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Im Zwiegespräch: SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil und sein Unionskollege und möglicher nächster Bundeskanzler Friedrich Merz haben das Milliardenpaket in den Bundestag gebracht.

Abstimmung am Dienstag : Grünes Licht für Milliardenpaket von Union und SPD

Union, SPD und Grüne einigen sich auf Grundgesetzänderungen für Verteidigung und Sondervermögen. Bundesverfassungsgericht lehnt Eilanträge gegen Sondersitzung ab.

14.03.2025
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4 Min

Die Chancen, dass der Deutsche Bundestag am kommenden Dienstag den „Finanzplan“ von SPD und Union verabschieden kann, stehen gut. Am Freitagmittag verkündeten die Fraktionsspitzen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen nach tagelangen Verhandlungen eine Einigung. Damit steht theoretisch die notwendige Zweidrittelmehrheit für die geplanten Grundgesetzänderungen. Das Bundesverfassungsgericht verwarf zudem am Freitagnachmittag Eilanträge, die sich gegen die Sondersitzungen und die Ausgestaltung des Verfahrens richteten. Die AfD und Die Linke hatten in Karlsruhe geklagt.

Der von SPD und Union vorgelegte Gesetzentwurf war Ergebnis der Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD. Die Parteien, die nach der Bundestagswahl vom 23. Februar, inzwischen Koalitionsverhandlungen aufgenommen haben, hatten entschieden, die Grundgesetzänderungen noch in der laufenden Wahlperiode zur Abstimmung zu stellen. Der 21. Deutsche Bundestag konstituiert sich am 25. März

Einigung greift zentrale Kritikpunkte der Grünen auf

Noch am Donnerstag hatten die Grünen im Bundestag deutliche Kritik an den Plänen von Union und SPD geäußert und eine Zustimmung offen gelassen. Die nun erzielte Einigung greift zahlreiche Kritikpunkte der Grünen auf. Der Haushaltsausschuss will am Sonntag die letzten Änderungen an dem Gesetzentwurf auf den Weg bringen.

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Katharina Dröge (links) und Britta Haßelmann, beide Ko-Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, haben tagelang mit Union und SPD über das Milliardenpaket verhandelt.

Wie Unionsfraktionschef Friedrich Merz am Freitag nach einer Sitzung seiner Fraktion mitteilte, sollen künftig Ausgaben für Verteidigung, Geheimdienste, Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie Sicherheit in der Informationstechnik ab einer bestimmten Höhe von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Die Grenze soll bei einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen, wie ursprünglich von SPD und Union vorgeschlagen. Die Grünen hatten in einem eigenen Gesetzentwurf 1,5 Prozent des BIP und einen weiten Sicherheitsbegriff gefordert. Letzteres konnten sie in den Verhandlungen durchsetzen, Union und SPD hatten in ihrem Entwurf nur Verteidigungsausgaben genannt.

Sondervermögen Infrastruktur eine Laufzeit von zwölf Jahren haben

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Zudem soll im Grundgesetz ein Sondervermögen mit einem Volumen von 500 Milliarden für Infrastrukturinvestitionen geschaffen werden. Es soll laut Merz nun eine Laufzeit von zwölf Jahren haben, ursprünglich hatten Union und SPD zehn Jahre vorgeschlagen. 100 Milliarden Euro sollen die Länder für Investitionen erhalten. Außerdem sollen laut Merz 100 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds fließen. Die Grünen hatten zuvor kritisiert, dass der Klimaschutz in den Plänen von Union und SPD zu kurz komme.

Ebenfalls auf Drängen der Grünen soll nun die Zusätzlichkeit der Investitionen festgeschrieben werden. Laut Merz gelten Ausgaben als zusätzlich, "wenn sie zehn Prozent der Ausgaben des Bundeshaushalts für Investitionen überschreiten". Die Grünen hatten zuvor befürchtet, dass Investitionen aus dem Kernhaushalt in das Sondervermögen verschoben werden könnten, etwa um Steuersenkungen oder Wahlgeschenke zu finanzieren. 

