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Rund die Hälfte der Weltbevölkerung sieht sich nach Zahlen des World Resources Institute mindestens einen Monat im Jahr ernster Wasserknappheit gegenüber - mit allen Folgen, die das für Landwirtschaft, Ernährung und damit Hunger hat.

Zwischen Knappheit und Überfluss : Wie der Klimawandel die Lebensgrundlage bedroht

Wasser wird knapper, gleichzeitig gefährlicher. Das Elixier des Lebens entwickelt sich immer mehr zur globalen Herausforderung - und schürt neue Konflikte.

09.08.2024
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6 Min

Wasser ist Leben, und Wasser bringt Zerstörung und Tod. Es ist die Grundlage allen Seins auf dem "blauen Planeten", und zugleich erleben es Millionen Menschen, auch in Deutschland, als unkalkulierbare Gefahr. Für die einen bringt es Starkregen und Sturzfluten, während andere fassungslos auf den rissigen Grund ausgetrockneter Wasserspeicher schauen. Bei keinem anderen Element liegen Lebensnotwendigkeit und Lebensgefahr so nah beieinander wie beim Wasser. Und keines hat der Klimawandel so sehr im Griff.

Steigende Temperaturen verändern überall auf der Welt die Niederschlagsmuster

Steigende Temperaturen lassen Polkappen und Gletscher schmelzen und damit die Meeresspiegel ansteigen. Mehr noch: 90 Prozent der Erwärmung wird von den Ozeanen aufgenommen, die sich dadurch zusätzlich ausdehnen. Und gleichzeitig verändern steigende Temperaturen überall auf der Welt die Niederschlagsmuster. Die "wasserbezogenen Risiken", so warnt der Weltklimarat IPCC in seinem jüngsten Sachstandsbericht, "steigen mit jedem Grad zusätzlicher Erwärmung". Extremwetter wie verheerende Fluten würden wahrscheinlicher, aber ebenso Dürren.

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Das trifft einmal mehr die Ärmsten am härtesten, aber es wird auch im reichen Deutschland spürbar. Vor allem im Frühjahr und Sommer etwa verzeichnet der Deutsche Wetterdienst über die letzten 60 Jahre eine "markant" zunehmende Trockenheit. Und wo das Wasser ausbleibt, wächst die Gefahr von Waldbränden. Trockene Jahre und Brände hat es immer gegeben. Aber in ihrer Häufigkeit sind sie neu in einem Land, das eigentlich von jeher gesegnet ist mit einem gemäßigten Klima.

Vier Milliarden Menschen haben mit Wasserknappheit zu kämpfen

An den Küsten wächst mit steigenden Meeresspiegeln die Gefahr schwerer Sturmfluten, während heftiger werdende Unwetter im Binnenland zu lokalen Überflutungen führen. Wie schnell das gehen kann, ist in Deutschland nicht erst seit dem Ahr-Hochwasser bekannt, und es wiederholt sich seither mit schwer kalkulierbarer Regelmäßigkeit, zuletzt in Bayern. Wenn es kommt, nimmt das Wasser das Land in die Zange.

Das alles freilich ist noch nichts gegen die existenziellen Probleme, die Abwesenheit von Wasser verursacht. Rund vier Milliarden Menschen, die Hälfte der Weltbevölkerung, sieht sich nach Zahlen des World Resources Institute mindestens einen Monat im Jahr ernster Wasserknappheit gegenüber - mit allen Folgen, die das auch für Landwirtschaft, Ernährung und damit Hunger hat. 25 Länder, Heimat für ein Viertel der Weltbevölkerung, leiden unter extremem Wasserstress. Eine wachsende Weltbevölkerung verschärft das Problem zusätzlich. Und eine steigende globale Durchschnittstemperatur erst recht.

Wassermangel führt zu Verteilungskonflikten bis hin zum Bürgerkrieg

Welche Folgen das für die globale Sicherheit hat, lässt sich schon jetzt beobachten. Den Krieg in Darfur 2004 nannte der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon nicht ohne Grund den "ersten Klimakrieg" - vorweggegangen waren Jahre der Dürre. Auch vor dem Bürgerkrieg in Syrien lagen vier Jahre desaströser Trockenheit. Inwieweit sich direkte Linien von Wassernot zu Kriegen ziehen lassen, ist umstritten. Sicher aber ist, dass ein existentieller Mangel zu Verteilungskonflikten führt. Er lässt Menschen aus Regionen mit wenig Wasser in Regionen mit mehr Wasser abwandern. Das birgt Stoff für neue Konflikte mit der dort lebenden Bevölkerung. Die Verfügbarkeit von Wasser wird so zunehmend auch zu einer Frage von Frieden und Sicherheit.

