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Foto: picture alliance/dpa
Streichkandidat Paragraf 218: Im Bundestag stößt der Reformvorschlag auf rechtliche und politische Bedenken. Auch der Zeitpunkt des Vorschlags wird kritisiert.

Paragraf 218 Strafgesetzbuch : Mehrheit für Reform gesucht

328 Abgeordnete wollen den Schwangerschaftsabbruch liberalisieren. Doch ihnen fehlt wohl die entscheidende Unterstützung, um noch vor der Wahl abstimmen zu lassen.

06.12.2024
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4 Min

Die Chancen auf eine Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs noch in dieser Wahlperiode sind eher gering. Das wurde im Laufe der Woche und in der ersten Lesung eines entsprechenden Gesetzentwurfes deutlich. Zwar unterstützen laut Aussagen der Initiatorinnen 328 Abgeordnete aus den Reihen von SPD, Grünen und Linken den Entwurf. Doch den Befürworterinnen könnte es nicht nur an der Mehrheit in der Abstimmung, sondern schon an der notwendigen Verfahrensmehrheit mangeln, um in den verbleibenden Sitzungswochen den Entwurf noch durch den federführenden Rechtsausschuss und wieder auf die Tagesordnung des Plenums zu bringen.

Der Gesetzentwurf greift eine langjährige Forderung aus der Frauenbewegung auf. Danach soll der Abbruch der Schwangerschaft innerhalb der ersten zwölf Wochen nach einer Beratung künftig rechtmäßig sein. Bisher ist der Abbruch gemäß Paragraf 218 des Strafgesetzbuches (StGB) grundsätzlich rechtswidrig, wird aber nach Paragraf 218a nicht bestraft, wenn die Frau eine Beratung absolviert und eine bestimmte Wartefrist eingehalten hat.  Laut dem Entwurf sollen die Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches normiert, Paragraf 218 neu gefasst und 218a gestrichen werden. Der Entwurf greift Ergebnisse einer vom Bundesministerium der Justiz eingesetzten Expertenkommission auf, die sich für eine Liberalisierung der Rechtslage ausgesprochen hatte. Nicht rechtswidrig sind bislang Schwangerschaftsabbrüche nach einer Vergewaltigung oder wenn die Gesundheit der Schwangeren bedroht ist.

Ohne Unterstützung aus der FDP wird es eng für die Neuregelung

Politisch sieht die Lage im Bundestag so aus: Union und AfD wollen an der aktuellen Rechtslage nach eigenem Bekunden nicht rütteln. Unterstützung für das Vorhaben kommt wiederum vom BSW mit ihren zehn Abgeordneten, wie Sevim Dagdelen bekundete.

Für die Erfolgsaussichten des Entwurfs wäre allerdings die Unterstützung aus der FDP-Fraktion elementar. Doch danach sieht es aktuell nicht aus. Zwar sprachen sich Anfang der Woche 15 liberale Abgeordnete für eine Regelung außerhalb des Strafrechts aus und zeigten sich offen für einen fraktionsübergreifenden Gruppenantrag - allerdings erst in der nächsten Wahlperiode. In der Debatte am Donnerstag sagte beispielsweise Gyde Jensen, dass sie sich, sollte sie dem nächsten Bundestag angehören, aktiv an einem neuen Gruppenverfahren beteiligen werde. Die Debatte dazu müsse zeitnah, "aber keineswegs in Eile geführt werden".

Wegge: Zahl der Ärztinnen und Ärzte, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, sinkt

Aus Sicht der Befürworterinnen ist die Frage nach Jahrzehnten der gesellschaftlichen und parlamentarischen Debatte entscheidungsreif. Mehrere Rednerinnen verwiesen auf eine repräsentative Umfrage, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Auftrag gegeben hatte. Danach unterstützen rund 75 Prozent der Befragten eine Regelung außerhalb des Strafgesetzbuches, 80 Prozent halten die bisherige Einstufung als rechtswidrig für falsch. "Wo ist eigentlich dieser gesellschaftliche Großkonflikt, den FDP und Union hier die ganze Zeit heraufbeschwören?", fragte die Linken-Abgeordnete Heidi Reichinnek: “Wenn Sie immer noch keine Meinung zu dem Thema haben, dann ist Politik vielleicht nicht das Richtige für Sie.”


Heidi Reichinnek im Porträt mit dunklem Oberteil
Foto: Die Linke/Jannis Hutt
„Wenn Sie immer noch keine Meinung zu dem Thema haben, dann ist Politik vielleicht nicht das Richtige für Sie.“
Heidi Reichinnek (Die Linke)

Neben der gesellschaftlichen Zustimmung führten die Befürworterinnen in der Debatte auch die Notwendigkeit einer Änderung als Argument an. Es gehe nicht nur um eine theoretische Debatte, betonte Carmen Wegge (SPD). Die geltenden Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch führten nicht nur zu einer Stigmatisierung der Frauen, sondern hätten auch "dramatische Auswirkungen auf die Versorgungslage der Frauen". So sinke die Zahl der Ärztinnen und Ärzte, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, sagte Wegge. Der Entwurf sei moderat, ausgewogen, berücksichtige alle Rechte und sollte unter den Abgeordneten mehrheitsfähig sein, meinte die Sozialdemokratin.

Union und AfD wollen bestehende Regelung zum Schwangerschaftsabbruch beibehalten

Union und AfD kann Wegge damit aber nicht gemeint haben, wie die Wortmeldungen aus den Reihen dieser Fraktionen deutlich machten. Elisabeth Winkelmeier-Becker warf den Befürworterinnen vor, im "Schnelldurchgang" einen "Paradigmenwechsel" vollziehen zu wollen. Eine Rechtmäßigkeit des Abbruchs wäre mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unvereinbar, meinte die Christdemokratin. 

Sie kritisierte ferner, dass das "Narrativ der Kriminalisierung" falsch sei. Die geltende Regelung beachte das Lebensrecht des Kindes, garantiere aber "das Selbstbestimmungsrecht und die alleinige Entscheidung der Frau darüber, ob sie ihre Schwangerschaft fortsetzen oder abbrechen will". Die Union stehe hinter dieser Regelung.

Das betonte für ihre Partei auch die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch - und wies damit Berichte zurück, nach denen die Partei eine Verschärfung anstrebe. Sie warf den Befürworterinnen der Neuregelung vor, den "ultimativen Kulturkampf" ausrufen zu wollen.

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Mit Blick auf das anstehende Verfahren forderte die Grünen-Abgeordnete Ulle Schauws, die den Entwurf mit initiiert hat, dass nun alle Rechte für ein Gruppenverfahren gelten müssten - also auch eine Anhörung zum Entwurf. Ein Beschluss darüber hatte der Rechtsausschuss am Mittwoch zunächst mehrheitlich von der Tagesordnung gestrichen. 

Ob es in der nächsten Sitzungswoche anders sein wird, ist ungewiss. Schauws appellierte an das Parlament: "Als frei gewählte Abgeordnete und als Parlament sind wir bis zum Ende der Legislaturperiode arbeits- und beschlussfähig. Ich lade Sie alle ein: Schreiben Sie mit uns Geschichte".