Gastkommentare : Mehr Sicherheit durch Zurückweisungen an den Grenzen?
Sorgt der Fünf-Punkte-Plan der Union zur Begrenzung der Migration für mehr Sicherheit im Land? Martin Ferber und Markus Decker im Pro und Contra.
Pro
Die Bürger erwarten, dass die Politik Migration steuert und begrenzt
Die Empörung ist groß. Nur mit Hilfe der AfD hat Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) im Bundestag eine Mehrheit für seinen Fünf-Punkte-Plan zur Steuerung und Begrenzung der Migration bekommen. Das billigend in Kauf genommen zu haben, ist ihm vorzuwerfen. Doch nicht er hat die AfD unterstützt, sondern diese ihn. Wenn die Politik das Richtige und Notwendige nicht macht, nur weil es von den Falschen gebilligt wird, ist sie handlungsunfähig. Diese Selbstblockade hat Merz aufgelöst.
Dass etwas geschehen muss, ist unbestritten. Das Europa der offenen Grenzen ist an seine Grenzen gestoßen. Das Versprechen, durch eine Sicherung der Außengrenzen den Bürgern im Inneren unbegrenzte Freizügigkeit gewähren zu können, hat sich als Illusion erwiesen. Die Außengrenzen sind löchrig wie ein Sieb. Und das Dublin-Prinzip, das für ein Asylverfahren das Land zuständig ist, in dem der Betroffene erstmals den Boden der EU betreten hat, wurde von den Mitgliedsstaaten gezielt unterlaufen.
Die Bürger erwarten, dass die Politik Migration steuert und begrenzt. Mit seinem Plan, mit strikten Grenzkontrollen illegale Einreisen zu verhindern und Unberechtigte zurückzuweisen, vollzieht Merz die von vielen Unionsmitgliedern sehnlichst erwartete Abkehr von der Politik Angela Merkels und versucht gleichzeitig, der AfD das Monopol auf das Thema zu entreißen und die Meinungsführerschaft zurückzugewinnen.
Mit seinem Plan signalisiert Merz den Deutschen, dass sich die Politik des Themas, das vielen unter den Nägeln brennt, entschlossen annimmt. Und den EU-Partnern, dass Deutschland nicht länger bereit ist, die Last alleine zu tragen. Ob sein Plan aufgeht oder er das Falsche gemacht hat, weil er das Richtige wollte, wird sich am Wahltag zeigen. Das ist das große Geschenk der Demokratie: Der Wähler entscheidet.
Contra
Die politische Wirkung der Merz-Volte ist verheerend
Was immer den Unionsfraktionsvorsitzenden Friedrich Merz bewogen haben mag, bei der Verschärfung der Migrationspolitik Stimmen der AfD billigend in Kauf zu nehmen: Es handelt sich um eine Fehlentscheidung von historischem Ausmaß.
Das gilt zunächst in der Sache. Lückenlose Grenzschließungen sind nicht möglich und die Zurückweisung von Flüchtlingen mit Schutzanspruch widerspricht europäischem Recht. Abgesehen davon soll das Gemeinsame Europäische Asylsystem bereits 2026 greifen. Dann würden die ohnehin zurückgehenden Flüchtlingszahlen weiter sinken. Last but not least ist da die Absicht, Tausende ausreisepflichtige Asylbewerber in Ausreisegewahrsam zu nehmen. Wie soll das praktisch funktionieren? Antworten auf derlei Fragen bleibt der CDU-Vorsitzende schuldig.
Verheerend ist die politische Wirkung der Merz-Volte. Indem er eine mit Rechtsextremisten durchdrungene Partei normalisiert, schwächt er sie nicht, sondern stärkt sie. Das zeigen Beispiele aus anderen Ländern hinlänglich. Die Überhöhung des im eigentlichen Sinne unlösbaren Migrationsproblems weckt falsche Erwartungen und ersetzt Sachpolitik durch Stimmungspolitik. Ist dieser Mechanismus erst einmal in Gang gesetzt, entsteht eine gefährliche Eigendynamik, in deren Verlauf die demokratischen Parteien in der Regel verlieren und Populisten in der Regel obsiegen. Das gilt umso mehr, wenn die Demokraten für substanzielle Herausforderungen wie Wirtschaftsflaute, Inflation, Digitalisierung und Klimawandel keine überzeugenden Lösungen anbieten können. Dann wird der Populismus auch für sie zum einzigen Ausweg.
Friedrich Merz müsste das wissen. Die Mechanismen sind mittlerweile ausreichend erforscht. Dass er trotzdem diesen Irrweg beschreitet, dürfte neben der Demokratie am Ende nicht zuletzt einem schaden: der Autorität ihres Urhebers.
Im Bundestag sollen am Mittwoch namentlich über Anträge der Union zur Verschärfung der Migrationspolitik und zur Inneren Sicherheit abgestimmt werden. Darum geht es.
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