Waffenruhe für die Ukraine : Ein Spiel auf Zeit
Russland knüpft die Zustimmung für eine Feuerpause in der Ukraine an Bedingungen. Der US-Präsident sieht vielversprechende Signale, erhofft sich aber mehr.
Sollte es die Absicht von Donald Trumps Mannschaft im Weißen Haus gewesen sein, dass der Ball nun bei den Russen liegt, sieht sie sich diesem Ball nun unversehens wieder im eigenen Feld gegenüber. Der russische Präsident Wladimir Putin, der sein Nachbarland Ukraine seit mehr als drei Jahren mit einem brutalen Angriffskrieg überziehen lässt, antwortete auf den von den USA und der Ukraine vorgetragenen Vorschlag einer 30-tägigen Waffenruhe mit einem verbalen Ping Pong. Ja, aber - so lautete im Wesentlichen die Antwort. "Wir sind einverstanden mit dem Vorschlag, die Kampfhandlungen einzustellen", sagte Putin am Donnerstag und dankte Trump für die Initiative zur Beendigung des Krieges. "Aber wir gehen davon aus, dass dieser Stopp so sein sollte, dass er zu einem langfristigen Frieden führt und die Ursachen für den Konflikt beseitigt."

Besteht auf seinen Forderungen: Russlands Präsident Wladimir Putin Mitte März beim Besuch einer Kommandostelle in der umkämpften russischen Grenzregion Kursk.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bewertete das in einer ersten Reaktion als durchschaubaren Versuch, einer Antwort auszuweichen. Putin traue sich nicht, US-Präsident Donald Trump offen zu sagen, dass er den Krieg fortsetzen wolle, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft.
Russland bleibt bei seinen Maximalpositionen
Der Kremlchef seinerseits machte mit seiner Erklärung deutlich, dass er die russische Zustimmung für eine Waffenruhe an eigene Bedingungen knüpft. Auch rückte er von russischen Maximalpositionen nicht ab. Welche Bedingungen der Kreml für eine Beendigung des Angriffskrieges erfüllt sehen will, hatte Putin zuletzt im Juni 2024 verdeutlicht: Keine Nato-Mitgliedschaft des Nachbarlandes, weitgehende Entmilitarisierung, Anerkennung aller von Russland beanspruchter Gebiete in der Ukraine, auch jener, die Russland gar nicht erobert hat, und schließlich die in Propaganda-Sprache vorgetragene "Entnazifizierung" - womit die Installation einer moskaufreundlichen Regierung in Kiew gemeint sein dürfte.
Die russischen Ansprüche gehen aber weit darüber hinaus. Das zeigen die im Dezember 2021 geforderten russischen "Sicherheitsgarantien" in Richtung USA und Nato, die den Rückbau militärischer Nato-Infrastruktur auf den Stand von 1997, also noch vor den Erweiterungsrunden 1999 und 2004, bedeuten würden und letztlich eine Aufteilung Europas in eine russische und eine US-Einflusszone .
Im Weißen Haus sieht man die Europäer in der Pflicht
Die Ukraine ihrerseits besteht darauf, dass sie für einen langfristigen Frieden weitgehende Sicherheitsgarantien bekommt. Sie stößt damit bei der US-Seite auf Indifferenz. Im Weißen Haus sieht man hier die Europäer in der Pflicht. Die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens treiben derzeit die Diskussion über Pläne für die Entsendung von Friedenstruppen europäischer Länder unter dem Stichwort einer "Koalition der Willigen" voran. Eine Präsenz ausländischer Streitkräfte in der Ukraine weist Moskau seinerseits als "absolut inakzeptabel" zurück. Russland würde darauf mit "allen verfügbaren Mitteln" reagieren, hieß es aus dem Außenministerium.
