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Ukraine-Hilfen : Europa investiert lieber zu Hause

Der Bundestag gibt neue Ukraine-Hilfen frei, doch die EU-Staaten bleiben vage bei ihren Zusagen. Sie setzen stattdessen auf eigene Aufrüstung.

21.03.2025
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4 Min

Kaum ist die Grundgesetzänderung zur Reform der Schuldenbremse beschlossen, ist auch der Weg für neue Ukraine-Hilfen frei. In seiner letzten Ausschusssitzung vor der Konstituierung des neuen Bundestages bewilligte der Haushaltsausschuss am Freitagnachmittag eine sogenannte überplanmäßige Ausgabe in Höhe von rund 2,5 Milliarden Euro für neue Rüstungsgüter sowie sogenannte Verpflichtungsermächtigungen von etwa 8,3 Milliarden Euro für die Jahre 2026 bis 2029. Mit ihnen sollen langfristige Rüstungsaufträge abgesichert werden.

Vorausgegangen ist ein langer Streit über die Finanzierung der Militärhilfen

Da es sich um Ausgaben handelt, die über die im Bundeshaushalt genehmigten Mittel hinausgehen, musste einem entsprechenden Antrag des Bundesverteidigungsministeriums laut Grundgesetz auch das Finanzministerium zustimmen. Das darf eine Genehmigung nur in "unvorhergesehenen und unabweisbaren" Fällen erteilen. Diese Bedingung sah das Ressort als erfüllt an. In seiner Vorlage an den Haushaltsausschuss schreibt das Finanzministerium laut der Nachrichtenagentur AFP, dass wegen einer "sich kontinuierlich verschlechternden militärischen Lage in der Ukraine die schwerwiegende Gefahr (besteht), dass die Ukraine ohne eine deutlich gesteigerte materielle Unterstützung in ihrem Verteidigungskampf unterliegt".

Foto: picture-alliance/dpa/Kay Nietfeld

60 Gepard-Flugabwehrkanonenpanzer hat die Bundesregierung seit Ausbruch des Krieges an die Ukraine geliefert, damit sie feindliche Drohnen, Flugzeuge und Hubschrauber abwehren kann.

Über die Finanzierung der Militärhilfen hatten sich SPD, Union, Grüne und FDP zuvor lange gestritten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), obwohl Befürworter, wollte dafür keinesfalls andere Ausgaben kürzen, sondern eine Ausnahmeregelung der Schuldenbremse nutzen. Die anderen Parteien wollten die Waffenlieferungen über das Mittel der überplanmäßigen Ausgabe finanzieren. Wegen der Grundgesetzänderung zur Schuldenbremse gab Scholz nun seine Blockade auf. Denn jetzt können die Militärhilfen auch über Kredite finanziert werden, ohne dass an anderer Stelle im Haushalt Geld eingespart werden müsste.

Deutschland will noch in diesem Jahr mehr Waffen an die Ukraine liefern

Gespräche über künftige Hilfen für die Ukraine hatte die Bundesregierung bereits in den vergangenen Tagen geführt. Am Montag traf sich der noch amtierende Chef des Bundeskanzleramts, Wolfgang Schmidt, in Kiew mit dem Leiter der ukrainischen Präsidialverwaltung, Andrij Jermak. Dem ukrainischen Online-Medium Kyiv Independent zufolge soll die Ukraine jüngst auch wieder Waffen von der Bundesregierung erhalten haben, darunter drei Gepard-Flugabwehrsysteme mit 10.000 Schuss Munition und 24 Minenschutzfahrzeuge. Im Zuge des neuen Milliardenpakets soll es noch in diesem Jahr weitere Lieferungen geben. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums nannte das Luftverteidigungssystem Iris-T, Lenkflugkörper, Überwachungsradare, Drohnen, Gefechtsfahrzeuge und Handwaffen.

Insgesamt hat Deutschland der Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar 2022 Militärhilfen in Höhe von etwa 28 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.

Deutsche Militärhilfen für die Ukraine

⚔️ Deutschland unterstützt die Ukraine seit Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar 2022 mit Ausrüstungs- und Waffenlieferungen - aus Beständen der Bundeswehr und durch Lieferungen der Industrie, die aus Mitteln der Ertüchtigungshilfe der Bundesregierung finanziert werden.

