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Anhörung zum Sicherheitspaket : Regierungskatalog in der Experten-Kritik

Bei einer Sachverständigen-Anhörung des Innenausschusses stoßen die Regierungsvorschläge für ein Sicherheitspaket überwiegend auf Zurückhaltung bis Ablehnung.

27.09.2024
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3 Min

Die von der Regierungskoalition nach den Messerangriffen in Mannheim und Solingen als Teil eines "Sicherheitspakets" vorgelegten Gesetzentwürfe sind von Sachverständigen im Ausschuss für Inneres und Heimat überwiegend zurückhaltend, teils auch ablehnend bewertet worden . Dabei ging es insbesondere um die Koalitionsentwürfe zur “Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems” und “Verbesserung der Terrorismusbekämpfung”. Zu dem Maßnahmenbündel zählt etwa die Befugnis von Sicherheitsbehörden zum biometrischen Abgleich öffentlich zugänglicher Internetdaten. Daneben stand auch der von der CDU/CSU vorgelegte Entwurf eines "Zustrombegrenzungsgesetzes" auf der Tagesordnung.

Sachverständiger befürchtet "Daten-Supergau" 

Louisa Specht-Riemenschneider, Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, monierte, die vorgesehenen Eingriffsnormen zur Gesichtserkennung wiesen zu unscharfe Tatbestandsmerkmale auf und ermöglichten erhebliche Eingriffe in die Rechte Unbeteiligter.

Der Rechtswissenschaftler Dennis-Kenji Kipker sprach von einem "sicherheitsbehördlichen Daten-Supergau". Bei der geplanten Vorfelderfassung persönlicher Daten solle der Ausnahmefall zur Regel gemacht werden. Damit käme man dem "gläsernen Bürger" näher als jemals zuvor. Stephan Schindler von der Universität Kassel verwies darauf, dass die vorgesehenen Vorschriften zum Abgleich mit öffentlich zugänglichen Internetdaten zu erheblichen Grundrechtseingriffen führten, da potenziell alle Internetnutzer betroffen seien. Nötig seien Regelungen, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrten.

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Das Sicherheitspaket der Regierung geht der CDU/CSU-Fraktion nicht weit genug. Sie dringt auf weitere Verschärfungen der deutschen Asylpolitik.

Christoph Sorge, Professor für Rechtsinformatik an der Universität des Saarlandes, sagte, die technische Konzeption zur Verarbeitung personenbezogener Daten falle so unkonkret aus, dass sie kaum im Detail zu überprüfen sei. Dabei seien sehr weitreichende Eingriffe vorgesehen, ohne dass die Bürger wüssten, worauf sie sich einstellen müssten. Für die Gesellschaft für Freiheitsrechte sah Sarah Lincoln übereilte Maßnahmen, die das Land nicht sicherer machten. Die Verschärfungen ließen eine gewissenhafte Abwägung von Grundrechten vermissen und berücksichtigten vielfach nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

BKA-Vize begrüßt biometrischen Internetabgleich

Die Vizepräsidentin des Bundeskriminalamtes (BKA), Martina Link, betonte demgegenüber, die Identifizierung von Attentätern oder Gefährdern, die noch nicht polizeilich in Erscheinung getreten sind, werde durch die Regelungen zum biometrischen Internetabgleich erheblich erleichtert. Die Schaffung einer Rechtsgrundlage für automatisierte Datenanalyse sei für eine zeitgemäße Polizeiarbeit und speziell für das BKA von wesentlicher Bedeutung.

Finn-Christopher Brüning vom Deutschen Städte- und Gemeindebund hält es für fraglich, ob die Inhalte des Sicherheitspakets die objektive Sicherheit in Deutschland effektiv erhöhen. Vielmehr bedürfe es relevanter Reformen bei den Zuständigkeiten und Kompetenzen aller Beteiligten. Insbesondere müssten die Polizei, die Ausländerbehörden sowie die mit den Abschiebungen befassten Stellen der Länder personell besser ausgestattet werden.

Kritik an Waffenrecht-Änderungen 

Für den Deutschen Landkreistag attestierte Klaus Ritgen den Vorlagen, einer besseren Steuerung und Begrenzung irregulärer Migration zu dienen. Die Regelungen könnten aber nur erste Schritte sein.

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Andre Schuster erklärte für den Deutschen Städtetag, insgesamt unterstütze dieser die Maßnahmen zur Verbesserung der inneren Sicherheit. Jedoch müsse die Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit und fairen Verfahren im Umgang mit Asylsuchenden und Schutzberechtigten betont werden.

Jörg-Henning Gerlemann, Abteilungsleiter beim Hamburger Rechnungshof, hob vor allem auf die geplanten neuen Waffenverbotszonen ab. Danach solle es ermöglicht werden, etwa alle Volksfeste oder den gesamten öffentlichen Nahverkehr generell als Verbotsgebiete auszuweisen. Zu befürchten sei, dass schon auf Grund des Umfangs umfassende polizeiliche Kontrollen nicht möglich sind.

Kriminaloberrat Niels Heinrich von der Fachlichen Leitstelle Nationales Waffenregister bemängelte, bezogen auf das Waffenrecht zeuge der Koalitionsvorschlag von Praxisferne und mache den ohnehin schon bestehenden Wust an unnötiger Bürokratie noch größer.