„Viele Details eines endgültigen Abkommens sind bereits besprochen worden. Jetzt werden wir sehen, ob Russland dabei ist.“
Der Plan einer 30-tägigen Feuerpause zu Lande, in der Luft und auf See im Ukraine-Krieg stammt von der Regierung von US-Präsident Trump. Bei Gesprächen in Saudi-Arabien überzeugten US-Außenminister Marco Rubio und Trumps Sicherheitsberater Mike Waltz die Ukraine von dem Vorschlag. Die Waffenruhe solle gelten, wenn auch Moskau sich daran halte. Die ukrainische Seite hatte zunächst die europäische Idee verfolgt, in einem ersten Schritt gegenseitige Luftangriffe und See-Attacken einzustellen, was leichter überprüfbar wäre. Im Gegenzug für die ukrainische Zustimmung zum US-Plan nahm Washington die unterbrochenen Waffenlieferungen wieder auf. Die Ukraine wird auch wieder mit Daten der US-Aufklärung versorgt.
Trump bezeichnete die Erklärung aus Moskau in einer ersten Reaktion als "vielversprechend", aber "nicht vollständig". Sollte Putin dem Vorschlag nicht zustimmen, wäre das eine Enttäuschung, sagte Trump am Donnerstag in Washington. "Viele Details eines endgültigen Abkommens sind bereits besprochen worden. Jetzt werden wir sehen, ob Russland dabei ist. Falls nicht, wird das ein sehr enttäuschender Moment für die Welt sein", sagte Trump.
Unklarer Ausgang: Hat Trump einen Plan B?
Offen bleibt, was dies für die Ukraine bedeuten würde, denn hier sind die Signale in Washington zweideutig. Es gibt einerseits Ankündigungen in Trumps Lager, die russische Seite notfalls mit Sanktionen an den Verhandlungstisch zu zwingen; anderseits hatte Trump auch Lockerungen der bestehenden Sanktionen in Aussicht gestellt. Klar ist nach Ansicht der meisten Beobachter, dass die Möglichkeiten für Trump, auf die Konfliktparteien Einfluss zu nehmen, äußerst ungleich verteilt sind: Beim Einstellen der US-Hilfen drohte der Ukraine die Niederlage, gegenüber Russland bietet Trump bisher vor allem die Aussicht auf bessere Beziehungen und Abschlüsse von aller Art "Deals". "Hat Trump einen Plan B, der über das Verprügeln der Ukraine zum Zweck einseitiger Zugeständnisse hinausgeht?" fragte etwa das "Wall Street Journal" in einem Kommentar.
Zuletzt standen die Zeichen eher dafür, dass sich die Trump-Mannschaft für ein amerikanisch-russisches Rapprochement erwärmt. Es würde nichts anderes als eine 180-Grad-Wende darstellen: Freundliches Entgegenkommen gegenüber Moskau, maximaler Druck auf die Ukraine. Der USA drohe mit der bisherigen Ukraine-Unterstützung eine "strategische Überdehnung" ihrer Kräfte, sagte Trumps Ukraine-Beauftragter General Keith Kellogg Anfang März in einer Rede vor dem "Council on Foreign Relations" in Washington zur Einordnung. Man müsse "die Beziehungen zu Russland neu ausrichten", um die nationale Sicherheit der USA zu gewährleisten, sagte Kellogg mit Blick auf die geopolitische Rivalität mit China.
EU pocht auf Sicherheitsgarantien für die Ukraine
Die EU-Mitgliedstaaten, mit Ausnahme Ungarns, bekräftigten Anfang März, dass sie die "Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen" weiterhin und uneingeschränkt unterstützen - inklusive Waffenlieferungen. Außerdem forderten sie für eine Beendigung des Krieges unter anderem glaubwürdige Sicherheitsgarantien. Friedensverhandlungen dürften nicht ohne ukrainische und europäische Vertreter stattfinden.
Alle 27 Mitgliedstaaten haben sich zudem grundsätzlich hinter die Initiative der EU-Kommission gestellt, nach der bis zu 150 Milliarden Euro an EU-Krediten für Verteidigungsinvestitionen bereitgestellt und Ausnahmen in den EU-Schuldenregeln für Verteidigung ermöglicht werden sollen. Grundlage war ein Anfang März von der EU-Kommission vorgestellter "Plan mit dem Namen "ReArm Europe". Ziel ist es demnach, insgesamt fast 800 Milliarden Euro zu mobilisieren. Unter anderem soll die Europäische Investitionsbank (EIB) ihre Regeln für die Kreditvergabe so ändern, dass mehr Investitionen in Rüstungsprojekte gefördert werden können.
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