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Umstrittene Gruppenanträge : Soll die AfD verboten werden?

Der Bundestag ringt mit zwei Gruppenanträgen, die auf ein AfD-Verbot abzielen. Doch eine Entscheidung vor der Bundestagswahl ist unwahrscheinlich.

31.01.2025
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5 Min

Es war kein normaler Sitzungstag, dieser Donnerstag, an dem sich der Bundestag erstmalig mit einem Parteiverbotsverfahren gegen die AfD im Plenum befasste. Am Tag zuvor hatte das Parlament einen Antrag der Union zur Verschärfung des Migrationsrechts, der unter anderem direkte Zurückweisungen an den Grenzen vorsieht, beschlossen - und damit für einen Eklat gesorgt: Zum ersten Mal seit 1949 war eine Mehrheit im Bundestag mithilfe der in Teilen als rechtsextrem eingestuften AfD zustande gekommen, ausgerechnet an dem Tag, an dem der Bundestag der Opfer des Nationalsozialismus gedacht hatte. Für Freitag hatte die Union zudem ihr „Zustrombegrenzungsgesetz“ zur Beschränkung der illegalen Migration durchs Parlament aufsetzen lassen, auch hier Stand die Zustimmung der AfD im Raum.

Und mittendrin debattierte der Bundestag darüber, ebenjene Mehrheitsbeschafferin zu verbieten. Wie umstritten das ist, zeigte sich in der Debatte überdeutlich. Die Kritik an der AfD war fraktions- und gruppenübergreifend zwar groß, doch die Zweifel an einem Verbotsverfahren ebenso.

Ziel ist ein Prüfverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht

Anlass für die Beratung im Plenum waren zwei Gruppenanträge, die im Anschluss in den Innenausschuss überwiesen wurden. Sie zielen darauf ab, die Verfassungswidrigkeit der AfD vom Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen. Den ersten Antrag hat eine Gruppe von inzwischen 124 Abgeordneten Anfang November, noch vor dem Bruch der Ampel-Koalition eingebracht: Die Unterzeichner um Initiator Marco Wanderwitz (CDU), die verschiedenen Parteien angehören, dringen auf ein Prüfverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Die AfD wende sich gegen zentrale Grundprinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung, schreiben die Abgeordneten.

Foto: picture-alliance/PIC ONE/Ben Kriemann

Ein AfD-Verbot war eine der Forderungen der Demonstranten, die in vielen deutschen Städten im Januar 2024 zu Tausenden gegen einen Rechtsruck auf die Straße gingen.

Den zweiten Antrag haben 43 Parlamentarier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Dezember vorgelegt. Im Gegensatz zum Wanderwitz-Antrag schlagen sie vor, erst einen Gutachter zu beauftragen, um die Erfolgsaussichten eines etwaigen Verbots zu bewerten. Ein Verbotsverfahren könne nur Erfolg haben, wenn eine umfassende Grundlage an belastbaren Beweisen vorliege, hatte Renate Künast, eine der Initiatorinnen des Antrags betont.

Kritiker warnen vor einer Stärkung der AfD

Damit greift die Vorlage Zweifel auf, die in der Diskussion immer wieder gegen ein Verbotsverfahren angeführt werden - und auch am Donnerstag im Bundestag anklangen: Welchen Erfolg hat ein Verfahren, wo doch bereits in der Vergangenheit zwei Verbotsverfahren gegen die NPD gescheitert sind? Ist es nicht besser, die AfD politisch zu stellen? Und vor allem: Droht ein Verfahren die Partei nicht umso mehr zu stärken?

Argumente, die den sächsischen CDU-Abgeordneten Marco Wanderwitz, nicht überzeugen. Seit langem kämpft der ehemalige Ostbeauftragte der Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) für ein AfD-Verbot. Im November erklärte er, er ziehe sich aus der Politik zurück, um sich und seine Familie vor der Bedrohung durch Hass und Hetze zu schützen.

Antragsteller sehen sich durch Gerichturteile und Gutachten bestätigt

Die AfD sei keine Partei, "die mal eben ein bisschen rechts ist", sagte er im Plenum - und wandte sich an die Abgeordneten am rechten Plenumsrand direkt. “Sie sind Verfassungsfeinde, Sie sind Feinde unserer Demokratie. Sie sind Menschenfeinde.” Wanderwitz berief sich auf Gerichtsurteile sowie Gutachten und Stellungnahmen von Juristen, die gute Chancen für ein Verbot sehen. Dieses sei ein "scharfes Schwert", räumte Wanderwitz ein.