Keinen Änderungsbedarf sahen die Parteien offenbar bei den geplanten Verschuldungsspielräumen für die Länder. Auch sie sollen, wie von Union und SPD vorgeschlagen, künftig Kredite aufnehmen dürfen, um ihre Haushalte auszugleichen. 

Grüne hatten Vorschlag von SPD und Union scharf kritisiert

Die Einigung erfolgte einen Tag nach der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Plenum. Dort hatten die Grünen die Pläne von Union und SPD noch scharf kritisiert. Die Ko-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge kritisierte unter anderem, dass die Regelung zu höheren Verteidigungsausgaben und zum Sondervermögen in ein Gesetz gegossen worden sei. Dies sei eine „willkürliche Entscheidung“, es gebe dafür keinen sachlichen Zusammenhang, vielmehr vertrauten sich Union und SPD nicht. 

Unionsfraktionschef Merz und sein SPD-Kollege Lars Klingbeil betonten dagegen den Zusammenhang zwischen Verteidigungsausgaben und Sondervermögen. Merz sagte, die Maßnahmen seien so dringlich, dass man nicht bis zur nächsten Legislaturperiode warten könne. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine dauere ebenso an wie die Provokationen aus Moskau in ganz Europa; US-Präsident Donald Trump sorge mit seinem Verhalten für weitere internationale Unsicherheit. "Das Wort Abschreckung muss jetzt schnell und glaubwürdig militärisch unterlegt werden. Jede weitere Verzögerung wäre unverantwortlich", so Merz. Für diese "nationale Kraftanstrengung" müsse aber auch die wirtschaftliche Grundlage geschaffen werden, sagte der Christdemokrat mit Blick auf das vorgeschlagene Sondervermögen.


Lars Klingbeil im Portrait.
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„Wenn die Geschichte anklopft, dann muss man die Tür öffnen, weil man niemals weiß, ob es vielleicht eine zweite Chance dafür gibt.“
Lars Klingbeil (SPD)

Klingbeil betonte, dass Investitionen in die Sicherheit und in die Infrastruktur des Landes zusammengehörten. Das eine gehe nicht ohne das andere. Die vorgeschlagenen Veränderungen hätten das Potenzial, das Land auf Jahre und Jahrzehnte in die richtige Richtung zu bewegen. "Wenn die Geschichte anklopft, muss man die Tür öffnen, weil man niemals weiß, ob es vielleicht eine zweite Chance dafür gibt", sagte Klingbeil in Richtung der Grünen.

Die von Union und SPD beschworene Dringlichkeit ergibt sich auch aus der Arithmetik der Macht. Für eine Grundgesetzänderung ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. In der laufenden Legislaturperiode würde es aber mit den Stimmen der Grünen - und theoretisch der FDP - reichen; ab dem 25. März, dem Tag der Konstituierung des 21. Deutschen Bundestages, bräuchte es zusätzlich die Stimmen der AfD, mit der niemand zusammenarbeiten will, oder der Linken, die zumindest für die Union ein rotes Tuch sind. Auch im Bundesrat, wo ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, ist die Zustimmung der Grünen entscheidend.

AfD sieht “skrupellosen Angriff auf die Verfassung”

Dass Union und SPD noch in dieser Legislaturperiode eine Grundgesetzänderung anstreben, stieß vor allem bei AfD, Linken und BSW auf scharfe Kritik. AfD-Chefin Alice Weidel warf SPD und Union in der Debatte einen "skrupellosen Angriff auf die Verfassung" vor. Heidi Reichinnek (Gruppe Die Linke) nannte das Vorgehen "zutiefst undemokratisch". Sahra Wagenknecht (Gruppe BSW) sah eine "neue Stufe des Niedergangs unserer Demokratie". Zudem musste sich Merz wegen seiner früheren Verteidigung der Schuldenbremse unter anderem von FDP-Fraktionschef Christian Dürr "Wortbruch" vorwerfen lassen.

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