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Bundestagspräsidium : Streit um die Stellvertreter-Stellen

Die Besetzung der Posten im Bundestagspräsidium sorgt schon länger für Konflikte. Die Grünen etwa warteten über elf Jahre, bis sie in dem Gremium vertreten waren.

27.03.2025
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4 Min

Insgesamt 30 Mal hat die AfD-Fraktion im Bundestag während der jetzt abgelaufenen 20. Legislaturperiode eines ihrer Mitglieder als Stellvertreterin oder Stellvertreter der Bundestagspräsidentin vorgeschlagen - niemand von ihnen fand im Plenum die notwendige Mehrheit, um in das Präsidium des Parlaments einzuziehen. Nicht anders war es zuvor bereits den sechs AfD-Abgeordneten ergangen, die von ihrer Fraktion für den Stellvertreterposten in der vorherigen 19. Legislaturperiode nominiert wurden, in der die Partei erstmals im Bundestag vertreten war. 

Und nicht anders erging es am Dienstag dieser Woche bei der Konstituierung des 21. Deutschen Bundestages dem AfD-Kandidaten Gerold Otten, der bei der Vizepräsidentenwahl die erforderliche Mehrheit in drei Wahlgängen deutlich verfehlte.

Foto: DBT/Tobias Koch

Fiel in allen drei Wahlgängen durch: Gerold Otten (Mitte), den die AfD-Fraktion für einen der vier Stellvertreterposten nominiert hatte.

Dass die AfD-Fraktion einen Sitz im Bundestagspräsidium beanspruchen kann, wurde dabei nicht in Frage gestellt. Schließlich ist in der am Dienstag vom Plenum bestätigten Geschäftsordnung des Parlaments festgelegt, dass in dem Führungsgremium jede Fraktion durch mindestens einen Vizepräsidenten vertreten ist. Damit war und ist aber keineswegs auch für jeden vorgeschlagenen Kandidaten automatisch die erforderliche Mehrheit gesichert, die in den ersten beiden Wahlgängen bei der absoluten Mehrheit der Bundestagsabgeordneten liegt und im dritten Wahlgang bei der Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

AfD-Fraktion klagte erfolglos vor dem Bundesverfassungsgericht

Schon in der vorletzten Wahlperiode sah sich die AfD-Fraktion, da sie als einzige nicht im Präsidium vertreten war, in ihren parlamentarischen Rechten verletzt und schlug den Klageweg nach Karlsruhe ein. Zudem reichte sie beim Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag ein, den Bundestag zu verpflichten, "vorläufig verfahrensmäßige Vorkehrungen für das Wahlverfahren" zu treffen. Das Verfassungsgericht lehnte den Eilantrag jedoch im Sommer 2021 als unzulässig ab, "weil er auf Rechtsfolgen gerichtet ist, die im Organstreitverfahren grundsätzlich nicht erreicht werden können". In der Hauptsache könne die Fraktion allenfalls die Feststellung einer Verletzung ihrer Rechte erreichen, nicht aber die Verpflichtung des Bundestages zu verfahrensmäßigen Vorkehrungen für künftige Wahlen eines AfD-Kandidaten für das Vizepräsidentenamt.

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Im März 2022 urteilten die Verfassungsrichter dann in dem von der AfD-Fraktion angestrengten Organstreitverfahren, das in der Geschäftsordnung festgeschriebene Recht einer Fraktion, im Präsidium mit mindestens einem Vizepräsidenten vertreten zu sein, stehe "unter dem Vorbehalt der Wahl durch die Abgeordneten". Ausführlicher hieß es dazu in der Begründung, “Das Recht zur gleichberechtigten Berücksichtigung einer Fraktion bei der Besetzung des Präsidiums steht insoweit unter dem Vorbehalt der Wahl durch die Abgeordneten und kann daher nur verwirklicht werden, wenn die von dieser Fraktion vorgeschlagenen Kandidaten und Kandidatinnen die erforderliche Mehrheit erreichen.”

