Vorschau auf die Sitzungswoche : Was diese Woche im Bundestag wichtig wird
Nato-Gipfel, Parlamentsreform, Agrarpolitik und die Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Das sind einige der wichtigsten Themen, die der Bundestag berät.
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In der letzten Sitzungswoche vor der parlamentarischen Sommerpause stellt sich Bundeskanzler Olaf Scholz im Rahmen der Regierungsbefragung rund eine Stunde lang den Fragen der Abgeordneten. Daran schließt sich eine von der Union beantragte Aktuelle Stunde zu dem Thema „Gewalttäter aus Parallelgesellschaften – Ursachen und Konsequenzen der Tat von Bad Oeynhausen ehrlich benennen“ an.
Sozusagen mit sich selbst befasst sich der Bundestag bei einer weiteren Debatte am Mittwoch. Die Koalition hat einen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages angekündigt. Unter anderem soll das Ordnungsrecht verschärft werden. Die Union will gar Vorschläge für eine „echte Parlamentsreform“ machen.
Vereinbarte Debatte zum Nato-Gipfel in Washington am Donnerstagmorgen
Anlässlich des Nato-Gipfels in Washington vom 9. bis 11. Juli findet am Donnerstagmorgen eine Vereinbarte Debatte statt. Es handelt sich um einen Jubiläumsgipfel: Vor 75 Jahren, am 4. April 1949, wurde die Nato von zwölf Staaten gegründet. Heute hat das Bündnis 32 Mitglieder.
Über die Forderung der Union nach Aufhebung des erst am 1. Januar 2023 in Kraft getretenen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz stimmt der Bundestag auch am Donnerstag ab. Das Justizstandort-Stärkungsgesetz sowie Erleichterungen bei der Installation sogenannter Balkonkraftwerke stehen an dem Tag ebenfalls zur Abstimmung.
Am Donnerstag gibt es eine weitere Aktuelle Stunde: Sie ist von den Koalitionsfraktionen beantragt und thematisiert die „Ergebnisse der deutsch-polnischen Regierungskonsultationen“ in Warschau.
Neu auf die Tagesordnung gesetzt wurde eine knapp 70-minütige Debatte zur Agrarpolitik, die am Freitag stattfindet. Zu Beginn dieses Sitzungstages wird über die Umsetzung der überarbeiteten Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU, die sogenannte RED III-Richtlinie, abgestimmt. Entschieden wird am Freitag auch über eine Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, mit der Schwangere vor Belästigungen durch Abtreibungsgegner an Beratungsstellen und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, geschützt werden sollen. Aufgesetzt ist zudem eine von der Gruppe Die Linke beantragte Aktuelle Stunde zum Thema "Vertrauen in die Bahn stärken – Investitionen statt Kappung von Verbindungen". Die Tagesordnung umfasst derzeit 32 Punkte.
Aktuelle Stunde am Mittwoch zum Umgang mit der Bluttat von Bad Oeynhausen
Der Aufenthalt im Kurpark von Bad Oeynhausen endete für einen 20-Jährigen am vorletzten Wochenende tödlich. Brutal zusammengeschlagen wurde er nach aktuellem Ermittlungsstand von einem 18-jährigen Syrer, den die Polizei wenige Tage als Hauptverdächtigen verhaftet hat, und der in der Vergangenheit bereits durch Gewalt-, Eigentums- und Drogen-Delikte aufgefallen sein soll.
Der Fall, nur wenige Tage nach dem tödlichen Messerangriff durch einen Afghanen auf einen Polizisten in Mannheim, hatte erneut für Schlagzeilen und breites Entsetzen gesorgt.
Die Union holt das Thema in den Bundestag. Bei der Aktuellen Stunde mit dem Titel „Gewalttäter aus Parallelgesellschaften – Ursachen und Konsequenzen der Tat von Bad Oeynhausen ehrlich benennen“ wird sicherlich auch die Reaktion von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) thematisiert, die die Gewalttat Medienberichten zufolge unter anderem auf eine „nicht gelungene soziale Integration“ zurückgeführt haben soll.
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Union fordert sofortiges Aus
Nach nur 18-monatiger Geltungsdauer möchte die Union das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz lieber heute als morgen beerdigen. Das von der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD im Sommer 2021 verabschiedete Gesetz gilt seit dem 1. Januar 2023 für Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Mitarbeitern, seit dem 1. Januar 2024 für Unternehmen ab einer Größe von 1.000 Mitarbeitern und verpflichtet sie, bestimmte Sorgfaltspflichten mit dem Ziel zu beachten, dass menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken vorgebeugt wird.
