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Gouverneurswahlen : Im November werden 11 Gouverneure neu gewählt

Die USA sind ein föderaler Staat. Die Gouverneure der Bundesstaaten sind mächtig. Denn viele - auch umstrittene - Themen werden in den Einzelstaaten entschieden.

29.10.2024
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4 Min

Die Welt blickt gespannt auf die Präsidentschaftswahl in den USA. Gewinnt mit Kamala Harris erstmals eine Frau oder schafft der Republikaner Donald Trump ein Comeback? Während den beiden Kandidaten die volle Aufmerksamkeit zuteil wird, gerät die parallel stattfindende Wahl der Gouverneure in einigen US-Bundesstaaten in den Hintergrund. Doch was genau ist ein Gouverneur und wie steht es um den Föderalismus in den USA?

Föderale Republik in Form eines Präsidialsystems

Ob Benjamin Franklin (1706-1790) wusste, dass etwas Großes passieren wird, als er am 17. September 1787 den Versammlungsraum der Independence Hall in Philadelphia betrat? Es war ein politisches Experiment, für das Franklin und seine Mitstreiter gekämpft hatten. In unzähligen Debatten versuchten sie die Delegierten des Verfassungskonvents von etwas Neuem zu überzeugen: der Errichtung einer Volksherrschaft. 

Foto: picture-alliance/ZUMAPRESS.com/Jay Mallin

Die Regeln beim großen Thema Waffenkontrolle unterscheiden sich in den USA von Bundesstaat zu Bundestaat.

Nach Jahren des Krieges, in denen sich die 13 nordamerikanischen Kolonien ihre Unabhängigkeit von Großbritannien erkämpften, sollte das Volk selbst bestimmen, von wem es regiert wird. Festgeschrieben wurde dies in der Verfassung, die an jenem 17. September 1787 gezeichnet wurde und knapp zwei Jahre später in Kraft trat.

Die Gouverneure der Einzelstaaten haben viel Handlungsfreiheit

Wenn in den USA gewählt wird, dann geschieht dies noch immer nach den Vorstellungen der Gründungsväter, die eine föderale Republik in Form eines Präsidialsystems schufen. So kommt es, dass am 5. November 2024 nicht nur die Präsidentin oder der Präsident neu gewählt wird, sondern auch 11 von 50 Gouverneuren: In Washington, Montana, North Dakota, Utah, Missouri, Indiana, West Virginia, North Carolina, Delaware, Vermont und New Hampshire. Derzeit stellen die Republikaner acht der zur Wahl stehenden Gouverneure in diesen Staaten, die Demokraten drei.

Christian Lammert im Interview

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"Im Prinzip ist ein Gouverneur ein Präsident im Kleinen", sagt Christian Lammert, Professor für Politikwissenschaften am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin. Er forscht über die politischen Systeme Nordamerikas. "In seinem Einzelstaat verfügt der Gouverneur über sehr viel Macht. Das liegt am dezentralen Politiksystem der USA. In vielen Politikbereichen haben die Gouverneure freie Hand - zum Beispiel beim Haushalt. Hier darf sich die Bundesregierung in Washington nicht einmischen."

Ein Flickenteppich an unterschiedlichen Regelungen

Da jeder Bundestaat von einem Gouverneur geleitet wird, gibt es 50 dieser "kleinen Präsidenten". Das kann zu einem Flickenteppich an Gesetzen führen. Stichwort Waffenbesitz. Zwar ist in allen Bundesstaaten das verdeckte Tragen von Schusswaffen in der Öffentlichkeit grundsätzlich erlaubt, so steht es in der Verfassung, doch wie genau dieses Recht ausgelebt wird, regeln die Einzelstaaten - und zwar in rund 20.000 Waffengesetzen. "Daran zeigt sich die Problematik des US-amerikanischen Föderalismus", sagt Lammert. “Es ist sehr intransparent, man weiß oft nicht, welche Regeln wann wie wo gelten.” 


„Es ist sehr intransparent, man weiß oft nicht, welche Regeln wann wie wo gelten.“
Christian Lammert über den US-amerikanischen Föderalismus

Die Verfassungsväter wollten eine strikte Trennung zwischen Bund und Einzelstaaten erwirken. Während die Einzelstaaten die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse vor Ort regelten, beschränkte sich die Tätigkeit des Bundes hauptsächlich auf Außen- und Verteidigungspolitik.

Machtverschiebung durch Wirtschaftskrise in den 1920er Jahren

Die föderale Ordnung wurde mehr als ein Jahrhundert lang von den Einzelstaaten dominiert. Erst die Weltwirtschaftskrise in den 1920er Jahren führte zu einer Machtverschiebung zugunsten des Bundes und leitete eine neue Phase des Föderalismus ein.

"Mit einer Serie von Reformen, dem New Deal, griff der damalige Präsident Franklin D. Roosevelt stark in die Wirtschafts- und Sozialpolitik ein und führte Maßnahmen ein, die die Wirtschaft beleben sollten", sagt Lammert. Doch die Bemühungen der Zentralisierung hielten nicht dauerhaft. "Unter Ronald Reagan in den 1980er Jahren und spätestens mit Bill Clinton und seinem Versprechen, den Wohlfahrtsstaat zu reformieren, wurden viele der bundesstaatlichen Programme wieder in die Verantwortung der Einzelstaaten überführt." Sozialpolitische Themen, wie beispielsweise die Regelung von Arbeitslosengeld, sind seither Aufgabe der jeweiligen Bundesstaaten.

Hitzige Debatten nach Amokläufen in den USA

Lammert sieht das kritisch. Seiner Meinung nach würde es die Politik stärken, wenn der Staat in bestimmten Bereichen nationale Standards setzen würde - auch mit Blick auf die gesellschaftliche Polarisierung. Denn dass sich der Föderalismus auch auf das politische Klima auswirkt, zeigen etwa die hitzigen Debatten nach jeder Massenschießerei.

Während die "blauen Staaten", also jene, die von der demokratischen Partei geführt werden, schon lange eine nationale Verschärfung des Waffenrechts fordern, verweigern die von den Republikanern geführten "roten Staaten" jegliche Waffenreform. "Natürlich hat das auch mit der Waffenlobby und dem Wunsch der Wiederwahl zu tun. Aber es zeigt auch, wie stark die USA gespalten sind", meint Lammert.

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Ein Zustand, der sich durch eine Wiederwahl Donald Trumps verstärken könnte. In dem Strategieplan "Project 2025", an dem viele Trump-Vertraute mitgearbeitet haben, werden radikale Ideen zu stark umstrittenen Themen wie dem Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen oder der Abschiebung illegaler Einwanderer formuliert. Auch einige Bundesministerien sollen abgeschafft, Staatsangestellte entlassen und die Macht des Präsidenten gestärkt werden. Sollte Trump die Präsidentschaftswahl gewinnen, hätte das womöglich auch größere Auswirkungen auch auf das föderale Gefüge der USA.