
Außen- und Sicherheitspolitik : Antworten auf multiple Krisen gesucht
Bedrohung durch Russland, Herausforderungen durch China, Verunsicherung durch die USA: Welche Lösungsvorschläge die Parteien in ihren Wahlprogrammen anbieten.
Außen- und Sicherheitspolitik sind gewöhnlich keine Themen, mit denen die Parteienvertreter an den Wahlkampfständen als erstes an die Leute treten. In diesem Wahlkampf ist das anders: Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, der "America-First"-Kurs der neuen US-Regierung, der Aufstieg Chinas und die Handlungsfähigkeit Europas: All das sorgt für Verunsicherung.
AfD und BSW fordern ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine
Einen großen Raum nimmt in den Wahlprogrammen der Parteien die Zäsur des russischen Angriffskriegs ein. Für die Parteien der politischen Mitte stellt Russland die größte Bedrohung für die europäische Sicherheitsordnung dar. Union, SPD, FDP und Grüne setzen auf die Unterstützung der Ukraine und die Abschreckung russischer Aggression durch konventionelle Aufrüstung: Europa müsse hier eigenständiger werden und mehr investieren. Graduell gibt es aber Unterschiede. Die SPD wendet sich gegen "Taurus"-Lieferungen an die Ukraine, sie warnt davor, das Deutschland mit der Bereitstellung dieses Marschflugkörpers in einen Krieg mit Russland hineingezogen werden könnte. Union, FDP und Grüne teilen diese Bedenken nicht und wollen die Ukraine so ausstatten, dass sie sich gegen Russland verteidigen und in mögliche Friedensverhandlungen aus einer Position der Stärke gehen kann.
Explizit gegen eine "Taurus"-Lieferung wendet sich das BSW: Die Partei fordert einen "Waffenstillstand ohne Vorbedingungen" und einen "realistischen Friedensplan", auch sollen die Sanktionen gegen Russland zurückgenommen werden. Das sieht auch die AfD so, sie betrachtet die Ukraine als neutralen Staat ohne EU- und Nato-Mitgliedschaft, außerdem wirbt sie für eine Instandsetzung der Nord-Stream-Pipeline und damit für russische Gaslieferungen. Mehr Solidarität mit der Ukraine findet sich im Wahlprogramm der Linken, die aber auch einen "Strategiewechsel" anmahnt: Statt immer mehr Waffen für die Ukraine zu liefern, sollten Deutschland und die EU mit China, Brasilien und anderen Ländern auf eine Verhandlungslösung drängen.
Unterschiedliche Positionen zu Nato-Erweiterung und Verteidigungsausgaben
Union, SPD, FDP und Grüne sehen hier viele Dinge ähnlich: Sie bekennen sich zur Verankerung Deutschlands im transatlantischen Bündnis und wollen eine gute Ausstattung für die Bundeswehr. Alle vier wollen zudem den "europäischen Pfeiler" innerhalb der Nato stärken und am Ziel festhalten, zwei Prozent des Brutto-Inlandsprodukts für Verteidigungsausgaben bereitzustellen, wobei klar wird, dass das eher als Untergrenze zu verstehen sein wird.
Unterschiede gibt es mit Blick auf eine Wiedereinführung der Wehrpflicht: SPD, Grüne und FDP wollen den freiwilligen Wehrdienst attraktiver machen, die Union kann sich ein "verpflichtendes Gesellschaftsjahr" vorstellen, das auch als Grundwehrdienst geleistet werden kann.
Wiedereinführung der Wehrpflicht ist strittig
Die AfD lehnt eine Erweiterung des Bündnisses - Stichwort Ukraine - indes klar ab. Betont wird der Auftrag der Landesverteidigung, die Bundeswehr soll zudem durch eine Wiedereinführung der Wehrpflicht gestärkt werden. Eine Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland lehnt die AfD entschieden ab.
Das gilt insbesondere auch für das BSW und Die Linke, die sich beide außerdem gegen das Zwei-Prozent-Ziel und die nukleare Teilhabe Deutschlands im Rahmen der Nato aussprechen. Beide Parteien stellen sich gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht, sie sind auch gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr. Das BSW spricht sich gegen Waffenlieferungen in Kriegsgebiete aus, Die Linke will Waffenexporte aus Deutschland grundsätzlich beenden.
China wird überwiegend als Herausforderung gesehen
Neben Russland beschreiben die Parteien China als außen- und handelspolitische Herausforderung. SPD, Grüne und FDP bezeichnen China als Partner, Wettbewerber und Systemrivalen - mit Betonung auf Rivalität. Die Union will diese Rivalität selbstbewusst annehmen und stellt die Stärkung europäischer Souveränität in den Vordergrund. Für alle vier Parteien steht dafür das Schlüsselwort "De-Risking" im Vordergrund, also weniger Abhängigkeit von China bei Rohstoffen und Produkten.
Das BSW sieht einen sich anbahnenden Handelskonflikt mit China mit weitreichenden Folgen für die deutsche Wirtschaft. Die AfD pocht auf realpolitische Interessen: China bleibe als Handelspartner für Deutschland von herausragender Bedeutung.
Weitgehend Konsens besteht zwischen Union und den Parteien der zerbrochenen Ampelkoalition mit Blick auf Europa: Die EU soll handlungsfähiger werden, zum Beispiel durch das Abrücken von einstimmigen Beschlüssen und der Einführung von qualifizierten Mehrheitsentscheidungen unter den Mitgliedsländern bei bestimmten Politikfeldern. Auch eine Erweiterung der EU - Ukraine, Moldau, Westbalkan - liegt für diese Parteien im übergeordneten Interesse. SPD, Grüne, FDP und auch die Linke wollen dem Europäischen Parlament ein Initiativrecht zugestehen, die Union dringt auf eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Bürokratieabbau.
AfD und BSW bleiben EU-skeptisch, wollen Nationalstaaten stärken
Große Skepsis dagegen beim BSW und insbesondere bei der AfD: Das BSW will keine weitere Zentralisierung von Macht bei der EU-Kommission, will Kompetenzen in die Mitgliedstaaten zurückverlagern. Die AfD hängt der Idee eines "Europas der Vaterländer" an und will die Umwandlung der EU in einen supranationalen Bundesstaat verhindern. Einen "Dexit" fordert sie nicht explizit, aber deutet ihn mit der Gründung eines "Bunds europäischer Nationen" an.
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