Parlamentarisches Profil : Der Ordnende: Torsten Herbst
Der Liberale sieht andere Prioritäten im Land als noch vor drei Jahren: Die Belebung der Wirtschaft müsse nun Vorfahrt haben, sagt der Sachse.
Ein kurzer Blick aufs Display verrät Torsten Herbst, dass er gleich nochmal schnell in den Plenarsaal muss: Die Sitzordnung hat sich geändert, die aus der Bundesregierung ausgeschiedenen FDP-Kabinettsmitglieder sind in der Fraktion einzureihen, und da muss er als Parlamentarischer Geschäftsführer nach dem Rechten sehen. Nichts ist normal in dieser Sitzungswoche, obwohl man Herbst, 51, liberaler Abgeordneter aus Dresden, nichts ansieht; außer dass er ein wenig schneller spricht als beim letzten Treff. "Es sind dynamische Tage", sagt er eingangs, "mit kurzen Nächten".
"Die Entscheidung führte zu einem positiven Ruck in der Partei", kommentiert der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion Torsten Herbst das Ende der Ampel.
Es ist die Woche nach dem großen Knall in der Koalition. Die Ampel ist Geschichte, der Wahlkampf nah. Ist er schon im neuen Modus? "Nein, dafür sind zu viele Dinge zu ordnen und Abläufe neu zu gestalten." Und klar, noch einmal antreten würde er gern. "Ansonsten mache ich mir keine Gedanken, ich habe aktuell keinen Plan B oder C."
Sehnsucht nach neuen Mehrheiten
Eine interessante Euphorie ist auf dem Flur entlang der FDP-Büros zu vernehmen. Aus Zimmern dringt leises Lachen, Leute eilen hin und her. "Die Entscheidung führte zu einem positiven Ruck in der Partei", sagt er. Dabei lebt die Partei mit dem Risiko, es bei der Neuwahl im kommenden Februar nicht über die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen. "Mandatsträgern ist immer klar, dass sie ein befristetes Amt übernehmen", sagt Herbst. "Für Mitarbeiter sind vorgezogene Wahlen schwieriger. Dass sie teilweise verunsichert sind, verstehe ich." Er sehe die Republik nun vor einer Richtungsentscheidung. "Das Land hat nun andere Prioritäten als vor drei Jahren. Dem müssen wir Rechnung tragen. Nun muss die Belebung der Wirtschaft Vorfahrt haben." Moment, und was ist mit dem Klimawandel? "Andere Themen kehrten jetzt zurück. Klimaschutz funktioniert nur, wenn Unternehmen profitabel sind und investieren können."
Man merkt ihm an: Herbst sehnt sich nach anderen Mehrheitsverhältnissen. Dafür nimmt er auch die Hektik dieser Tage in Kauf.
Als Schüler zur Montagsdemo 1989
Leid ist er gewohnt. In seinem Heimatland Sachsen landeten die Liberalen bei der letzten Landtagswahl unter einem Prozent, "niederschmetternd war das", sagt er. "Das zeigt, dass es für die FDP in den östlichen Bundesländern eine hohe Schwankungsbreite gibt." Vertrauen müsse zurückgewonnen werden, sagt er.
Seines in die FDP dauert seit langem an. Herbst lief als Schüler 1989 auf den Montagsdemos mit, sah in der Zeitung den Gründungsaufruf für einen FDP-Jugendverband - und ging hin.
Daheim hatten die Eltern die Zeitung der Liberaldemokratischen Partei abonniert, man diskutierte viel über Politik. "Ich war immer freiheitsliebend und fühlte mich in der DDR eingesperrt", erinnert er sich. "Es war auch klar, dass ich wohl nicht zum Abitur zugelassen werde, da ich mich nicht für eine längere Zeit für die Armee verpflichten wollte."
Die Wende erlebte er als Befreiungsschlag - wenn auch seine Eltern sich wie so viele beruflich neu orientieren mussten. "Das war ein massiver Umbruch mit vielen Unsicherheiten", sagt er. Auch Ungerechtigkeiten? "Ehrlicherweise muss man sagen, dass die meisten DDR-Betriebe in einer Marktwirtschaft nicht wettbewerbsfähig waren." Hören die Leute in seinem Wahlkreis sowas gern? "Durch diese Neuorientierung entstanden auch viele Erfolgsgeschichten. Heute erfolgreiche Betriebe wurden damals neu gegründet", sagt Herbst. “Daraus könnte man für heute lernen: In Zeiten des Umbruchs gilt es, die Ärmel hochzukrempeln.”
Voll digital im Bundestag
In der sächsischen Partei übernahm er diverse Ämter. Generalsekretär, Schatzmeister, auch zehn Jahre als Landtagsabgeordneter kamen zusammen - nach der Uniausbildung zum Diplom-Kaufmann.
Dann rief Berlin. 2017 zog Herbst in den Bundestag und in ein Büro ein, das besonders aufgeräumt wirkt. "Wir sind eine digitale Fraktion" lächelt er, "das war mir sehr wichtig: kein Papier und keine Mappen mehr". Hinter seinem Schreibtisch stehen drei Fahnen, die Sachsens, Deutschlands und der EU. Und draußen offenbart der Blick durchs Fenster die ungleich größeren Deutschlandfahnen auf dem Reichstag. Herbst springt auf. Die neue Sitzungsordnung. Ab in den Plenarsaal.
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