
Bürgergeld und die Zukunft der Renten : Der Sozialstaat als Dauerbaustelle
Bürgergeld-Bezieher bekommen zu viel, Rentner zu wenig Geld? Diesen Eindruck vermitteln zumindest einige der Wahlprogramme.
Das Bürgergeld war schon ein Wahlkampfthema, als noch gar kein Wahlkampf war. Denn als es die Ampel-Koalition Ende 2022 durch den Bundestag brachte, war insbesondere bei der CDU/CSU-Fraktion, aber auch bei der AfD der Unmut groß. Seitdem schießen beide Parteien ein Dauerfeuer gegen das Bürgergeld ab, mit der Ankündigung, dieses im Falle eines Wahlsiegs wieder rückabwickeln zu wollen.
Das Bürgergeld hat 2023 die bis dahin geltende Grundsicherung "Hartz IV" abgelöst und dies nicht nur im Namen. Denn Bürgergeld bedeutet: ein stärkerer Fokus auf Weiterbildung und Qualifizierung statt auf Vermittlung in Arbeit um jeden Preis; mehr Kulanz bei Schonvermögen und Wohnungsgröße sowie mildere Sanktionen und höhere Regelsätze. Daran will die SPD auch nicht rütteln, weshalb sie das Bürgergeld in ihrem Wahlprogramm zwar verteidigt und ankündigt, aktive Arbeitsmarktpolitik stärker fördern zu wollen. Darüber hinaus spielt es keine große Rolle.
Die FDP war nie Fan des Bürgergelds, die CDU erst recht nicht
Anders im Wahlprogramm von CDU/CSU. Unter "Politikwechsel für Deutschland" verstehen die Parteien auch eine Abkehr vom Bürgergeld. Es soll durch eine "Neue Grundsicherung" ersetzt werden. Sie kündigen an, den Vermittlungsvorrang wieder einführen zu wollen, Arbeitsanreize durch eine Reform der Hinzuverdienstgrenzen zu stärken und Mitwirkungspflichten der Grundsicherungsbezieher konsequenter einzufordern. Eine Vermögensprüfung soll wieder vom ersten Tag des Bezugs an eingeführt und das Schonvermögen von der Zahl der Arbeitsjahre abhängig gemacht werden.
Die AfD kritisiert in ihrem Wahlprogramm, dass nur wenige Qualifizierungsmaßnahmen zu einer erfolgreichen Vermittlung in Arbeit führen würden und die höheren Regelsätze dazu geführt hätten, dass sich Arbeit nicht mehr lohne. Sie fordert unter anderem, erwerbsfähige Leistungsbezieher nach sechs Monaten zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten, ukrainische Flüchtlinge aus dem Bürgergeld auszugliedern und nicht erwerbsfähige Bürgergeldbezieher von Sozialämtern und nicht mehr in Jobcentern zu betreuen.
Die FDP war nie ein Fan des Bürgergeldes. Daran lässt das Wahlprogramm keinen Zweifel, denn gefordert wird eine grundlegende Reform "weg von einem alimentierenden Bürgergeld hin zu mehr Aktivierung". Erwerbsfähige Arbeitslose sollen zu einer "aktiven Bringschuld und Eigeninitiative inklusive Beweislast" verpflichtet werden. Bei fehlender Initiative sollen Sozialleistungen "Stück für Stück reduziert" werden.
Grüne: Einfacher Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung für Selbstständige
Die Grünen bekennen sich in ihrem Wahlprogramm ausdrücklich zu den Zielen des Bürgergeldes und wollen an ihm festhalten. Denn dies sei ein "wichtiger Schritt hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit" gewesen, schreiben sie. Das Bürgergeld solle vor Armut schützen, in dem es ein soziokulturelles Existenzminimum gewährleistet. "Wir lassen nicht zu, dass der Regelsatz darunter sinkt", schreiben die Grünen und kündigen unter anderem an, die Leistungen perspektivisch individualisieren und den Sozialstaat unbürokratischer machen zu wollen. Für Selbstständige soll es einen einfachen Zugang zu einer freiwilligen Arbeitslosenversicherung geben.
