Von Mehrheit und Mitte : Union verliert Abstimmung über Vorstoß zur Migrationsbegrenzung
Die Union scheitert mit dem Versuch, ihr "Zustrombegrenzungsgesetz" auch mit Stimmen der AfD zu verabschieden. 338 Abgeordnete stimmten dafür, 349 gegen den Entwurf.
Zwei Tage nach der Annahme eines CDU/CSU-Entschließungsantrags für einen scharfen Kurswechsel in der Migrationspolitik mit den Stimmen der AfD ist die Unionsfraktion am Freitag damit gescheitert, ihren Entwurf eines “Zustrombegrenzungsgesetzes” im Bundestag mit ähnlichen Mehrheitsverhältnissen zu beschließen. In namentlicher Abstimmung votierten 349 Abgeordnete gegen den Gesetzentwurf, 338 stimmten dafür, fünf enthielten sich.
Im Einzelnen votierten 203 SPD-Parlamentarier gegen die Vorlage sowie 115 Grüne, 27 Linke und je zwei FDP- und fraktionslose Abgeordnete. Für den Gesetzentwurf stimmten neben 184 Unions-Parlamentariern auch 67 von der FDP, 75 von der AfD und sieben vom BSW sowie fünf fraktionslose. Die fünf Enthaltungen kamen von FDP-Abgeordneten. 41 Volksvertreter gaben ihre Stimme nicht ab, darunter zwölf von der Union und 16 von der FDP.
Stundenlange Verhandlungen der Fraktionsspitzen ohne Ergebnis
Der Aussprache und Abstimmung vorangegangen waren stundenlange Verhandlungen zwischen den Fraktionsführungen von SPD, Union, Grünen und FDP über einen letztlich wieder zurückgezogenen Vorschlag der Freidemokraten, den Gesetzentwurf in den Innenausschuss zurückzuüberweisen. Dabei wurde indes keine Einigung erzielt. Die Plenarsitzung des Parlaments wurde dazu nach Aufruf des Tagesordnungspunktes zunächst für drei Stunden unterbrochen. Die anschließende Aussprache war von gegenseitigen Schuldzuweisungen für das Scheitern der Gespräche geprägt.
Emotionale Debatte nach langer Unterbrechung
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warf der Unions-Führung vor, sie sei nicht zu Gesprächen "auf gleicher Augenhöhe" über gemeinsame Vorschläge bereit gewesen , sondern habe solche Verhandlungen zu ihren Bedingungen führen wollen. Zugleich appellierte er an den Vorsitzenden der Unionsfraktion, Friedrich Merz (CDU), die "Brandmauer" zwischen Union und AfD wieder "hochzuziehen".
Merz entgegnete, dass niemand seiner Partei der "in großen Teilen rechtsextremen" AfD die Hand reiche. Er werde vielmehr alles tun, damit sie "möglichst bald wieder eine Randerscheinung im politischen Spektrum der Bundesrepublik" wird. Die Menschen im Lande wollten aber Lösungen, damit sie sich "wieder sicher fühlen können". Dabei sei der Gesetzentwurf eine "kleine Antwort auf das große Problem, das unser Land beschwert".
Baerbock: "Schande vom Mittwoch" korrigieren
Annalena Baerbock (Grüne) kritisierte, mit der Abstimmung vom Mittwoch sei der Weg "ins Herz unserer Demokratie" frei gemacht worden. Nun gehe es darum, die "Schande vom Mittwoch" zu korrigieren.
Wolfgang Kubicki (FDP) warf im Gegenzug den Grünen vor, in den vergangenen Jahren versucht zu haben, jede Begrenzung der Zuwanderung "zu hintertreiben oder zu verschleppen".
Bernd Baumann (AfD) hielt Merz vor, er habe in der Migrationspolitik vorangehen wollen, dann aber wieder angefangen, zu zaudern und mit Rot-Grün zu verhandeln. Nur mit der AfD gebe es eine grundsätzliche Änderung in der Migrationspolitik.
Nach dem jetzt abgelehnten Gesetzentwurf der CDU/CSU sollte das "Ziel der Begrenzung der Zuwanderungssteuerung wieder als ausdrückliche übergeordnete Vorgabe für die Anwendung des Aufenthaltsgesetzes festgelegt" und der derzeit auf 1.000 Personen pro Monat begrenzte Familiennachzug zu Personen mit subsidiärem Schutz bis auf Weiteres beenden werden. Ferner sollte die Bundespolizei eine eigene Zuständigkeit für die Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen für Personen erhalten, die sie im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung in "ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich (Bahnhöfe) antrifft". Die Regelung soll Drittstaatsangehörigen aus Nicht-EU-Ländern ohne Duldung sowie solche mit einer Duldung wegen fehlender Reisedokumente umfassen. Als "aufenthaltsbeendende Maßnahmen" soll sie auch die Beantragung von Haft und Gewahrsam erlauben, um die Abschiebung zu sichern.
Zustimmung des Bundesrates galt als unwahrscheinlich
Die Maßnahmen dienen der Unions-Vorlage zufolge "zusammen mit umfassenden Grenzkontrollen und Zurückweisungen an den deutschen Grenzen der Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland". Grenzkontrollen und Zurückweisungen seien allerdings auf Basis des geltenden Rechts bereits möglich, "sodass insofern keine gesetzlichen Änderungen erforderlich sind", heißt es weiter.
Für dauerhafte Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen und der Zurückweisung "aller Versuche illegaler Einreise" hatte der Bundestag bereits am Mittwoch in der von der CDU/CSU vorgelegten Entschließung plädiert, die indes keine rechtliche Bindung entfaltet, sondern einen eher appellativen Charakter hat. Anders wäre das bei einem Gesetzesbeschluss des Bundestages, an den sich nach seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt auch die Bundesregierung zu halten hätte. Der Unions-Entwurf hätte indes noch der Zustimmung des Bundesrates bedurft, wobei die dafür erforderliche Mehrheit schon angesichts der zahlreichen Landesregierungen mit SPD- und/oder Grünen-Beteiligung als unwahrscheinlich galt.
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