu diesem Zeitpunkt schon veralteten ursprünglichen Gesetzentwurfs statt. Eine zweite wird anberaumt. Doch lässt man den Abgeordneten und Sachverständigen nur 48 Stunden Zeit - ein Wochenende - zwischen der Vorlage der 111 Seiten umfassenden Änderungswünsche am Freitag und der Anhörung am Montag. Auch deshalb gab es jetzt das Stoppzeichen vom Verfassungsgericht.
Klar ist aber auch danach vor allem eines: Der Streit geht weiter: Am vergangenen Freitag legte die Unionsfraktion einen Antrag vor (20/7671), der neben dem Wunsch nach besserer Parlamentsbeteiligung einen Neustart beim Heizungsgesetz fordert: Es reiche nicht, nach der Sommerpause im September "in einem neuen Verfahren einfach das gleiche Gesetz durchzudrücken", heißt es darin. Noch vor Beginn der Debatte liegen teils die Nerven blank. Als die Union Habeck in den Bundestag zitieren will, ruft SPD-Politiker Michael Schrodi in Richtung eines CDU-Vertreters, "gemeinsam mit Faschisten einen solchen Popanz" zu machen, sei inakzeptabel. Bundestagspräsidentin Bärbel verhängt daraufhin ein Ordnungsgeld gegen Schrodi.
Eingangs der Debatte zu dem Unions-Antrag sagte Unionsfraktionschef Friedrich Merz, dass die Ampel das Heizungsgesetz im September in unveränderter Form auf die Tagesordnung setzen will, sei "ein weiterer Ausdruck von Respektlosigkeit und Ignoranz dem Deutschen Bundestag gegenüber".
Johannes Fechner (SPD) hielt Merz entgegen, zu einem vertrauensvollen Miteinander gehöre auch, dass die Opposition zu Gesprächen und zu Kompromissen bereit sei.
Afd: Heizungsgesetz ist ein "Verarmungs- und Enteignungsgesetz"
Alice Weidel (AfD) nannte das Heizungsgesetz ein "Verarmungs- und Enteignungsgesetz". Das Bundesverfassungsgericht habe dem Land "die Schande erspart", dass ein Gesetz unter Missachtung der Sorgen der Bürger und der Einwände der Experten auf den Weg gebracht werde.
Till Steffen (Grüne) entgegnete, das Gericht habe "mit keinem Wort" das Gesetz selbst kritisiert. Daher gebe es auch keinen Anlass, es vor der 2. und 3. Lesung im September nochmals zu verändern. Dietmar Bartsch (Linke) nannte die Absicht, den Gesetzentwurf unverändert zu beschließen eine Missachtung des Parlaments: Es könnte doch sein, sagte er, dass aus den Oppositionsparteien in der Zwischenzeit noch gute Ideen kämen.
FDP räumt ein: Ampel hat zur Versunsicherung beigetragen
Konstantin Kuhle (FDP) machte eine Verunsicherung in der Bevölkerung bis in die Mitte der Gesellschaft hinein aus. Feinde der Demokratie machten sich die zunutze. "Das dürfen wir nicht zulassen", sagte Kuhle, räumte aber ein, dass die Ampel ihren Teil zur Verunsicherung beigetragen habe. Deswegen begrüße er, dass das GEG nicht in einer Sondersitzung in den Parlamentsferien, sondern im September auf die Tagesordnung komme: "mit Ruhe und Bedacht".