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Atom-Ausschuss : Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg beendet seine Arbeit

Die Union kann keine Hinweise auf eine ergebnisoffene Prüfung eines weiteren Betriebs der letzten Kernkraftwerke erkennen. Die Koalition widerspricht.

31.01.2025
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5 Min

Die Meinungen über Arbeit und Ergebnisse von Untersuchungsausschüssen pflegen in der Regel weit auseinanderzugehen. So auch diesmal beim Untersuchungsausschuss Atom, über dessen bisherige Arbeit der Bundestag am Donnerstag debattierte. "Ich weiß bis heute nicht, was Sie da untersucht haben", so Robin Mesarosch (SPD) an die Adresse der Unionsfraktion, die die Einsetzung des Ausschusses verlangt und durchgesetzt hatte. Jakob Blankenburg (SPD) sagte zur Arbeit des Ausschusses: "Der Erkenntnisgewinn lag nahe null." Das sah die Opposition ganz anders.

"Ergebnisoffene Prüfung" der Verlängerung von AKW-Laufzeiten zugesagt

Der Union war es besonders wichtig, Ankündigungen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu untersuchen. Er hatte mit Blick auf die nach Beginn des Ukraine-Krieges diskutierte mögliche Verlängerung der Laufzeit der Kernkraftwerke am 27. Februar 2022 zugesagt, eine "ergebnisoffene Prüfung" durchzuführen. Am 1. März 2022 hatte Habeck eine Prüfung angekündigt, bei der es "keine Tabus" geben sollte.

Foto: picture alliance / imageBROKER

Seit April 2023 steht der Meiler in Neckarwestheim still, der Rückbau wird noch Jahre dauern.

"Es fand überhaupt keine Prüfung statt", so das Resümee des Ausschussvorsitzenden Stefan Heck (CDU). Es seien keine Hinweise auf die von Habeck zugesagte ergebnisoffene Prüfung über einen Weiterbetrieb der letzten drei deutschen Atomkraftwerke gefunden worden. Unzufrieden zeigte sich Heck auch mit der Bundesregierung, deren Taktik er mit "verzögern, verschleppen, verschleiern" beschrieb.

Machtwort des Bundeskanzlers sorgte für Streckbetrieb bis April 2023

Die Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland hätten laut Atomgesetz zum Jahresende 2022 abgeschaltet werden müssen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte mit einer Richtlinienentscheidung schließlich für einen Streckbetrieb der drei Anlagen bis Mitte April 2023 gesorgt. Danach wurden sie endgültig abgeschaltet und werden seitdem abgebaut.

Besonders drastisch fiel das Fazit von Frank Schäffler (FDP) aus. Er sagte, nach insgesamt 111 Stunden Zeugenvernehmungen und der Sichtung von 351.000 Seiten aus Akten der Regierung sei klar, dass die grünen Minister Steffi Lemke (Umwelt) und Habeck die Öffentlichkeit "hinter die Fichte geführt" und fortwährend Sand ins Getriebe gestreut hätten. "Sie haben dafür gesorgt, dass wir dauerhaft nicht sichere Energieversorgung in Deutschland haben." Die Minister Lemke und Habeck hätten nur daran gedacht, "wie wir über den Winter 2022/23 kommen, aber nicht, wie wir in Deutschland eine sichere Energieversorgung vorhalten".

Scholz und Habeck als Zeugen

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Schäffler erklärte zudem, Kanzler Scholz habe nur so getan, als habe er von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht. In Wirklichkeit sei alles mit den Grünen im Hintergrund "verdealt" worden. Scholz hatte die aufgrund seiner Richtlinienentscheidung durchgesetzte Verlängerung um dreieinhalb Monate bei seiner Vernehmung als "sinnvollste Lösung" bezeichnet.

Schäffler kam auch auf die den deutschen Kernkraftwerken fehlenden "Periodischen Sicherheitsüberprüfungen" (PSÜ) zu sprechen. Diese sich über lange Zeit hinziehenden Prüfungen, die bei laufendem Betrieb der Anlagen stattfinden, waren wegen der anstehenden endgültigen Stilllegungen nicht mehr durchgeführt worden. Das hatten Lemke und Habeck bei ihren Vernehmungen als wichtiges Argument gegen eine Laufzeitverlängerung genannt.

Kernkraftwerk Isar 2 wurde 17.000 Stunden lang geprüft

Von einem Gutachter des TÜV Süd war das Fehlen der PSÜ jedoch als nicht dramatisch bezeichnet worden. "Der TÜV Süd hatte allein das Kernkraftwerk Isar 2 im Jahr 2022 17.000 Stunden lang überprüft. Wir haben die sichersten Kernkraftwerke der Welt", sagte Schäffler, der unter Bezug auf Zeugenaussagen auch erklärte, es habe im Gegensatz zu Angaben aus der Regierung genügend Uran zur Verfügung gestanden. Brennelemente hätten in kürzerer Frist als von der Regierung dargestellt beschafft werden können..