💶 Nach Angaben der Bundesregierung (Stand 17. März) hat sie seither insgesamt Militärhilfen in Höhe von etwa 28 Milliarden Euro zur Verfügung beziehungsweise für die kommenden Jahre bereitgestellt.

👥 Außerdem sind in Deutschland mehr als 10.000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten militärisch ausgebildet worden. Die Kosten für diese Ausbildung belaufen sich bisher auf etwa 282 Millionen Euro.



Die Stärkung der Luftverteidigung ist für die Ukraine gerade von besonderer Bedeutung. Nachdem die USA ihre Waffenlieferungen zwischenzeitlich eingestellt hatten, war die Sorge groß, dass den Truppen die Raketen für die leistungsfähigen "Patriot"-Abwehrsysteme ausgehen; sie werden bislang nur von den USA produziert.

Der temporäre Rückzug der Amerikaner hatte schmerzhafte Konsequenzen für die ukrainische Armee. Laut einem Bericht des US-amerikanischen "Time Magazine" erlitt sie in dieser Zeit herbe Gebietsverluste, Hunderte Soldaten wurden getötet oder gefangengenommen.

US-Präsident Trump will neue Systeme zur Flugabwehr schicken

Umso erleichterter dürfte die Führung in Kiew gewesen sein, als Trump erneut eine seiner überraschenden Kehrtwenden vollzog und der Ukraine am Mittwoch neue Flugabwehrsysteme in Aussicht stellte. In einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj habe Trump diesen im Gegenzug auch nicht zu weiteren Zugeständnissen gegenüber Russland gedrängt. "Heute habe ich keinen Druck verspürt", sagte Selenskyj hinterher in einer Online-Pressekonferenz.

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Trump hat sich damit gegen eine zentrale Forderung des russischen Staatschefs Wladimir Putin gestellt. Der hatte nach eigener Aussage in dem rund zweistündigen Telefonat, das die beiden Staatsmänner am Dienstag miteinander führten, gefordert, dass der Westen keine weiteren Waffen und Geheimdienstinformationen an die Ukraine liefern dürfe, wenn es einen dauerhaften Frieden geben solle. Trump hingegen sagte hinterher, man habe gar nicht über die Hilfen gesprochen.

Teil-Waffenruhe zwischen Russland und Ukraine erweist sich als brüchig

Insgesamt hat das von Trump wie gewohnt vollmundig angekündigte Telefonat die Ukraine einer 30-tägigen und vollständigen Waffenruhe kaum näher gebracht. Schon unmittelbar nach der Vereinbarung, dass beide Seiten für 30 Tage Angriffe auf die Energieanlagen des Gegners stoppen sollen, warfen sich die Ukraine und Russland gegenseitig Attacken auf Infrastruktur-Einrichtungen vor.

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Die Verhandlungen über eine Feuerpause sollen nun, US-Angaben zufolge, Ende der Woche in Saudi-Arabien fortgesetzt werden. Dass es dabei zu einer schnellen Einigung kommen wird, ist mindestens ungewiss. Denn der Kreml hält an seinen strikten Bedingungen fest: Stopp der Mobilisierung der ukrainischen Bevölkerung, Verbot einer späteren Wiederbewaffnung, Ende der Militärhilfen, "effektive Kontrolle" des Waffenstillstands entlang der Kontaktlinie. In der Konsequenz müsste die Ukraine ihre gut ausgebauten Stellungen verlassen und wäre quasi entmilitarisiert - und einer neuerlichen Invasion schutzlos ausgeliefert.

EU kann sich nicht auf konkrete Zusagen zu Ukraine-Hilfe einigen

Bitter für die Ukraine fallen vor diesem Hintergrund die Ergebnisse des jüngsten EU-Gipfels aus. Ein von Selenskyj und der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas gefordertes Militärpaket in Höhe von "mindestens fünf Milliarden Euro" scheiterte am Donnerstag am Widerstand einiger hochverschuldeter EU-Staaten in Südeuropa und des moskautreuen Ungarn. Im Beschluss sagen 26 Staats- und Regierungschefs ohne Ungarn der Ukraine zwar weiter Unterstützung zu, legen sich jedoch nicht auf konkrete Zahlen fest.

Auch eine Aussage darüber, welche Rolle die EU bei den Friedensverhandlungen spielen will, findet sich in dem Dokument nicht. Stattdessen setzt Europa auf die eigene Aufrüstung: Beschlossen wurde ein Investitionsplan von bis zu 800 Milliarden Euro für Verteidigung.