Die Linke fordert ein "Recht auf Existenzsicherung ohne Gängelung und Strafen" und kritisiert eine bewusste Kleinrechnung der Regelsätze. Die Partei fordert, das Bürgergeld zu einer "sanktionsfreien individuellen Mindestsicherung" in Höhe von rund 1.400 Euro monatlich (inklusive Wohnkosten) umzubauen.
Das BSW will das Bürgergeld durch "eine leistungsstarke und leistungsgerechte Arbeitslosenversicherung" mit einer besseren Absicherung für langjährig Versicherte umbauen. Den Missbrauch von Sozialleistungen bei gleichzeitiger Schwarzarbeit will das BSW unterbinden und fordert eine bessere Ausstattung der Jobcenter.
Alle versprechen stabile Renten - auf unterschiedlichen Wegen
Ähnlich hitzig wie Diskussionen über die staatliche Grundsicherung gestalten sich traditionsgemäß Debatten über die Rentenpolitik. Das haben die Streitereien in der Ampel-Regierung um das Rentenpaket II gezeigt, das wegen des Ampel-Aus nicht mehr verabschiedet werden konnte. Mit dem Rentenpaket II sollte das Sicherungsniveau der Renten bei 48 Prozent stabilisiert und dafür mittelfristig Beitragssteigerungen in Kauf genommen werden. Das stieß vor allem bei Union, FDP, aber auch AfD auf heftige Kritik.
In den Wahlprogrammen sind diese Fronten nun wiederzuerkennen. Die SPD steht zu den Zielen des Rentenpakets II und schreibt, wer jahrzehntelang Beiträge gezahlt habe, müsse auf dieses Versprechen vertrauen können. Die gesetzliche Rente müsse die erste starke Säule der Alterssicherung bleiben. Die Grünen formulieren es ähnlich und kündigen an, das gesetzliche Rentenniveau bei 48 Prozent stabilisieren zu wollen und die Grundrente zu einer Garantierente nach 30 Versicherungsjahren weiterzuentwickeln. Die Linke geht noch weiter und fordert ein Rentenniveau von 53 Prozent und die Verdopplung der Beitragsbemessungsgrenze. Außerdem ist sie strikt gegen eine kapitalgedeckte Finanzierung im Rentensystem. Das BSW fordert eine Mindestrente von 1.500 Euro nach 40 Versicherungsjahren und schlägt eine grundlegende Rentenreform nach dem Vorbild Österreichs vor.
Die CDU/CSU bekennt sich zum Renteneintrittsalter von 67 Jahren und zur Regelung für besonders langjährig Versicherte nach 45 Beitragsjahren ("Rente mit 63"). Wenn Menschen 45 Jahre gearbeitet haben, müsse die gesetzliche Rente deutlich oberhalb der Grundsicherung liegen. Auch wenn die SPD ihr dies vorwirft, verspricht die Union, "mit uns wird es keine Rentenkürzungen geben". Die Beitragssätze sollen aber ebenfalls stabil bleiben und längeres Arbeiten leichter werden.
Die AfD möchte, dass auch Politiker in die Rentenkasse einzahlen, und sie will Verbeamtungen deutlich einschränken. Außerdem sollen die "Chancen des Kapitalmarktes zur Sicherung der Renten besser genutzt werden". Das fordert auch die FDP in ihrem Programm. Die Liberalen wollen ferner einen "wirklich flexiblen Renteneintritt" und die Einführung eines Altersvorsorgedepots für die private Altersvorsorge.
Mehr zum Thema lesen

Um einen weiteren Anstieg der Beiträge zu vermeiden, wollen einige Parteien eine Bürgerversicherung einführen. Andere lehnen das strikt ab.

Seit die Bürgergeld-Reform vor zwei Jahren beschlossen wurde, tobt ein Streit um die Deutungshoheit. Der Blick auf einige Fakten kann helfen.

Die Abkehr von Hartz IV hat die Debatte keineswegs befriedet. Arbeitsmarktforscher Markus Promberger vom IAB wirft einen nüchternen Blick auf einige Fakten.