CDU und CSU finden jedoch, dass die Berichtspflichten die Unternehmen überlasten. Doch damit nicht genug: Die im April 2024 vom EU-Parlament beschlossene Europäische Lieferkettenrichtlinie geht sogar noch über die deutschen Bestimmungen hinaus.
Aus Sicht der Union macht es deshalb keinen Sinn, von den Unternehmen zu erwarten, sich an den nationalen Regelungen festzuhalten und sich gleichzeitig auf die Bestimmungen der Europäischen Lieferkettenrichtlinie vorzubereiten. Die Abgeordneten fordern daher, das Gesetz mit sofortiger Wirkung außer Kraft zu setzen. Unterstützung findet die Union bei der AfD, die sich in ihrem ebenfalls abzustimmenden Antrag zudem gegen die Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie ausspricht.
Regierung will mit „Commercial Courts“ den Justizstandort Deutschland stärken
Englisch ist die Weltsprache. Nicht jedoch an deutschen Gerichten. So wird das aber aus Sicht der Bundesregierung nichts mit der gewünschten Stärkung des Justiz- und Wirtschaftsstandortes Deutschland. Mit der Einführung sogenannter „Commercial Courts“ will die Regierung gegensteuern.
Über den entsprechenden Gesetzentwurf, mit dem den Ländern durch Änderungen unter anderem im Gerichtsverfassungsgesetz sowie in der Zivilprozessordnung ermöglicht werden soll, die Zivilverfahren im Bereich der Wirtschaftszivilsachen für die Gerichtssprache Englisch zu öffnen, wird am Donnerstag abgestimmt. Die Beschlussvorlage des Rechtsauschusses zu dem noch geänderten Entwurf empfiehlt den Abgeordneten die Zustimmung.
Auch die Union sieht Handlungsbedarf. „Durch den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union und dem damit einhergehenden Bedeutungsverlust des Londoner Commercial Courts hat Deutschland die Chance, im internationalen Wettbewerb in Wirtschaftsstreitigkeiten aufzuholen, indem zügig die Einrichtung von Commercial Courts gefördert wird“, heißt es in ihrem ebenfalls auf der Tagesordnung stehenden Antrag.
Nach den Bauernprotesten: Debatte über Landwirtschaftspolitik
Für die einen ist die Ergänzung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) um die soziale Konditionalität ein begrüßenswerter Beitrag zu mehr Arbeitsschutz und gestärkte Arbeitsrechte in der Landwirtschaft. Die anderen stöhnen unter noch mehr Bürokratie. Zukünftig kann dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zufolge die Nichteinhaltung bestimmter arbeitsschutzrechtlicher sowie arbeitsrechtlicher Vorschriften aus den Bereichen Beschäftigung, Gesundheit und Sicherheit sanktioniert werden.
Soll heißen: Die Zahlungen für die Landwirte werden gekürzt. Bei einer Expertenanhörung warnte unter anderem der Deutsche Bauernverband vor „noch mehr Agrar-Bürokratie“ und forderte eine Umsetzung „ohne neue Nachweis- und Dokumentationspflichten für die Landwirte“.
Abgestimmt wird nach der Debatte am Freitag auch über eine von der Koalition geplante steuerliche Tarifermäßigung für Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft, die befristet bis zum Jahr 2028 eingeführt werden soll. Eine solche Regelung galt bereits bis zum Veranlagungszeitraum 2022. Über Anträge der Opposition wird ebenfalls entschieden. Union und AfD fordern jeweils echte Entlastungen für die Landwirtschaft.
Abstimmung über Gesetzentwurf gegen "Gehsteigbelästigungen" am Freitag
Wenn Frauen Rat suchen, wie sie mit einer ungewollten Schwangerschaft umgehen sollen – Abbruch oder nicht? – finden sie diesen Rat in einer Beratungsstelle. Zumindest müssen sie ihn dort suchen, wie es das Gesetz im Schwangerschaftskonfliktfall verlangt. Vor solchen Beratungsstellen werden sie aber immer wieder von Abtreibungsgegner belästigt, beklagen SPD, Grüne und FDP. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hat daher einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, durch den die Frauen selbst, aber auch die Mitarbeiter solcher Einrichtungen geschützt werden sollen.
Dass es eine solche Regelung braucht, bestreiten Union und AfD. Auf Nachfrage sei die Bundesregierung nicht in der Lage gewesen, solche Belästigungsfälle zu quantifizierten, hieß es während der ersten Lesung zu dem Gesetzentwurf.
Bei einer Anhörung des Familienausschusses gab es kein übereinstimmendes Meinungsbild. Teils war von einer Zunahme der Belästigungen vor Beratungsstellen die Rede. Teils kannte man solche Problematiken nicht. Das letzte Wort zu dem Thema haben die Abgeordneten, die am Freitag über den Gesetzentwurf abstimmen.