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CDU-Haushälter im Interview : "Wir haben eine neue Dynamik"

Yannick Bury (CDU) sitzt im Haushaltsausschuss. Als Vertreter der jungen Generation hat er deren Interessen angesichts der Folgen der Grundgesetzänderung im Blick.

14.03.2025
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4 Min

Seit der Bundestagswahl kommt der Eindruck auf, das sich abzeichnende Bündnis von Union und SPD wolle alle Geldschleusen öffnen: Sondervermögen für die Verteidigung, Lockerung der Schuldenbremse. Wieso dieser Schwenk bei der Union?

Yannick Bury: Es geht darum, die Handlungsfähigkeit insbesondere im Bereich der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands sicherzustellen und welcher Weg dafür gegangen werden kann. Es geht darum, kurzfristig die erforderlichen Bedarfe für die Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit über Kredite zu finanzieren. Wir müssen für unsere eigene Verteidigungs- und Handlungsfähigkeit unbedingt mehr tun. Der Vorschlag entstand vor dem Hintergrund der Dynamik, die sich in den letzten Wochen global und europäisch entwickelt hat - auch wegen der Ereignisse im Weißen Haus in Washington.

Foto: Yannick Bury

Yannick Bury ist seit 2021 Mitglied des Bundestages. Er sitzt für die CDU unter anderem im Haushaltsausschuss.

Aber musste das alles so schnell gehen?

Yannick Bury: Gerade im Bereich der Verteidigungsfähigkeit ist in den letzten Wochen ein zusätzlicher Handlungsdruck entstanden, der eine neue Dynamik ausgelöst hat.

Die Zinsbelastung ist ein besonders wichtiger Aspekt. Wenn das Paket so kommen sollte, haben Experten einen Anstieg der Zinsbelastung um über 20 Milliarden Euro jährlich ausgerechnet. Und die Zinsen beziehungsweise Renditen der Staatsanleihen steigen bereits jetzt, ehe schon irgendein Beschluss gefasst ist. Wäre eine so hohe Belastung auf Dauer tragbar?

Yannick Bury: Der entscheidende Punkt wird sein, ob sich die Zinsentwicklung, die in der letzten Woche zu beobachten war, verfestigen wird oder ob eine Korrektur nach unten gelingen wird.

Wie soll das gehen?

Yannick Bury: Es geht um die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen, die zwei Seiten hat: Die eine ist die Frage der ausstehenden Kredite und der Belastungen. Die zweite Seite ist die Frage, welche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dieser Kreditbelastung gegenübersteht. Der Hebel, den wir haben und nutzen sollten, ist eine Steigerung des Potenzialwachstums über angebotsseitige und strukturelle Reformen, um den Standort wettbewerbsfähiger zu machen. Das ist die zwingende zweite Seite dessen, was wir als Finanzierungspaket gerade auf der ersten Seite diskutieren. Es geht nicht nur um die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in Deutschland, sondern gleichzeitig auch um die Auswirkungen auf andere europäische Staaten.

An welche Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit denken Sie?

Yannick Bury: Insbesondere die Kostenbelastungen der Unternehmen in Deutschland müssen gesenkt werden. Das beginnt bei der Frage von steuerlichen Belastungen. Deshalb ist es ein gutes Zeichen, das das Sondierungspapier von Union und SPD eine Unternehmensteuerreform beinhaltet. Es geht darüber hinaus um regulatorische Kosten und Abbau der Bürokratie. Es ist ein gutes Zeichen, dass es eine eigene Arbeitsgruppe bei den Koalitionsverhandlungen dazu gibt. Zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gehört auch eine Einkommensteuerreform mit Entlastungen. 

Die Notwendigkeit, unseren Standort mit einer zukunftsfähigen Infrastruktur, vor allem aber mit wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen zu stärken, ist angesichts der wirtschaftlichen Lage im Land dringen der denn je. Der tatsächliche Handlungsdruck, den Standort Deutschland strukturell wieder wettbewerbsfähig zu machen, nimmt durch zusätzliche Verschuldungsmöglichkeiten nicht ab. Im Gegenteil: Durch die Notwendigkeit, die Verteidigungsfähigkeit angesichts der geopolitischen Lage schnell stärken zu müssen, steigt sogar der Handlungsdruck, den Standort Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen. Diese Schritte hin zu mehr Wettbewerbsfähigkeit sind daher die zwingende Konsequenz aus den anstehenden finanzpolitischen Entscheidungen.


