Vorschau auf die Sitzungswoche : Was diese Woche im Bundestag wichtig wird
Eine Wirtschaftswende, der Hamas-Terror, mehr Schutz des Bundesverfassungsgerichts und Netzausbau. Das sind einige der Themen, über die das Plenum diese Woche berät.
Inhalt
Die Sitzungswoche beginnt am Mittwoch mit der Regierungsbefragung, bei der Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Es folgt eine von der Unionsfraktion beantragte Aktuelle Stunde zu einer “Wirtschaftswende” für die deutsche Wirtschaft. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Reform der Notfallversorgung“ wird ebenfalls am Mittwoch beraten. Außerdem steht die AfD-Forderung nach einer Abschaffung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes auf der Tagesordnung.
Der Donnerstag startet mit einer Vereinbarten Debatte anlässlich des ersten Jahrestages des Überfalls der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. In der Kernzeit liegt auch die erste Lesung zweier Gesetzentwürfe, die unter anderem darauf abzielen, die Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts grundgesetzlich zu regeln. Neben der Forderung der Unionsfraktion nach Zurückweisungen an den deutschen Grenzen wird am Donnerstag auch über den Bericht des Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland, die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland, den Betrug mit gefälschten Klima-Zertifikaten und die Energieversorgung Deutschlands beraten. Am Abend wird über das Kita-Qualitätsgesetz abgestimmt. Am Nachmittag debattieren die Abgeordneten zudem in einer Aktuellen Stunde über einen “drohenden Finanzkollaps der Pflegeversicherung."
Mit dem TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetz, mit dem Rahmenbedingungen für den Ausbau von Telekommunikationsnetzen verbessert werden sollen, befasst sich das Parlament am Freitagmorgen. In erster Lesung berät das Parlament auch das NIS-2-Umsetzungs- und Cybersicherheitsstärkungsgesetz. Erstmals beraten wird ebenfalls der Regierungsentwurf „zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen“, durch den unter anderem ein Bundesbeauftragter gegen sexuellen Kindesmissbrauch gesetzlich verankert werden soll. Die Tagesordnung dieser Sitzungswoche umfasst derzeit insgesamt 30 Punkte.
Aktuelle Stunde zur deutschen Wirtschaft in der Rezession am Mittwoch
Arbeitsplatzabbau, Rezession, finanzielle Probleme in den Sozialversicherungen: Dem Wirtschaftsstandort Deutschland geht es schlecht. Anders als von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) erhofft, steigt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht – es sinkt. Deutschland droht das Schlusslicht bei der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa zu werden. Die Finanzsituation der sozialen Pflegeversicherung ist schlecht: Es drohen erhebliche Beitragserhöhungen. Zudem kündigen immer mehr Unternehmen den Abbau von Arbeitsplätzen an deutschen Standorten an.
Kriselnder Industriesektor
Deutschlands wirtschaftliche Stärke gründete in seiner Industrie. Doch ausgerechnet dort häufen sich die Probleme.
Wie es so weit kommen konnte und welche Wege zurück auf den Wachstumspfad führen, wird am Mittwoch während einer von der Unionsfraktion beantragten Aktuellen Stunde mit dem Titel „Die deutsche Wirtschaft in der Rezession – Wirtschaftswende statt Wunschdenken“ debattiert.
AfD fordert Abschaffung des Lieferkettensorgfaltsgesetzes
Die Wirtschaft hat das Lieferkettensorgfaltsgesetz von Anfang an kritisch beäugt. Das Gesetz ist seit dem 1. Januar 2023 für Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitern in Kraft.
Ab dem 1. Januar 2024 sind auch Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern dazu verpflichtet, Risikomanagementsysteme aufzubauen, Beschwerdemechanismen einzurichten und regelmäßige Prüfungen durchzuführen, dass in der eigenen Lieferkette keine Menschenrechts- oder Umweltverstöße begangen werden. Ein Aufwuchs an Bürokratie ist damit verbunden – im Grunde das Gegenteil von dem, was die Ampel zur Ankurbelung der Wirtschaft für nötig hält. Selbst Wirtschaftsminister Harbeck kritisiert inzwischen das Gesetz.
Einer von der AfD-Fraktion geforderten Abschaffung der Regelung wird der Bundestag am Mittwoch gleichwohl voraussichtlich nicht zustimmen: Die von allen anderen Fraktionen mitgetragene Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses sieht die Ablehnung des Antrags vor.
Ein Jahr Krieg in Nahost: Debatte anlässlich des Überfalls der Hamas auf Israel am Donnerstag
Am 7. Oktober 2023 überfiel die islamistische Terror-Organisation Hamas Israel. Mehr als 1.200 Israelis wurden getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Die seitdem andauernde Selbstverteidigungs-Mission der israelischen Armee verfolgt das Ziel, die Strukturen von Terrororganisationen wie Hamas und Hisbollah in Gaza wie auch im Libanon zu zerstören.
