Kommission dringt auf Reform des EU-Haushalts : Das Ringen um Geld, Macht und Prioritäten beginnt
In der EU haben die Beratungen über den Haushalt 2026 begonnen. Schwierig dürften vor allem die Verhandlungen über den neuen Mehrjährigen Finanzrahmen werden.
Der Europäischen Union steht mitten in den internationalen Krisenlagen ein Großkonflikt in eigener Sache bevor: Wie viel Geld kann die EU in den nächsten Jahren ausgeben, welchen Spielraum ermöglichen die Mitgliedstaaten? Einen Entwurf für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für die Jahre 2028 bis 2034, der genau das festlegen wird, will die EU-Kommission im Juli vorlegen, aber schon jetzt entbrennt hinter den Kulissen der Kampf um die Milliarden.
Der Druck ist groß: Für Verteidigung, die Unterstützung der Ukraine und ihre Vorbereitung auf den geplanten EU-Beitritt sowie die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit wird viel Geld zusätzlich benötigt – gleichzeitig müssen aber ab 2028 rund 30 Milliarden Euro pro Jahr für die Rückzahlung der während der Corona-Pandemie aufgenommenen gemeinsamen Schulden aufgewendet werden.

Das Europäische Parlament entscheidet zusammen mit dem Rat der Europäischen Union über den gesamten Jahreshaushalt der EU. Die Abgeordneten haben dabei das letzte Wort.
Angesichts dieses Bergs an Problemen verliert eine naheliegende Aufgabe der EU-Haushälter plötzlich an Brisanz: Im Schatten des beginnenden Milliarden-Streits haben die Vorarbeiten für den EU-Haushalt für 2026 begonnen - im ruhigen Debattenton, ohne große Aufregung. Der Haushalt 2026, der voraussichtlich ein Volumen um die 200 Milliarden Euro haben wird, ist der vorletzte im Rahmen des laufenden Mehrjährigen Finanzrahmens, der jeweils für sieben Jahre die Grenzen der EU-Ausgaben festlegt.
EU-Parlament hat seine Leitlinien für den Haushalt beschlossen
Verabschiedet werden soll der Etat erst im November, die Kommission wird ihren Vorschlag Anfang Juni vorlegen, wie Haushaltskommissar Piotr Serafin im EU-Parlament zu Beginn der letzten Sitzungswoche am 31. März in Straßburg erklärte. Aber das Haushaltsverfahren bestimmt, dass Parlament und Rat der Mitgliedstaaten schon im Vorfeld des Kommissionsvorschlags jeweils ihre Leitlinien für die Haushalts-Prioritäten festlegen. Am 2. April hat das EU-Parlament seine Vorstellungen mit der breiten Mehrheit von 441 Ja-Stimmen, 173 Nein-Stimmen und 70 Enthaltungen beschlossen.
„Nach zähen Verhandlungen haben wir eine ausgewogene Leitlinie erarbeitet, die die Werte und Ideale aller Fraktionen respektiert.“
Die Leitlinien sehen vor, dass sich der Haushalt des nächsten Jahres auf strategische Vorsorge und Sicherheit, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz, Nachhaltigkeit, Klima und den Binnenmarkt konzentrieren sollte. Die Abgeordneten fordern zusätzliche Investitionen in Forschung, Innovation, Unternehmen, Gesundheit, Energie, Migration, Grenzschutz, digitalen und ökologischen Wandel, Schaffung von Arbeitsplätzen und Chancen für junge Menschen.
„Nach zähen Verhandlungen zwischen unseren Fraktionen haben wir eine ausgewogene Leitlinie erarbeitet, die die Werte und Ideale aller Fraktionen respektiert“, erklärte der Berichterstatter Andrzej Halicki, ein polnischer Abgeordneter der christdemokratischen EVP-Fraktion. Der Kompromiss unterstreiche zentrale Prioritäten, darunter Verteidigung, Sicherheit, Krisenreaktion, Demokratie und eine stärkere Union in einer sich wandelnden Welt.