„Wir tragen eine Verantwortung für die kommenden Generationen, die für diese Handlungsfähigkeit erforderlichen Ressourcen bereitzustellen.“
Yannick Bury (CDU)

Schulden gehen aber auch immer zu Lasten kommender Generationen.

Yannick Bury: Das Paket, das wir beraten, hat natürlich Auswirkungen auf die kommenden Generationen. Diese Generationen haben aber ebenso wie wir ein Anrecht darauf, in einem geeinten Europa in Sicherheit, in Frieden, vor allem aber auch in Freiheit leben zu können. Ebenso wie wir haben sie ein Anrecht darauf, auf die Sicherheitsgarantie des Staates als dessen Kernaufgabe vertrauen zu dürfen. Daher müssen wir vollumfänglich wehrhaft und handlungsfähig werden. Wir müssen als Europäer in einer Welt, die unsicherer und unberechenbarer geworden ist, souveräner werden. Wir tragen eine Verantwortung für die kommenden Generationen, die für diese Handlungsfähigkeit erforderlichen Ressourcen bereitzustellen.

Es geht also um die wirtschaftliche und die finanzielle Handlungsfähigkeit heutiger und kommender Generationen. Beides müssen wir mit der Bereitstellung der notwendigen Ressourcen für unsere Sicherheit und mit einer Politik, die den Wirtschaftsstandort Deutschland durch echte Strukturreformen stärkt, zusammenbringen. Die Chance für beides sollten wir nutzen.

Kommen wir zum Bundeshaushalt. Das Wort "Sparen" fehlt im Sondierungspapier von Union und SPD ganz, und von "Einsparungen" ist gerade an einer Stelle und dazu noch recht allgemein die Rede. Können Sie sich vorstellen, dass hier bei den anstehenden Haushaltsberatungen noch nachgeschärft wird?

Yannick Bury: Da kann ich mir nicht nur vorstellen, dass nachgeschärft werden wird. Der Konsolidierungs- und Handlungsdruck im Bundeshaushalt ist da und wird auch zwingend bleiben. Das hat auch damit zu tun, dass es neben den Schuldenregeln des Grundgesetzes auch die europäischen Schuldenregeln weiter vorschreiben, dass die Gesamtausgaben innerhalb eines Ausgabepfades bleiben müssen. Der Deckel auf dem Bundeshaushalt muss weiter draufbleiben.

Foto: Abgeordnetenbüro Bury
Yannick Bury
ist Mitglied im Petitions- und Haushaltsausschuss sowie im Unterausschuss zu Fragen der Europäischen Union. Der Volkswirt sitzt seit 2021 für den Wahlkreis Emmendingen-Lahr im Bundestag.
Foto: Abgeordnetenbüro Bury

Aber die Kredite schaffen doch Spielräume?

Yannick Bury: Zu glauben, im Bundeshaushalt würden jetzt auf einmal ungeahnte Spielräume entstehen und jeder Konsolidierungsdruck sei weg, hat mit der Realität des Bundeshaushaltes und der Bundesfinanzen sowie mit dem Zusammenspiel von grundgesetzlicher Schuldenbremse und europäischen Fiskalregeln überhaupt nichts zu tun.

Also im Haushaltsausschuss...

Yannick Bury: ...wird genug zu tun bleiben. Es bleibt die Aufgabe der kommenden Monate, die Struktur des Bundeshaushalts mit Blick auf die Herausforderungen unserer Zeit zu korrigieren - wirtschaftlich wie sicherheitspolitisch.

Was bedeutet eigentlich der Verschuldungsrahmen, der den Ländern eingeräumt werden soll, für den Bund und für die Einhaltung der europäischen Stabilitätskriterien?

Yannick Bury: Die europäische Ebene betrachtet die gesamtstaatliche Verschuldung und die Defizite. Mehrausgaben, etwa bei den Ländern, erhöhen daher den Konsolidierungsdruck im Bundeshaushalt. Es wird darum gehen müssen, vernünftige Koordinierungsinstrumente von Bund und Länder zu finden.

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