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Editorial : Bündnisfragen für die Nato

Fast eine Milliarde Menschen verlassen sich auf den Schutz der Nato. 75 Jahre nach ihrer Gründung steht das Verteidigungsbündnis vor einer Gratwanderung.

05.07.2024
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2 Min

Wenn Mark Rutte am 1. Oktober sein Amt als neuer Nato-Generalsekretär antritt, wird er eine der verantwortungsvollsten Aufgaben übernehmen, die es derzeit gibt. 967 Millionen Menschen auf der Erde verlassen sich auf den Schutz des Verteidigungsbündnisses. Außen vor sind 36 Millionen in der Ukraine, sie sehnen diesen Schutz herbei.

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75 Jahre nach ihrer Gründung sind es wohl drei Fragen, die für die Nato entscheidend sind und jede ist eine Gratwanderung. Wie kann gegenüber Russlands Kriegstreiben Entschlossenheit gezeigt werden, ohne Säbelrasseln? Wie kann die Ukraine unterstützt werden, ohne zur Kriegspartei zu werden? Welche Beitrittsperspektive gibt es für die Ukraine, ohne den Konflikt mit Russland zu zementieren?

Zwei Grundpfeiler des Völkerrechts sind entscheidend

Bemüht wird bei diesen Fragen oft das Völkerrecht. Es gibt unter anderem zwei Kernpfeiler des Gründungsvertrages der Vereinten Nationen, die eine Rolle spielen. Sie stehen beide in Art. 2 der UN-Charta: Das Gewaltverbot und die Gleichheit aller Staaten. Wer sich, wie Russland, über das Gewaltverbot hinwegsetzt, hat keinen Anspruch darauf, dass der Rest der Welt seinen Krieg neutral von der Seitenlinie aus betrachtet. Wer also ein angegriffenes Land beispielsweise mit der Lieferung von Waffen unterstützt, bleibt zwar nicht neutral, aber rechtlich unbeteiligt am Konflikt.

Für die Beitrittsfrage steht als Gedanke die Staatengleichheit über allem. Russland steht nicht über der Ukraine, das Land kann sich jede Einmischung in seine Bündniswahl verbitten. Und es darf nicht zum Spielball anderer Staaten gemacht werden, die von Russland geforderten "Sicherheitsgarantien" mit der Ukraine als Puffer zum Nato-Gebiet, erwecken einen solchen Eindruck. Eine Nato auf dem Boden des Völkerrechts kann auf solche "Garantien" bereits deshalb kaum eingehen.

Recht auf Bündniswahl oder Recht auf Beitritt?

Allerdings gilt auch: Das Recht auf die eigene Bündniswahl darf nicht verwechselt werden mit einem Recht auf Beitritt zu einem Bündnis. Kein Bündnis hat die Pflicht zur Aufnahme von Staaten. Und obwohl der Beitritt Schwedens und Finnlands zuletzt sehr schnell ging, geht Nato-Aufnahmen üblicherweise ein langer Weg voraus. Das zuvor jüngste Mitglied Nordmazedonien hatte seit 1999 an einem speziellen Vorbereitungsprogramm (MAP) teilgenommen, ehe es 2020 aufgenommen wurde. Die Ukraine braucht aber eine Antwort, bevor die Nato ihr hundertjähriges Jubiläum feiert.

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