
Schwarz-rote Koalition : Koalitionsvertrag kommt in turbulenten Zeiten
Wochenlang haben CDU, CSU und SPD verhandelt. 45 Tage nach der Wahl liegt nun der Koalitionsvertrag vor. Die Parteigremien müssen der Vereinbarung noch zustimmen.
Nach rund vier Wochen mit intensiven Verhandlungen haben sich Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag verständigt. Die vier Parteichefs Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU), Lars Klingbeil und Saskia Esken (beide SPD) traten am Mittwochnachmittag im Paul-Löbe-Haus im Bundestag vor die Presse und verkündeten vor zahlreichen Zuschauern das mit Spannung erwartete Ergebnis. Der Koalitionsvertrag trägt den Titel „Verantwortung für Deutschland“ und ist 146 Seiten lang.
In den Tagen zuvor hatte die sogenannte 19er Runde mit den Parteichefs in wechselnden Besetzungen und teilweise langen Sitzungen über schwierige Punkte verhandelt. Die Einigung kam letztlich etwas früher als geplant. Vermutlich hat die Zuspitzung des von den USA ausgehenden globalen Zollkonflikts in dieser Woche zur Beschleunigung beigetragen, denn von Deutschland wird erwartet, möglichst bald mit einer neuen, stabilen Bundesregierung international aufzutreten. Die Kanzlerwahl im Bundestag könnte dem Vernehmen nach am 7. Mai stattfinden.
Die Aufteilung der Ministerien ist geklärt, die Personalien noch nicht
Die Koalitionsvertrag beinhaltet bereits eine Aufteilung der Ministerien auf die drei Parteien, aber noch keine Personalien. Klingbeil wies darauf hin, dass die Entscheidung darüber, wer Minister oder Ministerin wird, erst nach dem Mitgliedervotum zum Koalitionsvertrag getroffen und verkündet werden solle. Fest steht schon, dass die SPD sieben Ministerien bekommt, die CDU sechs und die CSU drei.
„Hinter uns liegt ein hartes Stück Arbeit, aber vor uns liegt ein starker Plan.“
Die SPD soll die Ministerien für Finanzen, Justiz und Verbraucherschutz, Arbeit und Soziales, Verteidigung, Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen bekommen.
An die CDU gehen die Ressorts Wirtschaft und Energie, das Auswärtige Amt, Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Gesundheit, Verkehr sowie das neue Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung. Die CSU übernimmt das Innenressort, Forschung, Technologie und Raumfahrt sowie Ernährung, Landwirtschaft und Heimat.
Parteichefs sehen im Verhandlungsergebnis ein Aufbruchssignal
Die Parteichefs sprachen bei der Vorstellung der Koalitionspapiers von einem Aufbruchsignal in schwierigen wirtschaftlichen und politischen Zeiten. Sie versprachen, Deutschland zu reformieren und zu modernisieren und dabei immer das Wohl der Bürger im Blick zu haben. Merz sagte: "Hinter uns liegt ein hartes Stück Arbeit, aber vor uns liegt ein starker Plan, mit dem wir unser Land gemeinsam wieder nach vorne bringen können." Deutschland bekomme eine „handlungsfähige und handlungsstarke Regierung".

Viel Gedränge im Paul-Löbe-Haus bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags. Die Parteichefs von CDU, CSU und SPD erläuterten der Presse die aus ihrer Sicht wichtigsten Inhalte.
Die neue Bundesregierung werde reformieren und investieren. Europa könne sich dabei auf Deutschland verlassen. Der Koalitionsvertrag beinhalte Instrumente zur Stärkung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit, Investitionsanreize und Steuersenkungen. Geplant sei eine Senkung der Körperschaftsteuer und der Stromsteuer sowie reduzierte Netzentgelte. Anstelle des Bürgergeldes werde eine neue Grundsicherung eingeführt. Laut Merz ist auch ein neuer Kurs in der Migrationspolitik vorgesehen.
Das Ziel sei, besser zu ordnen und zu steuern und die irreguläre Migration weitgehend zu beenden. Es werde Kontrollen an den Staatsgrenzen geben und Zurückweisungen sowie eine Rückführungsoffensive.
„Die Ausgangslage war schwierig, aber das Ergebnis kann sich sehen lassen.“
SPD-Chef Klingbeil sprach von einer Zäsur und der Erwartung, das Land gemeinsam voranzubringen. Es gehe darum, Brücken zu bauen über Parteigrenzen hinweg und eine stabile Regierung zu bilden. Im Koalitionsvertrag würden Prioritäten gesetzt. Das zusätzliche Geld über das Sondervermögen müsse sinnvoll für die Modernisierung der Infrastruktur eingesetzt werden.
Das Grundrecht auf Asyl soll nicht angetastet werden
Er betonte: „Die Bagger müssen arbeiten, und die Fax-Geräte müssen entsorgt werden.“ Familien würden in den Mittelpunkt gerückt und auch die Rechte von Bürgern mit Migrationsgeschichte geschützt. „Wir ordnen und steuern Migration mit klaren Regeln.“ Das Grundrecht auf Asyl bleibe unantastbar. Klingbeil sagte: "Die Ausgangslage war schwierig, aber das Ergebnis kann sich sehen lassen."
Zufrieden zeigte sich auch CSU-Chef Söder, der versprach: "Diese Koalition ist keine, die belehrt oder erzieht." Er räumte ein, dass die Verhandlungen schwierig gewesen seien. „Das war schon ein dickes Brett, das es zu bohren galt.“ Es habe in den Gesprächen auch „temperamentvolle Momente“ gegeben, der Aufwand habe sich aber gelohnt. Der Koalitionsvertrag sei die Antwort auf die Probleme unserer Zeit. “Jeder Satz ist Politik pur.”
Söder räumte ein, dass die gigantischen Summen des bereits beschlossenen Sondervermögens bei den Menschen Skepsis auflösen könnten. Gleichwohl sei die Entscheidung vorausschauend. Überdies wolle die Koalition milliardenschwere Einsparungen erreichen und weniger Bürokratie zulassen. In der Migrationspolitik sei ein Richtungswechsel gelungen. Die Verständigung der Parteien auf den Koalitionsvertrag sei ein wichtiges Signal, dass die Demokratie nicht abzuschreiben sei. Von einer Liebesheirat der Koalitionäre wollte Söder freilich nicht sprechen. „Liebe vergeht, Hektar besteht.“
Stabilisierung des Rentenniveaus soll Sicherheit vermitteln
Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken wertete die Gesprächsatmosphäre als ernsthaft und vertrauensvoll. „Wir haben gründlich und hart verhandelt.“ Ein Ziel habe darin bestanden, eine wirtschaftliche Dynamik zu entfachen, die auch den Beschäftigten und ihren Familien zugute kommen solle. Zudem wolle das Regierungsbündnis dafür sorgen, dass Wohnen wieder bezahlbar werde. Die Stabilisierung des Rentenniveaus solle Sicherheit vermitteln. Auch das von der Ampelkoalition eingeführte Deutschlandticket werde fortgesetzt. Investitionen in den Klimaschutz seien letztlich ein Wohlstandsversprechen.
Der Koalitionsvertrag muss noch von den Parteigremien gebilligt werden. Bei der CDU entscheidet der Bundesausschuss, der die Parteiführung umfasst und Vertreter aus den Landesverbänden, bei der CSU die Parteispitze. Die SPD plant einen Mitgliederentscheid.