Aktuelle Stunde zur Weltlimakonferenz : Verhandeln unter verschärften Bedingungen
Wie es nach Trump-Sieg und Ampel-Aus in der Klimapolitik weitergehen kann, wird auch im Bundestag hitzig diskutiert. In einem Punkt sind sich die meisten aber einig.
Rund 40.000 Teilnehmer aus fast 200 Staaten, darunter Delegierte, Umweltschützer, Wirtschaftslobbyisten und Wissenschaftler, dazu mehr als hundert Staats- und Regierungschefs: Seit Montag beraten sie auf der 29. Weltklimakonferenz im aserbaidschanischen Baku über Wege zur Begrenzung der globalen Erwärmung. Im Zentrum der diesjährigen COP - Abkürzung für "Conference of the Parties" - stehen aber nicht so sehr die Verhandlungen über neue Klimaziele, sondern über Geld für den Klimaschutz. Konkret sollen die Unterzeichner-Staaten des Pariser Klimaabkommens einen neuen Finanzrahmen für die Zeit nach 2025 vereinbaren.
Arme Staaten fordern 1,3 Billionen Dollar von den Industriestaaten
Bislang stellen die Industrieländer jährlich 100 Milliarden US-Dollar an öffentlichem und privatem Geld bereit, um ärmeren Ländern bei Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen zu unterstützen. Seit 2020 besteht bereits die Verpflichtung, erfüllt wurde sie allerdings erstmals 2022 - und ausreichend sind die Mittel bei weitem auch nicht. Laut Umweltorganisationen wie Germanwatch etwa braucht es mindestens eine "Verzehnfachung der bislang mobilisierten 100 Milliarden" für Klimaschutz, Anpassung und die Bewältigung von Schäden durch Wetterextreme.
Wie viel Geld sollen Entwicklungsländer künftig von den Industriestaaten für die Klimaanpassung erhalten? Um diese Frage dreht sich im Kern die COP 29.
Vertreter der ärmeren Staaten legten in Baku jetzt sogar nach und forderten 1,3 Billionen US-Dollar von den reichen Industriestaaten. Doch die Chancen auf Erfüllung dieser Forderung stehen eher schlecht: Nach der Wahl Donald Trumps zum nächsten US-Präsidenten ist zu erwarten, dass die USA erneut aus dem Pariser Klimaabkommen austreten werden. Damit würde nicht nur der nach China weltweit zweitgrößte Verursacher von CO2-Emissionen dem internationalen Klimaschutz den Rücken kehren, sondern auch einer der wichtigsten Geldgeber.
Auch Deutschland, das sonst international als Vorreiter und verlässlicher Partner gilt, ist seit dem Bruch der Ampelkoalition vier Tage vor Start der Konferenz angeschlagen. "Lange Zeit konnten wir sagen, im Zweifel legen wir noch etwas drauf", sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) noch vergangene Woche im Unterausschuss Internationale Klima- und Energiepolitik im Bundestag mit Blick auf die inzwischen veränderte Haushaltslage. Nach dem Ampel-Aus sind höhere Finanzzusagen nun nahezu ausgeschlossen. Die Bundesregierung fordert daher, dass sich auch China und die Golfstaaten an der Klimafinanzierung beteiligen. Zudem brauche es mehr private Klimainvestitionen.
Neue Rekorde bei Treibhausgasemissionen und Temperaturen
Gleichzeitig deuten neueste Auswertungen der internationalen Forschungsinitiative Global Carbon Project darauf hin, dass die klimaschädlichen Emissionen durch die Nutzung von Öl, Gas und Kohle in diesem Jahr einen Höchstwert erreichen werden. Und nicht nur das: 2024 wird laut Daten des Erdbeobachtungsprogramms Copernicus wohl das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen sein. Eine Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst 1,5 Grad im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten hatten sich die Unterzeichner-Staaten des Pariser Abkommens eigentlich vorgenommen.
