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Grauwasser als Ressource : Wo Chancen und Grenzen der Abwasser-Nutzung liegen

Gebrauchtes Wasser nochmals zu verwenden, ist nicht immer zu empfehlen. Für viele Zwecke eignet es sich jedoch gut - etwa für die Toilette, zum Putzen oder Gießen.

06.08.2024
True 2024-08-08T13:51:17.7200Z
4 Min

"Würden Sie Abwasser trinken? Was, wenn es Bier wäre?" - so fragte unlängst die "New York Times". In einer Zeit, in der es immer wieder Dürren gebe, wendeten sich Wasserversorger dem Bier zu. Das Ziel: Noch ekelten sich viele, recyceltes Abwasser zu trinken; mit eiskaltem Bier solle das nun überwunden werden.

Man mag das sehen, wie man mag. Eine Sache allein der USA ist das aber nicht. Erst im Mai dieses Jahres hat auch eine Forschungsbrauerei in München ein "Reuse Brew" präsentiert, ein bayerisches Helles aus aufbereitetem städtischem Abwasser. Abwassertechnologen können viel. Was kommt da?

Schrumpfende Wasservorräte in Deutschland

Auf der Erde wird es kaum so weit gehen wie auf der Internationalen Weltraumstation ISS. Die Astronauten recyceln Schweiß, die Atemluft, auch den eigenen Urin, erreichen eine Wasserrückgewinnung von 98 Prozent. Doch rüsten muss sich Deutschland schon.

Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Zur Beregnung von Feldern eignet sich geklärtes Abwasser nur bedingt.

Mit dem Klimawandel schrumpfen Wasservorräte, sei es durch abnehmende Bodenfeuchte, schwindendes Grundwasser, abgeschmolzene Gletscher oder gesunkene Wasserspiegel. Im Jahr 2023 gab es zwar wieder mehr Regen als in den Jahren zuvor. Im Vergleich zum langjährigen Mittel fehlen Deutschland aber noch immer rund zehn Milliarden Tonnen Wasser, was etwa einem Fünftel der Wassermenge im Bodensee entspricht. Das haben Experten des Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam ermittelt.

Rechenzentren sind auf viel Wasser zum Kühlen angewiesen

Zugleich ändert sich die industrielle Landkarte. Zwar schließen Kohlekraftwerke, die viel Wasser brauchen. Doch siedeln sich neue, ebenso durstige Unternehmen an. Rechenzentren zum Beispiel, wie sie jetzt der US-Konzern Microsoft im rheinischen Revier bauen will, sind im Betrieb auf viel Wasser zum Kühlen angewiesen. Und auch die Landwirtschaft will ihre Erdbeeren, ihr Getreide, ihre Äcker in dürren Sommern mit ausreichend Wasser versorgt wissen.

Das Problem ist erkannt. Die EU entwickelt derzeit Richtlinien zur Wiederverwendung von Wasser, genauer: von gereinigtem Abwasser. Wolf Merkel, Vorstand des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW), beschäftigt sich mit der Frage, was funktioniert. Vor allem in der Industrie sieht er "ein großes Potenzial".

Teils rauscht das Wasser, das in Fabriken genutzt wird, genau wie das aus den Duschen, Toiletten, Waschbecken von Privatleuten über den Abfluss in die Kläranlage und von dort als sogenanntes Klarwasser in die Flüsse und das Meer. Fabriken könnten Wasser noch mehr in Kreisläufen führen, sagt Merkel, also Schmutz- oder Prozesswasser vor Ort selbst so reinigen, dass es wieder für ihre Prozesse oder für die Kühlung, für die Reinigung oder für die Toilettenspülung genutzt werden kann.

Experte rät: Trinkwasserreservoir vor aufbereitetem Wasser schützen

Heikler werde es auf dem Feld. In Südeuropa ist es zwar bereits gängige Praxis, Äcker mit geklärtem Abwasser zu beregnen. Keime und andere Belastungen seien aber eine Gefahr, meint Merkel: "Das Wasser muss entweder besonders gut aufbereitet werden oder es darf nicht für alles Obst und Gemüse eingesetzt werden, also nicht für roh verzehrten Salat oder Erdbeeren, eher für Mais oder andere Energiepflanzen."


„Das Wasser muss entweder besonders gut aufbereitet werden oder es darf nicht für alles Obst und Gemüse eingesetzt werden, also nicht für roh verzehrten Salat oder Erdbeeren.“
Wolf Merkel, Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches

Oder für Bäume in Parks und am Straßenrand, für Rasen und andere öffentliche Grünflächen in Städten und Gemeinden. Tankwagen könnten von der örtlichen Kläranlage gereinigtes Abwasser holen und dieses verteilen. Die beste Lösung sei das allerdings nicht, meint Merkel, langfristig helfe nur ein Umbau zur Schwammstadt.

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Zudem zieht er eine grundsätzliche Grenze. Merkel sagt: "Da auch noch so gut gereinigte Abwässer Schadstoffe enthalten können, auch solche, die wir heute möglicherweise noch gar nicht kennen, müssen wir die Trinkwassereinzugsgebiete und alle ihre Schutzzonen von der Beregnung mit aufbereiteten Abwässern ausnehmen." Die Bundesregierung arbeitet derzeit an Vorgaben; noch wird darum gerungen, wo wie sauberes Wasser für die Nahrungsmittelproduktion eingesetzt werden darf.

Aufbereitetes Wasser für die Toilette 

Bleibt die Frage, was in Wohnhäusern denkbar ist. Jede und jeder in Deutschland nutzt im Schnitt am Tag 125 Liter Trinkwasser, braucht davon aber nur fünf Liter zum Trinken und Kochen. Für die Toilette reicht auch Wasser aus der Dusche oder dem Waschbecken, also Grauwasser, das etwa in einer Recyclinganlage im Keller so gereinigt wurde, dass es ohne hygienisches Risiko etwa auch zum Putzen oder Gießen verwendet werden kann.

Der nachträgliche Einbau? Aufwändig. Armaturen und Rohre werden doppelt gebraucht, damit das Grauwasser getrennt wird vom Trinkwasser. Wenn ohnehin eine energetische Sanierung anstehe, biete sich das aber an, sagt der Berliner Umweltingenieur Erwin Nolde. Und beim Neubau mehrgeschossiger Wohnungen hält er das, so sagt er, "für ein Muss".

Wie Wärme aus Duschwasser zurückgewonnen und genutzt werden kann

In Berlin betreibt er eine Firma für innovative Wasserkonzepte. Als dort etwa die Immobilienfirma Berlinovo vor drei Jahren ein Studentenwohnheim mit 450 Appartements baute, installierte er im Keller das Grauwasserrecycling: Sieben Tanks, in denen Wasser aus Duschen und Waschbecken mithilfe von Mikroorganismen biologisch gereinigt, durch Sand gefiltert und mit UV-Strahlung desinfiziert wird. Chemikalien: nicht nötig. Das Wasser fließt über zusätzliche Leitungen wieder in die Toilettenspülungen. Darüber hinaus wird die Wärme aus dem Duschwasser zurückgewonnen und für die Warmwasserbereitung genutzt.

Das klappt alles so gut - 33 Prozent Trinkwasser lassen sich einsparen -, dass die landeseigene Berlinovo ihn dieses Jahr für drei weitere Studentenwohnheime beauftragte. Rechnet sich das? Nolde meint: "Laut der Berlinovo amortisiert sich das in acht bis neun Jahren."

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