Piwik Webtracking Image

Anhörung im Haushaltsausschuss : Finanzplan entzweit die Sachverständigen

In einer Anhörung zum Finanzplan von SPD und Union gehen die Meinungen der Experten weit auseinander. Manche erwarten Wachstum, andere warnen vor den Zinsen.

14.03.2025
True 2025-03-14T17:20:12.3600Z
3 Min

Notwendig oder verhängnisvoll - über die Lockerung der Schuldenbremse streiten nicht nur die Politiker. Bei einer Anhörung im Haushaltsausschuss im Anschluss an die Plenardebatte am Donnerstag waren auch die Experten geteilter Meinung. Neben der letztlich vom Bundesverfassungsgericht zu beantwortenden Frage, ob die Verabschiedung im abgewählten Bundestag überhaupt zulässig ist, gingen die Meinungen vor allem in der volkswirtschaftlichen Bewertung auseinander.

“Dezernat Zukunft” erwartet Wachstumseffekt

Die Ökonomin Philippa Sigl-Glöckner von der Denkfabrik Dezernat Zukunft erwartet von den geplanten Maßnahmen ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von jährlich 0,7 Prozent. Dieser Effekt hänge aber davon ab, was von den möglichen Mitteln tatsächlich ausgegeben werde. Sie verwies darauf, dass erst der nächste Bundestag und die nächste Bundesregierung über die Nutzung der zusätzlichen Ausgabenspielräume entscheiden würden.

Vor langfristigen Belastungen infolge der künftig möglichen Verschuldung warnte der Wirtschaftswissenschaftler Lars Feld vom Freiburger Walter Eucken Institut. Es sei zu erwarten, dass die Staatsverschuldung in zehn Jahren auf 90 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung ansteigt. Dies aber hätte zusätzliche Zinsausgaben des Staates zwischen 250 und 400 Milliarden Euro zu Folge, je nachdem, wie sich die Zinsen für Staatsanleihen entwickeln. Der Ökonom Thiess Büttner von der Universität Erlangen-Nürnberg trat derartigen Befürchtungen einer ausufernden Staatsverschuldung mit dem Hinweis entgegen, dass sich Deutschland ohnehin nur im Rahmen der EU-Vorgaben bewegen könne.


„Eine Herausforderung für die Stabilität in Europa.“
Veronika Grimm, Wirtschaftswissenschaftlerin TU Nürnberg

Dagegen warnte die Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm von der Technischen Universität Nürnberg vor einer "Herausforderung für die Stabilität in Europa". Wenn durch die deutsche Kreditaufnahme die Zinsen für Staatsanleihen stiegen, werde es für bereits hochverschuldete Länder wie Italien und Spanien noch teurer, ihrerseits aufzurüsten, und die "Vulnerabilität in der Eurozone" steige.

Rückendeckung erhielten die Grünen, denen die von SPD und Union mit einem Änderungsantrag ins Gesetzgebungsverfahren eingebrachten zusätzlichen 50 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds nicht ausreichen. Die Rechtsanwältin und Richterin am Hamburger Verfassungsgericht, Roda Verheyen, hält den Vorschlag für unzureichend, um die Klimaziele wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert umzusetzen. Sie schlug stattdessen eine Ausnahme von der Schuldenbremse, wie sie für die Verteidigung vorgesehen ist, auch für Investitionen in den Klimaschutz vor. Der Mannheimer Wirtschaftswissenschaftler Tom Krebs stellte eine "Unwucht" fest. Mehr Investitionen seien gleichermaßen in Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz nötig, aber er sehe viel Militär und wenig Klimaschutz. Er schlug vor, alle Investitionsausgaben von der Berechnung der Schuldenbremse auszunehmen.

Sachverständige uneins über Sicherheitslage in Europa

Grundsätzliche Kritik an der Herangehensweise von Union und SPD kam von Reiner Braun vom Internationalen Friedensbüro. In den 1960er Jahren habe die Große Koalition unter Kurt Georg Kiesinger und Willy Brandt dem Harmel-Bericht der Nato mit den zwei Schultern Rüstung und Dialog zugestimmt. Heute hingegen werde "die zweite Schulter überhaupt nicht mehr in Betracht gezogen". Braun bestritt zudem eine Bedrohung durch Russland. Europa sei Russland militärisch auch ohne die USA deutlich überlegen. 

Dagegen warnte Moritz Schularick vom Kiel Institut für Weltwirtschaft, Russland rüste sehr schnell auf. In Deutschland hingegen hätten die derzeitigen Verteidigungsausgaben von rund zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts "nicht zu einem nennenswerten Ausbau von Fähigkeiten geführt". Eine Steigerung auf drei bis dreieinhalb Prozent sei daher sinnvoll. 

Mehr zum Thema

Ein Leopard 2 A6 Kampfpanzer in der Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne.
Mehr Geld für Verteidigung und ein Sondervermögen: Das steht in den Gesetzentwürfen zur Schuldenbremse
Union und SPD wollen die Ausgaben für die Bundeswehr hochschrauben und in ein Sondervermögen Infrastruktur investieren. Grüne und FDP haben eigene Vorstellungen.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Portrait.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Interview: "Europa kann die Sicherheit nicht nur durch Schulden gewährleisten"
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im EU-Parlament sieht großen Nachholbedarf bei der Abwehrbereitschaft. Beim Thema Schulden müsse Europa aber aufpassen.
Lars Klingbeil und Friedrich Merz von oben
Abstimmung am Dienstag: Grünes Licht für Milliardenpaket von Union und SPD
Union, SPD und Grüne einigen sich auf Grundgesetzänderungen für Verteidigung und Sondervermögen. Bundesverfassungsgericht lehnt Eilanträge gegen Sondersitzung ab.

Auch der Frankfurter Politikwissenschaftler Christopher Daase nannte den Gesetzentwurf angesichts der Bedrohungslage durch den Krieg Russlands und die Politik der USA "gerechtfertigt". Auch die Eile sei "vertretbar". Allerdings kritisierte Daase einen zu engen Sicherheitsbegriff. Die Ausnahme von der Schuldenbremse solle sich nicht nur auf den Haushalt der Bundeswehr beziehen, sondern auf die Resilienz der gesamten Gesellschaft, etwa für Investitionen in den Bevölkerungsschutz.