Immer wieder gab es auch Streit um die Zahl der Vizepräsidenten 

Der Konflikt erinnert an das Jahr 2005, als der damalige Linken-Vorsitzende Lothar Bisky bei der Wahl der Vizepräsidenten viermal durchfiel. Erst im Frühjahr 2006 wurde statt Bisky seine Fraktionskollegin Petra Pau ins Präsidium gewählt. Sie wurde noch viermal - 2009, 2013, 2017 und 2021 - in diesem Amt bestätigt, bevor sie für den jetzt neu konstituierten Bundestag nicht mehr kandidierte.

Streit gab es auch immer wieder um die Zahl der Vizepräsidenten - mal ging es um den Anspruch der großen Fraktionen auf zwei Präsidiumsplätze, mal um den Wunsch kleinerer Fraktionen, bei der Besetzung des Gremiums berücksichtigt zu werden. Erst seit 1994 nämlich steht jeder Fraktion ein sogenanntes "Grundmandat" im Präsidium zu.

Foto: DBT / Presse-Service Steponaitis

Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Grüne) 1995 im Bundestag in Bonn: Mehr als elf Jahre musste ihre Partei nach dem ersten Einzug ins Parlament auf einen Posten im Präsidium warten.

Damals waren die Grünen wieder in Fraktionsstärke in das Parlament eingezogen und forderten als drittstärkste Kraft einen Platz im Präsidium. Allerdings war keine Mehrheit für eine Vergrößerung zu erwarten, während die FDP als kleinste Fraktion nicht aus dem Gremium ausscheiden wollte und die SPD darauf beharrte, wie bisher zwei Vizepräsidenten zu stellen. Schließlich stimmte die Union dem Antrag der Grünen zu, jeder Fraktion ein Grundmandat im Präsidium einzuräumen.

2005 beschloss der Bundestag eine Erweiterung des Präsidiums

Abgelehnt wurde dagegen der anschließende Antrag der SPD, das Präsidium auf sechs Mitglieder zu erweitern, ebenso wie ein Antrag der damaligen PDS-Gruppe, gleichfalls einen Vertreter in das Präsidium entsenden zu können. Von einer "ungewöhnlichen Allianz" der Grünen mit Union und FDP war damals etwa in der "Süddeutschen Zeitung" zu lesen. Das war zu einer Zeit, in der über etwaige "Jamaika"-Bündnisse noch nicht einmal spekuliert wurde.

2005 beschloss der Bundestag dann zu Beginn der damaligen großen Koalition eine Erweiterung des Präsidiums um einen weiteren Vizepräsidentenposten: Danach standen FDP, Grünen und PDS je ein Vizepräsidentenstuhl zu, während Union und SPD im Präsidium mit je zwei Mitgliedern vertreten waren. Von 2009 bis 2013 dagegen stellte jede Fraktion wieder einen Vize, wie es die Geschäftsordnung auch für die zurückliegenden zwei Wahlperioden vorsah. In der Wahlperiode von 2013 bis 2017 mit nur vier Fraktionen kamen dagegen je zwei Vize aus der CDU/CSU und der SPD sowie je einer von den Linken und den Grünen.

Über die Stellvertreterzahl wurde 1983 erstmals abgestimmt

Bis 1994 war die Zahl der Stellvertreter in der Geschäftsordnung übrigens gar nicht festgelegt. Von der ersten bis neunten Wahlperiode beruhte sie auf interfraktionellen Vereinbarungen, bis nach dem Einzug der Grünen in den Bundestag 1983 erstmals über die Zahl der Vizepräsidenten abgestimmt wurde. Ihr damaliger Antrag, die Stellvertreterzahl zu erhöhen, wurde ebenso abgelehnt wie ihr ähnlicher Vorstoß vier Jahre danach. Beide Male blieb so den Grünen das Präsidium versperrt; am Ende dauerte es nach ihrem ersten Einzug ins Parlament rund elfeinhalb Jahre, bis sie auch in dessen Spitzengremium vertreten waren.

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