Bundestagswahl 2021 : Der Absturz der Volksparteien
Die Bundestagswahl von 2021 stellt eine Zäsur dar: Union und SPD kommen zusammen auf weniger als 50 Prozent. "Im Land der Scheinriesen?" analysiert die Gründe.
Die Bundestagswahl vom 26. September 2021 brachte eine Reihe handfester Überraschungen. Nicht nur, dass sich die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz doch noch, wenn auch knapp, vor den beiden Unionsparteien CDU und CSU mit ihrem Kanzlerkandidaten Armin Laschet als stärkste Kraft durchsetzen konnte. Vor allem aber kamen die Union (24,1 Prozent) und die Sozialdemokraten (25,7 Prozent) erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik zusammen auf weniger als 50 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen.
Die kleinen Parteien konnten mehr als die Hälfte der Stimmen gewinnen
Im Gegenzug konnten die kleinen Parteien zusammen knapp mehr als die Hälfte der Wähler für sich gewinnen. Auch wenn die Grünen, die sich anschickten, in den Klub der großen Parteien aufzurücken und mit Annalena Baerbock erstmals auch offiziell eine Kanzlerkandidatin aufstellten, dann mit 14,8 Prozent doch deutlich schwächer abschnitten als erhofft.
Eine lesenswerte Analyse der Bundestagswahl 2021, die von vielen Beobachtern als "Zäsur" oder gar "Wendepunkt" angesehen wird, haben die Politikwissenschaftler Ursula Münch, Heinrich Oberreuter und Jörg Siegmund mit dem vielsagenden Titel "Im Land der Scheinriesen?" herausgegeben.
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Ursula Münch, Heinrich Oberreuter, Jörg Siegmund (Hg.):
Im Land der Scheinriesen?
Die Bundestagswahl 2021 in der Analyse.
Campus,
München 2024;
178 S., 40,00 €
Auch wenn die Herausgeber vorsichtshalber ein Fragezeichen in die Überschrift setzten, so bestätigte das Wahlergebnis die seit zwei Jahrzehnten "abschmelzende Bindekraft parteipolitischer Loyalitäten und Institutionen, die steigende, sich beschleunigende Volatilität der Wähler, den Niedergang der “Volksparteien” und die Fragmentierung des Parteiensystems, wie Oberreuter schreibt. Folgt man den aktuellen Umfragen, dann wird sich dieser Trend bei der kommenden Wahl am 23. Februar wohl verstetigen und mit dem Absturz der SPD auf den dritten Platz hinter der AfD sogar noch verschärfen.
Gründe für die Niederlage der Union lagen bei ihr selbst
Die Niederlage der Union bei der Wahl 2021 schreibt der Journalist Roman Deininger in seinem Beitrag vor allem ihr selbst zu. Neben einer fehlenden strategischen Vorbereitung auf den Wahlkampf, schlug die Uneinigkeit in der Union in der Kanzlerkandidatenfrage, das mangelhafte Profil Laschets, sein unglückseliges Lachen im Flutgebiet des Ahrtals und das beständige Störfeuer von CSU-Chef Markus Söder besonders stark zu Buche.
Der Band bietet zudem Analysen zur Wirkungsweise des Wahlsystems, zur politischen Stimmung und zur Bedeutung der Medien im Wahlkampf sowie zur Bildung der Ampel-Koalition.
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