Parlamentarier betonen Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit
Auch wenn das Budget 2026 nur eine begrenzte Flexibilität bietet, da es das vorletzte im langfristigen EU-Haushalt ist, verweisen die Abgeordneten auf die Schlüsselrolle der Ausgabenplanung, um Stabilität für die Europäer zu gewährleisten, etablierte Politiken zu unterstützen und strategische Prioritäten wie Verteidigung und Sicherheit zu berücksichtigen. Der Verhandlungsführer der Sozialdemokraten, Nils Ušakov aus Lettland, betonte: „Wir stehen an der Seite von Geflüchteten, die durch mehrere Krisen aus ihrer Heimat vertrieben wurden, und an der Seite von Frontstaaten wie den baltischen Ländern, deren Wirtschaft vom Krieg in der Ukraine hart getroffen wurde.“

EU-Haushaltskommissar Piotr Serafin (rechts), hier im Februar mit EU-Innenkommissar Magnus Brunner in Brüssel, bremst die Erwartungen. Der Spielraum für neue Vorhaben sei gering.
Auf diese Herausforderung konzentriert sich auch der Rat der Mitgliedstaaten, der seine Leitlinien bereits Mitte Februar beschlossen hatte. Die Ukraine müsse weiterhin so lange und so intensiv wie nötig finanzielle Unterstützung erhalten, auch für den langfristigen Wiederaufbau, erklärten die EU-Finanzminister in ihrem Beschluss. Gleichzeitig brauche es Spielräume, um auf unvorhergesehene Umstände reagieren zu können, und natürlich Mittel, um die Unionsprogramme umsetzen zu können. Der Rat fordert deshalb strenge Haushaltsdisziplin von allen EU-Institutionen.
Mit dem Budgetentwurf der EU-Kommission wird Ende Mai gerechnet
Von der EU-Kommission erwarten die Mitgliedstaaten einen Budgetentwurf schon Ende Mai. Ganz so schnell wird es nicht gehen, machte Kommissar Serafin nun im Europaparlament klar. Zugleich tritt Serafin wie der Rat bei den Ausgabeerwartungen auf die Bremse: Der Spielraum für neue Vorhaben sei wegen des zu Ende gehenden Mehrjährigen Finanzrahmens sehr begrenzt. Entscheidend sei, im Budget noch Ressourcen für Mehrausgaben in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zu organisieren. Der Ukraine-Krieg und die internationalen Krisen erhöhten den Druck auf die EU, sich zu verteidigen und Partner zu unterstützen. Noch vor Ostern wollen Vertreter der Kommission, des Parlaments und des Rats in einem Trilog über die Leitlinien und den Zeitplan diskutieren.
Doch parallel läuft längst die politische Großdebatte über die künftige Finanzausstattung: Aus einigen Mitgliedstaaten kommt schon der Ruf, die EU müsse sich bei der nächsten langfristigen Haushaltsplanung ab 2028 stärker auf das Wesentliche konzentrieren, also auf strategische Prioritäten wie Verteidigung, Wettbewerbsfähigkeit und Migration. Dafür müsse die EU auch prüfen, was und wo sie weniger tun könne, mahnt die niederländische Regierung in einem Schreiben an das Parlament. Andere Mitgliedsstaaten wie Spanien fordern dagegen eine üppige Erhöhung der EU-Ausgaben, finanziert auch durch neue gemeinsame Schulden.
Kommission plant grundlegende Reform des EU-Haushalts
Als wäre dieser Konflikt nicht groß genug, würde die EU-Kommission am liebsten eine grundlegende Reform in der Haushaltsplanung durchsetzen, bei der Dutzende Ausgabenprogramme zu wenigen Fonds zusammengelegt würden, mit mehr Steuerungsmöglichkeiten für die Kommission und mehr Flexibilität für die Mitgliedstaaten. Das Parlament verteidigt aber seine Macht. Berichterstatter Halicki sagte, mit den Leitlinien für den Haushalt 2026 habe das Parlament der Kommission und dem Rat gezeigt, dass es ein ernstzunehmender Akteur sei, „der voll und ganz bereit ist, die Prioritäten unserer Bürgerinnen und Bürger zu verteidigen.“
Der Autor ist EU-Korrespondent der Funke-Mediengruppe.
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