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Kein Auto ohne Software : Ein Update, bitte!

Nicht nur Computer und Smartphones fordern regelmäßig Updates ein. Fahrzeuge enthalten immer mehr Software und brauchen damit auch immer wieder Aktualisierungen.

18.07.2024
True 2024-07-18T10:53:40.7200Z
4 Min

"Entschuldigung, aber Ihr Gerät wird leider nicht mehr unterstützt." Bisher betraf dieser Satz hauptsächlich Smartphones und Laptops. Aber was ist eigentlich mit Autos? Die werden immer mehr zum Smartphone auf Rädern, sind vollgepackt mit Software und mit zahlreichen Apps von anderen Anbietern verknüpft. Wie lange bekommen Fahrzeuge Updates? Was passiert, wenn es die nicht mehr gibt? Und wie wirkt sich das auf den Gebrauchtwagenmarkt aus?

Foto: picture-alliance/Cover Images/Volkswagen

Digital vernetzt - das gilt auch für den ID 7 von Volkswagen. Von einem "ganzen Bündel technischer Innovationen" in dem Auto spricht der Hersteller.

Einfach sind die Antworten auf diese Fragen nicht. Denn obwohl Touchscreen und Apps heute in Neuwagen bereits selbstverständlich wirken, ist die Entwicklung noch recht neu. Ein Präzedenzfall, indem zum Beispiel aufgrund mangelnder Updates geklagt wurde, fehlt.

Jurist sieht Recht auf Update auch bei Autos - mit Schwächen

Entsprechend sind die Fragen aus juristischer Sicht nicht eindeutig zu beantworten. Europaweit soll bald das Recht auf Reparatur gelten. Den Vorschlag für eine entsprechende EU-Richtlinie hat das Europäische Parlament bereits angenommen, jetzt muss der EU-Rat diese noch billigen, und anschließend müssen die Mitgliedsländer diese in nationales Recht umsetzen. Es ist ein erster Schritt. Die Kommission hat genau festgelegt, welche Produktgruppen reparaturfreundlich sein müssen - für Autos wird die Richtlinie demnach nicht gelten. Dafür könnte ein anderes Gesetz in diesem Fall Anwendung finden: die Gewährleistungspflicht. Seit 2022 gelten die neuen Gewährleistungsrechte in Deutschland für Produkte, die nach dem 1. Januar des Jahres gekauft wurden. Neu sind dabei die Vorgaben für Waren mit digitalen Elementen. Gemeint sind Produkte, die zum Beispiel mit dem Internet verbunden sind und die ohne digitale Elemente nicht sinnvoll funktionieren. Das umfasst unter anderem Handys, Navigationsgeräte und Saugroboter, letztlich aber auch Fahrzeuge.

In Bezug auf Autos bedeutet das laut Markus Artz, Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Bielefeld: "Verbraucher haben einen Anspruch auf Sicherheit und Funktionstüchtigkeit. Wenn das nicht mehr gewährleistet ist, muss ein Update her." Das betrifft sowohl Features wie den Spurhalteassistenten als auch das eingebaute Navigationssystem.

Das Gesetz hat aber mehrere Schwächen. Es gilt zum Beispiel nur für Verbraucher, also Privatkunden. Geschäftskunden haben dagegen keinen Gewährleistungsanspruch. Ein anderes Problem: Das Update muss nicht der Hersteller, sondern offiziell der gewerbliche Verkäufer bereitstellen - also zum Beispiel das Autohaus. "Das kann ja aber nur ein Update aufspielen, wenn der Autobauer eines bereitstellt", sagt Artz. Und wer einen Gebrauchtwagen von einem privaten Anbieter kauft, der muss sich selbst eine Werkstatt suchen und für Updates bezahlen.

