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Vor 40 Jahren : "Auschwitz-Lüge" wird strafbar

Wie weit reicht die Meinungsfreiheit? Der Kampf um die „Auschwitz-Lüge“ zeigt, wie umstritten die Grenzen zwischen freier Meinung und strafbarem Verhalten sind.

15.04.2025
True 2025-04-15T10:22:26.7200Z
2 Min

Selten wurde die Frage, wie weit die Grenzen der Meinungsfreiheit gehen, wo sie aufhören und strafrechtlich relevantes Verhalten beginnt, in Deutschland so kontrovers und emotional diskutiert wie heute. Insbesondere soziale Netzwerke haben dem Thema eine neue Qualität verliehen. Doch schon bevor es das Internet gab, wurde über die Frage gestritten, was legitime Meinung ist und was wie bestraft werden soll: Mitte der 1980er Jahre wurde darüber debattiert, wie man in der Bundesrepublik mit der sogenannten "Auschwitz-Lüge" umgehen solle.

Das Gesetz bezog sich auch auf das Abstreiten von Verbrechen anderer Willkürherrschaften

Immer wieder erschienen Publikationen, die die Existenz von Judenverfolgung und Gaskammern abstritten. Am 25. April 1985 beschloss der Bundestag eine Verschärfung des Strafrechts. War bislang ein Strafantrag - beispielsweise eines Holocaust-Überlebenden - notwendig gewesen, wurde das Leugnen des Judenmordes während der NS-Herrschaft fortan von Amts wegen von Staatsanwaltschaften wegen Beleidigung verfolgt. Durch das Gesetz konnte aber auch das Abstreiten von Verbrechen anderer Gewalt- und Willkürherrschaften geahndet werden.

Foto: picture alliance / Sueddeutsche Zeitung Photo

Die FDP-Abgeordnete Hildegard Hamm-Brücher stimmte gegen ihre Partei für einen Antrag der SPD, der das Leugnen von NS-Verbrechen unter Strafe stellen sollte.

Unter anderem deshalb gab es Kritik an dem Gesetz. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Heinz Galinski, kritisierte diese juristische Gleichstellung, der letztlich eine "ungeheuerliche Aufrechnungstheorie" zugrunde liege. Außerdem sei die Ahndung des Leugnens und der Verharmlosung des Nazi-Terrors als eine Beleidigung nicht zu akzeptieren, weil diese nach dem Strafrecht eine der geringfügigsten Straftaten darstellt. Dies werde den NS-Verbrechen in keiner Weise gerecht.

Die SPD forderte, das Leugnen der Naziverbrechen als einen eigenen Straftatbestand einzuführen. Für einen entsprechenden Entwurf stimmte neben den Sozialdemokraten die FDP-Abgeordnete Hildegard Hamm-Brücher und wich damit von der Linie ihrer Partei ab: Bundesjustizminister Hans Engelhard (FDP) betonte in der Debatte etwa, dass "die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft ausdrücklich hervorgehoben und im Gesetzestext niedergelegt" worden sei. Weiter wollten Union und FDP nicht gehen.

Verfassungsrichter: Den Holocaust zu leugnen ist keine Meinungsfreiheit

"Wir wissen, dass in einer Demokratie Radikale von rechts und links ertragen werden müssen", sagte die CDU-Abgeordnete Renate Hellwig. "Jede freiheitliche Demokratie steht und fällt mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit" und im “offenen politischen Meinungskampf müssen Unwahrheiten - auch mit dem Pseudoanspruch der Wahrheit - ertragen werden können.”

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Noch kompromissloser hatte sich im Vorfeld der Debatte Unionsfraktionsvize Theo Waigel (CSU) geäußert. Wer heute noch so verrückt sei, den Nazi-Völkermord an Juden zu leugnen, sei im Prinzip ein Fall fürs Irrenhaus, aber nicht für den Staatsanwalt, zitierte ihn der "Spiegel". Schließlich gehöre es "zum Wesen unseres Rechtsstaates und unserer Demokratie, straflos Unsinniges, Falsches und Törichtes behaupten zu können".

1994 wurde das Gesetz dennoch verschärft. Die "Auschwitz-Lüge" erfüllte nun den Straftatbestand der Volksverhetzung, auf den bis zu fünf Jahre Haft standen. Gleichzeitig stellte das Bundesverfassungsgericht fest, wer den Holocaust leugnet, äußere nicht seine Meinung, sondern stelle eine falsche Tatsache auf.

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