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Foto: picture alliance/AP/Jim Watson
Die Militarisierung der Arktis schreitet immer weiter voran. Jüngst besuchte US-Vizepräsident J.D. Vance die US-Militärbasis Pituffik in Grönland.

Geopolitische Hotspots : Der Kampf um die Pole

Das schwindende Eis in der Arktis und Antarktis weckt den Wunsch nach kommerzieller Nutzung - und schürt Konflikte im Ringen um Einfluss in den Regionen.

11.04.2025
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4 Min

Faszinierende Tierarten wie Eisbären in der Arktis, Pinguine am Südpol, Naturspektakel wie Polarlichter und die Mitternachtssonne, majestätische Gletscher und schimmernde Eisberge - immer schon haben die Polarregionen die Menschen in ihren Bann geschlagen. Nicht wenige haben ihr Leben riskiert, nicht wenige es auch verloren - etwa beim Versuch, als erster den Nord- oder Südpol zu erreichen, oder eine arktische Nordost- oder Nordwestpassage vom Atlantik in den Pazifik zu finden.

Extreme Bedingungen prägen das Leben in Polnähe

Die Lebensbedingungen in Polnähe sind extrem unwirtlich: Der Winter ist von Dunkelheit und Temperaturen bis zu minus 70 Grad Celsius geprägt. Anders als in der unbewohnten Antarktis leben im Nordpolargebiet rund vier Millionen Menschen, die den Extrembedingungen trotzen. Dazu gehören rund 400.000 Indigene, deren Vorfahren schon vor Jahrtausenden nördlich des Polarkreises siedelten. Viele von ihnen versuchen, ihre Traditionen zu bewahren. Jagd, Fischerei und Rentierzucht sind Teil ihrer sozialen und kulturellen Identität und ihres Lebensunterhaltes. Ihre Geschichten und Lebensweisen sind Ausweis der erstaunlichen Anpassungsfähigkeit des Menschen an extreme Bedingungen.


„Das Wissen um die Rolle und Veränderung dieser Regionen ist Überlebenswissen.“
Meeresbiologin Antje Boetius

Doch schwindendes Meereis, tauender Permafrostboden und immer neue Temperaturrekorde machen ihnen das Leben schwer. Nirgendwo sonst erwärmt sich die Erde schneller als hier: So lag die globale Jahres-Durchschnittstemperatur im Jahr 2024 rund 1,5 Grad Celsius über der des vorindustriellen Zeitraums. 

Die Arktis-Region erwärmt sich allerdings viermal schneller als der Rest des Planeten. "Das Wissen um die Rolle und Veränderung dieser Regionen ist Überlebenswissen", sagt Antje Boetius vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. “Denn sie sind ein wichtiger Faktor für die Stabilität von Klima und Meeresspiegel auf der ganzen Welt”. Wo Eis und Kälte schwinden, öffnen sich neue Schifffahrtswege. Bisher unberührte Rohstofflagerstätten wecken Begehrlichkeiten.

Unter dem Eis werden große Mengen an Rohstoffen vermutet

Die "World Ocean Review"-Ausgabe des Jahres 2019  berichtet über Schätzungen, wonach allein 22 Prozent der bislang unentdeckten Erdöl- und Erdgasvorkommen der Welt nördlich des arktischen Polarkreises lagern. Darüber hinaus werden in der Region große Mengen an Kohle, Eisenerz, Seltenen Erden und anderen mineralischen Rohstoffen vermutet. 

Mit fortschreitendem Klimawandel wuchs das internationale Interesse, die Arktis und Antarktis zu erkunden und auf vielfältige Weise kommerziell zu nutzen. Dem setzt der Antarktisvertrag bisher enge Grenzen. Der Vertrag aus dem Jahr 1959 sieht vor, die Antarktis als die einzige Region der Welt zu erhalten, die der friedlichen Kooperation und Forschung gewidmet ist. Der Antarktisvertrag und die dazugehörigen Umweltschutzabkommen beschränken die Nutzung auf die Forschung, eine nachhaltige Fischerei und den Tourismus.

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In der Arktis dagegen liegen die Dinge anders: Hier ist die Verwaltung Sache der einzelnen Anrainerstaaten, die die Leitlinien ihrer Politik seit 1996 im Arktischen Rat abstimmen. Lange regierten auch hier Kooperation und Kompromissbereitschaft, doch angesichts der Entwicklung wurden die Rufe nach einer kommerziellen Nutzung lauter, die Rivalitäten nahmen zu. So wurde die Region in den vergangenen zwei Jahrzehnten ein geopolitisches Spannungsfeld, in dem politische, wirtschaftliche und militärische Interessen der großen Mächte aufeinanderprallen und die Zukunft der Region maßgeblich beeinflussen.

Die Militarisierung der Arktis schreitet voran

Russland baut seit geraumer Zeit seine militärische Präsenz im hohen Norden aus. So hat es unmittelbar an Norwegens Grenze auf der Kola-Halbinsel, seine Nordflotte stationiert, inklusive strategischer Atom-U-Boote. Und erst vor wenigen Tagen kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, mehr Soldaten in die Arktis zu entsenden.

Ein weiterer Faktor in der Region ist China, das eine ambitionierte Politik als selbsternannte "polare Großmacht" betreibt. Präsident Xi Jinping geht es dabei unter anderem darum, Transportwege zu diversifizieren und über eine Ausweichroute zum ägyptischen Suezkanal zu verfügen. Die Sorge ist nicht gering, dass eine Zusammenarbeit Chinas und Russlands in der nördlichen Seeroute darauf hinauslaufen könnte, dass beide Staaten kontrollieren, wer die arktische Route künftig benutzen darf.

US-Präsident Trump will Grönland in die USA eingliedern

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Vor diesem Hintergrund sind die Äußerungen des US-Präsidenten Donald Trump zu sehen, er wolle Grönland kaufen und in die USA eingliedern. Nicht nur der Rohstoffreichtum der Insel ist für die USA von großer strategischer Bedeutung, sondern auch ihre Lage: Die Vereinigten Staaten unterhalten dort einen Luftwaffenstützpunkt mit einem Frühwarnsystem für ballistische Raketenstarts anderer Länder, da der kürzeste Weg von Europa nach Nordamerika über Grönland führt.

Wenn Trump aber suggeriere, die USA hätten ohne Grönland ein Sicherheitsproblem, dann solle das "eine völkerrechtswidrige Annexion legitim erscheinen lassen", sagt der Arktis-Experte Michael Paul von der Stiftung Wissenschaft und Politik, im Interview. Dabei sei das unnötig, denn Grönland habe den USA schon 1951 weitgehende Rechte auf seinem Territorium eingeräumt.