Im Bundestag versuchten Mitglieder der Koalition in einer Aktuellen Stunde zur COP 29 am Mittwoch dennoch Optimismus zu verbreiten: Lisa Badum (Grüne) nannte Trumps Wiederwahl zwar eine "kalte Dusche", die man manchmal brauche, um aufzuwachen und zu handeln. Die Weltklimakonferenz dürfe man gerade jetzt nicht den "Klimaleugnern und Öldiktatoren" überlassen, so Badum auch mit Blick auf das Gastgeberland des Gipfels: Aserbaidschan, eine autoritär regierte Ex-Sowjetrepublik, stützt seine Exportwirtschaft zu 90 Prozent auf Öl und Gas. Die freie Welt müsse dort ihr Gesicht zeigen, sagte Badum. Sie betonte, die deutsche Delegation unter Leitung der Außenministerin sei gut vorbereitet, 40 enge bilaterale Partnerschaften habe man geschmiedet.
“Deutschland wird als Vorbild gebraucht”
Mit 65 Prozent der Erneuerbaren im Energiemix sei Deutschland weltweit ein Vorreiter der Energiewende. Es werde in Baku als Vorbild gebraucht, unterstrich auch Nina Scheer (SPD). Beide Abgeordnete warnten davor, wie bereits von der Union angedacht, den Kohleausstieg zu verlangsamen und die Wärmewende rückabzuwickeln - das sei angesichts des weltweiten Booms der Erneuerbaren Energien falsch. Die Transformation müsse fortgesetzt werden, unterstützt von Investitionen in "zukunftstaugliche Technologien", für die man "natürlich die Schuldenbremse lockern und reformieren" müsse, forderte Scheer.
Andreas Jung (CDU) wies die Vorwürfe zurück, indem er auf die Anfänge des internationalen Klimaschutzes erinnerte: Es seien der damalige Umweltminister Klaus Töpfer und Kanzlerin Angela Merkel gewesen, die diesen Prozess maßgeblich vorangetrieben hätten. Trotz unterschiedlicher Vorstellungen habe man doch das gemeinsame Interesse, betonte Jung, der Menschheitsfrage Klimawandel eine "entschiedene Antwort zu geben". Die deutsche Delegation in Baku sah er jedoch durch das Ampel-Aus geschwächt: “Sie haben keine Mehrheit im Bundestag.”
Dem widersprach Ralph Lenkert (Linke): Für Klimaschutz gebe es Mehrheiten, es brauche keine Koalition: "Wenn wir wollen, wenn wir uns einigen, können wir als Abgeordnete alles entscheiden."
Lukas Köhler (FDP) warnte trotzdem die Delegation davor, finanzielle Zusagen zu geben, "für die Sie im Parlament keine Mehrheit kriegen würden". Das beste und kostengünstigste Mittel für die Reduzierung von CO2-Emissionen sei ohnehin der internationale Emissionshandel, so Köhler. Die Einigung am Dienstag auf einheitliche UN-Standards für den globalen Handel mit Emissionsgutschriften sei insofern "eine gute Nachricht".
Baerbock: “Klimaschutz ist eine hochbrisante sicherheitspolitische Frage”
Panikmache und Manipulation unterstellte Steffen Kotré (AfD) kollektiv den anderen Parteien, Wissenschaftlern und Medien. Die Daten zum Klimawandel würden bewusst "frisiert", behauptete er. Der Weg der CO2-Vermeidung sei falsch, richtig sei die Anpassung an eine "wie auch immer geartete Klimaveränderung".
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die zum Ende der Debatte das Wort ergriff, appellierte dennoch unbeirrt und eindringlich, trotz Rückschlägen den "Kopf nicht in den Sand zu stecken". Die Zeit laufe, um den Klimawandel "noch irgendwie in den Griff zu bekommen". Angesichts zunehmender Wetterextreme und damit auch zu erwartender Krisen und Konflikte lohne es sich, um jedes "Zehntelgrad" zu kämpfen. Klimaschutz sei inzwischen eine "hochbrisante sicherheits- und geopolitische Frage".