Lücke im Gesetz: Regel für Dauer von Updates fehlt

Eine weitere Lücke im Gesetz: Wie lange Hersteller die Updates gewährleisten müssen, ist nicht definiert. "Maßgeblich sind die vernünftigen Verbrauchererwartungen, und die richten sich beispielsweise danach, ob das Update sicherheitsrelevant ist", sagt Florian Faust, Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Privatrecht, Handels- und Wirtschaftsrecht an der Bucerius Law School in Hamburg. Das heißt: Beim Thema Sicherheit erwarten Verbraucher verständlicherweise mehr Leistung und größeren Support.


„Der Rückschluss vom Preis auf die Qualität eines Produkts ist rechtlich problematisch und allenfalls ein Indiz für hohe oder niedere Qualität.“
Markus Artz, Professor an der Universität Bielefeld

Forscher Artz von der Universität Bielefeld erklärt es etwas anders: "Aus meiner Sicht gilt hier die vom Verbraucher erwartete Lebensdauer." Die durchschnittliche Nutzungsdauer für Autos liegt laut Kraftfahrtbundesamt bei nur 11,3 Jahren. Die erwartete Lebensdauer dürfte deutlich darüber liegen, manche Autos halten 20 Jahre oder länger, zumindest was die Hardware betrifft. Das schaffen die Autos einiger Hersteller, wie verschiedene Auswertungen zeigen. Bei Cariad, dem VW-Softwareableger, heißt es, man biete 15 Jahre nach der Wartung Support, wenn das Betriebsende nicht absehbar sei, auch länger. Genaue Angaben gibt es also nirgends.

Was Artz und Faust gleichermaßen verwundert, ist eine Aussage des Bundesjustizministeriums. Auf der Webseite erklärt das Ministerium die neuen Gewährleistungsansprüche und schreibt dazu: "Für eine teure, moderne Waschmaschine könnten also etwa länger Updates erwartet werden als für ein preiswertes Navigationssystem." Auf solche Aussagen dürfen Verbraucher aber nicht bauen. "Der Rückschluss vom Preis auf die Qualität eines Produkts ist rechtlich problematisch und allenfalls ein Indiz für hohe oder niedere Qualität. Das gilt auch für Updates", sagen die Juristen Artz und Faust unisono.

Lieblingslieder möglicherweise nur im Neuwagen zu hören

Besonders schwierig wird es bei Apps von Drittanbietern, also zum Beispiel Streamingapps. Die funktionieren oft auch nicht mehr auf sehr alten Smartphones - das kann auch bei Fahrzeugen passieren. Experten vermuten, dass Hersteller künftig in den Kaufbedingungen entweder ein Recht auf Updates von Drittanbietern nur für eine festgelegte Zeit gewähren oder ausschließen könnten. Anspruch auf Kompatibilität haben Kunden bei nicht für Funktion oder Sicherheit relevanten Programmen nur dann, wenn der Hersteller zum Beispiel aktiv das Modell mit der App bewirbt. "Dabei ist egal, ob das nur auf Instagram oder X stattfindet, oder ob es im Prospekt steht. Verkäufer müssen zu ihren Werbeversprechen und zu denen des Herstellers stehen", sagt Faust.

Autokäufer, egal ob Neu- oder Gebrauchtwagen, haben also gewissermaßen ein Recht auf Update - solange sie bei einem gewerblichen Händler gekauft haben. Hersteller könnten die Gewährleistung für Sicherheits- und Funktionsupdates einschränken, dürfen das aber nicht im Kleingedruckten, sagt Jurist Artz. Erlaubt ist eine Verzichtserklärung nur, wenn der Kunde ausdrücklich darauf hingewiesen und dies gesondert vereinbart wird. Käufer müssten also zum Beispiel ein separates Formular dafür unterschreiben.

Gebrauchtwagenfahrer müssen sich zusätzlich darauf gefasst machen, dass ihr Lieblingslied wahrscheinlich nicht für immer per Streaming aus den Boxen dröhnt. Für wen das unverzichtbar ist, der fährt besser einen Neuwagen.

Die Autorin ist Journalistin bei der Finanz- und Wirtschaftsredaktion Wortwert.

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