Über die Situation im Nahen Osten, aber auch die antiisraelischen Demonstrationen auf deutschen Straßen und die Stellung der Bundesregierung in dem Konflikt berät der Bundestag am Donnerstagmorgen in einer Vereinbarten Debatte mit dem Titel „7. Oktober: Ein Jahr nach dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel.“
Bundesverfassungsgericht soll vor Entmachtungsversuchen geschützt werden
Ampel und Union wollen das Bundesverfassungsgericht besser vor möglichen Entmachtungsversuchen durch extreme Parteien schützen. Über zwei dazu vorgelegte Gesetzentwürfe von Koalition und Union sowie dem fraktionslosen Abgeordneten Stefan Seidler berät das Parlament am Donnerstag erstmals.
Nötig für die Grundgesetzänderung ist eine Zweidrittelmehrheit. Daher ist auch die Union an Bord. Nicht beteiligt an der Ausarbeitung der Gesetzentwürfe war die AfD. Wenig verwunderlich, da aus Sicht aller anderen Parteien die AfD die Partei ist, die – im Falle einer vorhandenen einfachen Mehrheit im Bundestag – die Institution Bundesverfassungsgericht per Gesetz zu schwächen versuchen könnte.
Derzeit nämlich können wichtige Eckdaten des Bundesverfassungsgerichts mit einfacher Mehrheit geändert werden. Das soll sich künftig ändern.
Wird die Forderung der Union nach Zurückweisungen an den Grenzen zum Dauerbrenner?
Erneut auf der Tagesordnung findet sich ein Antrag der Unionsfraktion mit dem Titel „Für eine echte Wende in der Asyl- und Migrationspolitik – Zurückweisungen an den deutschen Grenzen vornehmen“. Er sollte nach dem Wunsch von CDU und CSU gleich nach der ersten Befassung im Parlament abgestimmt werden, was die Ampelkoalition ablehnte. Nach der Beratung im Innenausschuss sollte der Antrag gemeinsam mit dem Zustrombegrenzungsgesetz – ebenfalls von der Union – in der vergangenen Woche abgestimmt werden. Doch daraus wurde nichts, weil der Innenausschuss beide Vorlagen von seiner Tagesordnung strich und dem Bundestag infolgedessen keine Beschlussempfehlung vorlag. Wie der Ausschuss in dieser Woche agiert, wird sich zeigen. Auf der Tagesordnung finden sich sowohl der Antrag als auch der Gesetzentwurf.
Das Ganze könnte zu einer weiteren Zerreißprobe der Ampel werden. Prominente FDP-Abgeordnete wie beispielsweise Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki und FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatten angekündigt, einer Unionsforderung nach Zurückweisung an deutschen Grenzen zustimmen zu wollen.
Bundesförderung für die Kita-Betreuung: Vier Milliarden Euro über zwei Jahre
Das Thema bewegt ganz Deutschland. Zuallererst natürlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kitas sowie Eltern kleiner Kinder. Am Ende ist die Situation in der Kita-Betreuung aber auch ein wichtiges Thema mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Das Stichwort lautet Fachkräftemangel – und zwar doppelt. Zum einen, weil Eltern nicht arbeiten können, wenn ihr Kind nicht angemessen betreut wird. Zum anderen ist aber auch unstrittig, welche große Rolle frühkindliche Bildung für die Entwicklung junger Menschen, und damit der Fachkräfte der Zukunft, spielt.
Erst am Montag wurde im Petitionsausschuss über die Forderung nach bundesweiten Qualitätsstandards in der Kita-Betreuung diskutiert. Die entsprechende Petition wurde mehr als 220.000 unterzeichnet. Bei der Sitzung standen ebenfalls die Fachkräfte im Mittelpunkt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kitas nämlich, die angesichts der aktuellen Mangelsituation sehr stark unter Druck stehen und in großer Zahl den Beruf verlassen. Mit dem am Donnerstagabend abzustimmenden Gesetz werden zwar (noch) keine bundesweiten Qualitätsstandards gesetzt. Zumindest wird aber eine Bundesförderung von vier Milliarden Euro über zwei Jahre festgeschrieben.
„Überragend“ wichtige Mobilfunkmasten: Beschleunigung für Netzausbau Thema am Freitag
Der Bau von Mobilfunkmasten soll künftig „überragend“ wichtig sein - zumindest unter bestimmten Bedingungen. Das sieht das TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetz der Bundesregierung vor, das am Freitagvormittag in erster Lesung beraten wird. Innerhalb der Bundesregierung war der Entwurf lange umstritten. Beim FDP-geführten Digitalministerium setzte man sich dafür ein, dass der Bau von Mobilfunkmasten und die Verlegung von Glasfaserleitungen „im überragenden öffentlichen Interesse“ sein sollten, statt nur „im öffentlichen Interesse“.
Mehr zum Ausbau der digitalen Infrastruktur
Die Union will höhere Mindeststandards für Internetversorgung, die Ampel betont Fortschritte beim Glasfaserausbau. Wie es um das Recht auf schnelles Internet steht.
Das Wörtchen „überragend“ sorgt nämlich dafür, dass die Bauvorhaben an einigen Stellen höher priorisiert werden können als Umweltvorschriften. Daher gab es auch Widerstand aus dem grünen Umweltministerium, wo das Schleifen von Umweltschutzvorschriften argwöhnisch betrachtet wird. Nun steht ein Kompromiss: Das überragende Interesse wird dem Bau von Mobilfunkmasten zugebilligt. Dann zumindest, wenn dadurch Funklöcher behoben werden.
Alle Debatten im Livestream des Parlamentsfernsehens verfolgen