Jakob Blankenburg im Portrait
Foto: spdfraktion.de
„Der Untersuchungsausschuss war ein Wahlkampfmanöver der Union. Es war offensichtlich, dass es in der Sache wenig aufzudecken gab.“
Jakob Blankenburg (SPD)

Andreas Lenz (CSU) begründete mit mehreren Beispielen aus der Ausschussarbeit, warum seiner Ansicht nach von einer ergebnisoffenen Prüfung keine Rede sein konnte. Es habe eine "Täuschungsmaschinerie" im Wirtschaftsministerium bestanden. Er erinnerte, dass Habecks ehemaliger Staatssekretär Patrick Graichen eine Mail mit der Anrede "An die Freunde des geordneten Atomausstiegs" verschickt habe und fragte: "Schaut so eine ergebnisoffene Prüfung aus?". Antwort: "Ich finde nicht." Lenz kam auch darauf zu sprechen, dass Vermerke der Fachebene inhaltlich von der Leitungsebene geändert wurden - "mit dem Ziel, die Möglichkeit des sicheren Weiterbetriebs frühzeitig auszuschließen". So habe ein Kernphysiker einen Vermerk zur Sicherheit geschrieben. "Geändert wurde der Vermerk dann vom Pressesprecher, der die nukleare Sicherheit ausschloss", legte Lenz dar. Der CSU-Politiker warf den Grünen und SPD vor, durch die Stilllegung der Kernkraftwerke der Volkswirtschaft einen Milliardenschaden zugefügt zu haben.

Wie Heck und Schäffler sagte auch Patrick Schnieder (CDU), die zugesagte unvoreingenommene Prüfung habe es nie gegeben. Schnieder richtete schwere Vorwürfe an die Adresse der Bundesregierung, die keine Vollständigkeitserklärungen über die vorgelegten Akten vorgelegt habe. Das habe es vorher noch nie gegeben. Der Ausschuss habe somit seinen Auftrag nicht vollständig erfüllen können. Das sei ein Rechtsbruch. Im Gegensatz zur Praxis bei anderen Untersuchungsausschüssen seien auch keine Kabinettsvermerke vorgelegt worden. Die Bundesregierung habe damit eigenmächtig den Untersuchungsauftrag eingeschränkt.

AfD: "Die Führungsebene bestand aus Gegnern der Kernenergie"

Auch für Andreas Bleck (AfD) war klar: "Die ergebnisoffene Prüfung hat es nicht gegeben." Mehrere Ministeriumsmitarbeiter hätten ausgesagt, dass eine ergebnisoffene Prüfung in der Kürze der Zeit gar nicht möglich gewesen sei. Eine Anweisung gegen eine solche Prüfung hätten Habeck und Lemke gar nicht geben müssen. Denn die Führungsebene der Ministerien für Wirtschaft und Umwelt habe aus Gegnern der Kernenergie bestanden.

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Von Koalitionsseite wurden die Angaben der Oppositionsfraktionen strikt zurückgewiesen Blankenburg sagte, der Untersuchungsausschuss sei nichts anderes als ein Wahlkampfmanöver der Union gewesen. Es sei offensichtlich gewesen, "dass es in der Sache wenig aufzudecken gab". Es habe sich um eine eher peinliche Veranstaltung gehandelt. Blankenburg nannte den schließlich beschlossenen Streckbetrieb der Kernkraftwerke um dreieinhalb Monate richtig. Das Machtwort des Kanzlers sei notwendig gewesen, und damit sei die Energieversorgung über den Winter sichergestellt worden.

Lukas Benner (Grüne) widersprach Schnieders Vorwürfen, die Akten seien nicht vollständig gewesen. "Ein solches Versagen hat es nicht gegeben. Die Bundesregierung hat geliefert." Der Untersuchungsausschuss sei eine "Farce" gewesen. Die Zeugen hätten "keinen einzigen Ihrer Vorwürfe erhärtet", sagte Benner an die Adresse der Union. Die Zeugen hätten vielmehr bestätigt, dass die Bundesregierung Deutschland gut durch den Krisenwinter 2022/23 gebracht hätten.

Wiederinbetriebnahme deutscher AKW ist “technisch ausgeschlossen”

Die Ergebnisse der Ausschussarbeit werden derzeit in einem Abschlussbericht zusammengefasst. Der Bericht soll noch vor der Bundestagswahl am 23. Februar fertiggestellt sein.

Sollte es jemals wieder zu Problemen bei der Energieversorgung in Deutschland kommen, würde die Kernkraft in der dann einsetzenden Diskussion keine Rolle mehr spielen. Die letzten drei Anlagen befinden sich in der Rückbauphase. Eine Wiederinbetriebnahme ist technisch ausgeschlossen. Das "Atomzeitalter" in Deutschland ist aus und vorbei. Zanda Martens (SPD) fasste die Haltung der Koalitionsfraktionen zusammen: "Die hochsubventionierte Kernenergie ist “keine Perspektive für unser Land.”