Editorial : Am Auto hängt viel, auch für die Politik
Geht es in Deutschland um das Auto, wird es schnell politisch. Viele lieben es, einige verteufeln es und seine Industrie ist der wichtigste Wirtschaftszweig im Land.
Kaum etwas hat die Welt so geprägt wie der Benz Patent-Motorwagen Nummer 1. Am 3. Juli 1886 rollte Carl Benz mit diesem 0,75 PS starken ersten Automobil durch Mannheim, heute zählt das Umweltbundesamt weltweit über 1,3 Milliarden Pkw. Und es werden, allen Debatten um Mobilitätswenden zum Trotz, immer mehr und dies immer schneller. Seit der Jahrtausendwende hat sich die Zahl verdoppelt und die Dynamik nimmt zu.
Vor allem in China ist das automobile Potential riesig, der Schritt vom Fahrrad zum Auto ist dort Ausdruck von Fortschritt und Wohlstand geworden, genau wie einstmals in Deutschland. Seit 2021 gibt es in China mehr Fahrzeuge als in den USA, es sind 300 Millionen. Die Fahrzeugdichte je Einwohner liegt damit aber noch weit unterhalb der Dichte in Deutschland mit seinen 49,1 Millionen aktuell beim Kraftfahrt-Bundesamt zugelassenen Kfz.
Zuspruch zum Auto ungebrochen
Der riesige Erfolg der Erfindung von Carl Benz ist rein rational kaum zu erklären und trotzt seit Jahren den guten Gründen, die eben gegen das (eigene) Auto und für Alternativen hierzu sprechen. Der Verbrauch an Ressourcen ist enorm, die Belastung von Menschen und die Inanspruchnahme von Flächen ebenfalls und über allem stehen die schädlichen Auswirkungen auf das Klima. Wie schwer es ist, dort zu einer Wende zu gelangen, muss auch die Politik erkennen. In dieser Woche hat der Bundespräsident die von SPD, FDP und Grünen beschlossene Reform des Klimaschutzgesetzes unterzeichnet. Das Gesetz reagiert auf die Probleme bei der Reduktion des CO2-Ausstoßes im Verkehrssektor, bleibt dieser so klimaschädlich wie bislang, kann das nun durch Einsparungen in anderen Bereichen, etwa der Industrie, ausgeglichen werden.
Der Zuspruch zum Auto scheint ungebrochen. Es ist einfach, es ist bequem und macht Spass, es ist eine eierlegende Wollmilchsau, so beschreibt es Mobilitätsforscher Thomas Sauter-Servaes, in diesem Dossier, das wir dem Automobil gewidmet haben. Die emotionale Komponente im Verhältnis zwischen Mensch und Auto ist dabei so stark, dass sie Wahlen entscheiden kann. So hat Kai Wegner (CDU) mit einer Kampagne, die einer Ode an das Auto glich, sogar in Berlin mit seinem guten ÖPNV-Netz, die Wahl 2023 gewonnen. Die Wahl hat gezeigt: Verkehrsversuche ohne Auto funktionieren nicht gegen die Menschen.
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