Zur Lage der Nation : Am Puls der deutschen Gesellschaft
Der Sammelband "Die Deutschen" vermisst, wie sich die Nation in den Bereichen Politik, Religion und Wirtschaft entwickelt hat.
Immer wieder aufs Neue wollen sich die Deutschen ihrer Selbst vergewissern. In einem empfehlenswerten Sammelband kann man in kurzen Analysen nachlesen, wie sich die Nation aus Experten-Sicht in den Bereichen Politik, Religion und Wirtschaft entwickelt. Herausgeber Thomas Mirow, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Nationalstiftung, stützt sich dabei auf seinen politischen Erfahrungsschatz: Er arbeitete für Willi Brandt und Klaus von Dohnanyi. Zur Beurteilung der Lage der Nation hat er hochkarätige Autoren um sich versammelt, darunter den Jesuiten Klaus Mertes, die Politikwissenschaftlerin Marina Henke, die Publizistin Marlene Knobloch und die CDU-Politikerin Serap Güler.
Vertrauen in das Grundgesetz und das Bundesverfassungsgericht
Mit dem Thema "Verfassungspatriotismus" oder seinem Gegenmodell, der "Leitkultur", beschäftigt sich der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle. Er versucht zu erklären, warum sich die Deutschen bei Fragen der Migration, der Klimakatastrophe, der Pandemie oder zu Krieg und Frieden auf das Grundgesetz berufen. Obwohl der Grundkonsens "unzweifelhaft kleiner geworden" sei, würden sich die Menschen immer noch auf die Verfassung beziehen. Dies sei auch deshalb bemerkenswert, weil in den USA nur noch 27 Prozent der Bürger dem Supreme Court vertrauten, während hierzulande 76 Prozent sehr großes oder großes Vertrauen in das Bundesverfassungsgericht hätten.
Thomas Mirow (Hg.):
Die Deutschen.
Wer wir sind. Wer wir sein wollen. Berichte zur Lage der Nation.
Murmann,
Hamburg 2024;
240 S., 20,00 €
Seit Jahrzehnten misst Heinz Bude als Soziologe den Puls der Gesellschaft. In seinem einleitenden Beitrag zeichnet Bude das Bild eines Landes ohne Kompass, in dem die Menschen nicht zu wissen scheinen, wo und wie sie ihre Talente, Energien und Kompetenzen einbringen können. Sein Fazit: "Wir brauchen heute in Deutschland keine neuen Erzählungen, die sich an den Einschnitten von 1945, 1968 oder 1989 orientieren", sondern eine effektive Wende "im Denken des Zukünftigen".
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