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Doch Deutschland könne die AfD nicht länger ertragen, ohne "irreparablen Schaden an seiner Substanz zu nehmen". Es sei eine "historische Verantwortung, die Tür in Karlsruhe zu öffnen". Auch Mitinitiatorin Carmen Wegge (SPD) sprach sich für ein Verbotsverfahren aus: Schon einmal sei in Deutschland die Demokratie durch eine demokratisch gewählte Partei abgeschafft worden, erinnerte sie an den Sieg der Nationalsozialisten bei der Reichstagswahl 1933. Dieses Mal müsse man früher handeln: "Nur weil eine Partei auf einem Wahlzettel steht, heißt es nicht, dass sie auch demokratische Ziele verfolgt."

Dass die Konfliktlinien nicht den Fraktionsgrenzen entsprachen, zeigten die Reden von Rechtspolitikern wie Johannes Fechner (SPD) und Ansgar Heveling (CDU), die gleichsam auf die hohen Hürden eines Verbotsverfahrens hinwiesen: Die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei allein reiche nicht aus, um sie zu verbieten, so Fechner. Es müsse eine "aktiv kämpferische, aggressive Haltung" vorliegen. Es brauche eine genaue Prüfung - und den Austausch mit den Sicherheitsbehörden, merkte Ansgar Heveling an. Ein Verbotsantrag erfordere daher ein enges Zusammenwirken von Bundestag und Bundesregierung gab er zu bedenken. Vor der Wahl sei eine solche Vorbereitung nicht mehr zu leisten.

Abgeordneten appellieren, "Courage" zu zeigen

Grünenpolitikerin Renate Künast drängte zum Handeln: "Es gibt Tage, da sind wir als Mitglieder dieses Hohen Hauses nicht einfach nur Fachabgeordnete, sondern müssen Courage zeigen". Das heiße, die Instrumente, "die zur Verteidigung der Demokratie ins Grundgesetz geschrieben wurden, auch anzuwenden". Und Fraktionskollegin Ricarda Lang fragte: "Was muss noch passieren? Wie viel weiter muss sich diese Partei noch radikalisieren, bis wir bereit sind, diesen Schritt zu gehen?"

Konstantin Kuhle (FDP) indes blieb bei seiner Ablehnung: Die AfD richte sich zwar in Teilen gegen die Verfassung und agiere als "Organ der hybriden Kriegsführung autoritärer Staaten". Doch eine Zustimmung würde das Gespräch mit Menschen, die "legitime Anliegen" hätten, abbrechen, warnte der Liberale mit Blick auf die Wählerschaft der AfD. Das könnten sich Demokraten nicht erlauben.

Martina Renner (Linke) verwies stattdessen darauf, dass es "ganze Landstriche" gebe, in denen Menschen Angst hätten, sich "als Bürgermeister oder in der Zivilgesellschaft "zu engagieren. Die Bedrohung steige "nachweislich mit AfD-Wahlerfolgen".

AfD warnt vor “Ausgrenzung von zwölf Millionen Wählerstimmen”

Gegen ein Verbot wandte sich naturgemäß die AfD: Peter Böhringer warf den Antragstellern vor, aus Unfähigkeit die AfD inhaltlich zu stellen, ein Verbot anzustreben. Das werde aber scheitern, zeigte sich der Abgeordnete überzeugt - nicht einmal die Einstufung der AfD als Verdachtsfall sei schließlich bislang rechtskräftig. Für die Ausgrenzung von "zwölf Millionen Wählerstimmen" brauche es mehr als die "anekdotische Evidenz", die das Bundesamt für Verfassungsschutz zusammengetragen habe.

Jessica Tatti (BSW) stellte sich auch gegen ein Verbotsverfahren. "Nicht alles, was juristisch möglich ist, ist auch politisch klug", sagte sie. Mit einer Politik gegen die Interessen der Bürger hätten die anderen Parteien die AfD überhaupt erst groß gemacht, so ihre Kritik. Wer nun glaube, sie mit einem Verbotsantrag "kleinzukriegen", irre schwer.

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