Jeden zehnten Flüchtling führen die UN auf Wassermangel zurück

Auch Europa kann sich dessen nicht entziehen. Die Zeit der "Klima-Flüchtlinge" ist längst angebrochen: Jeden zehnten Flüchtling weltweit führen die Vereinten Nationen auf Wassermangel zurück. Schätzungsweise 1,4 Milliarden Kubikkilometer Wasser gibt es auf der Erde, sie bedecken 71 Prozent der Erdoberfläche. Davon sind aber nur rund 2,5 Prozent Süßwasser. Von diesen 2,5 Prozent sind mehr als zwei Drittel in Form von Eis, Gletschern oder Schnee gebunden. Der Rest findet sich im Grundwasser oder in Seen. Das alles ist Teil eines fragilen Systems, in dem alles mit allem zusammenhängt, und in dem sich mit steigenden Erdtemperaturen eine ganz wesentliche Größe ändert. Der Klimawandel macht das Wasser, nach dem die einen dürsten, für andere zur Sintflut.

Was tun gegen Wassermangel?

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Für die nationale und internationale Politik steckt darin eine gigantische Herausforderung. Zum einen erinnert es noch einmal an die Dringlichkeit, über Klimaschutz nicht nur zu reden, sondern den Kurs Klimaneutralität ganz konkret einzuschlagen; dies zuallererst in der industrialisierten Welt. Auch der Debatte in Deutschland täte es gut, den vermeintlichen Belastungen durch ambitionierte Klimapolitik häufiger die Folgen gegenüberzustellen, die eine halbherzige Klimapolitik nach sich zieht. Sie werden auch in Deutschland spürbar werden.

Stadtgrün erfährt eine neue Bedeutung

Das verlangt national und international mehr Vorsorge. In Deutschland bedeutet es, Wasser gezielt in der Landschaft zu halten - indem etwa Moore nicht länger entwässert werden. Lange galt diese Entwässerung als großer Fortschritt, aus Mooren wurden so Weiden und Ackerland. Weite Teile Deutschlands sind deshalb von Gräben durchzogen. Aber diese Gräben transportieren ein Gut ab, von dem es auf Dauer nicht genug geben kann. Wie ein Schwamm könnten Moore Wasser speichern - für Zeiten, in denen es wochenlang nicht regnet. Auch Stadtgrün bekommt eine neue Bedeutung, wenn man Bäume und Parks auch als eine Form des Wasserspeichers sieht. Von der Kühlung einmal ganz abgesehen, die eine grüne Stadt erfährt.

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Unwetter führen immer öfter zu Überflutungen. Wie schnell das gehen kann, ist in Deutschland nicht erst seit dem Ahr-Hochwasser bekannt.

Umgekehrt wird sich das Land auf mehr und häufigeren Starkregen vorbereiten müssen, wie er zuletzt das Saarland und Teile Süddeutschlands heimgesucht hat. Es wird mehr Auen brauchen, die Hochwasser aufnehmen können, zurückverlegte Deiche und renaturierte Flüsse. Sie können helfen, das Wasser zu bremsen. Es ist eben beides: lebensnotwendig und stete Gefahr.

Weiterhin gilt: Es geht beim Klimaschutz um jedes Zehntelgrad weniger Erderwärmung. Aber in dem Maße, in dem Staaten diesen Kampf nicht engagiert genug aufnehmen, müssen sie sich auf die Folgen des Klimawandels einstellen, so bitter und teuer das ist. Mangel an Wasser, Fluten und Hochwasser zählen unter diesen Folgen zu den drängendsten.

Klimawandel ist längst nicht die einzige Ursache des Problems

Das verlangt globale Solidarität mit jenen, die zwar für den Klimawandel nichts können, aber am meisten unter ihm zu leiden haben. Allerdings ist der Klimawandel zwar die naheliegende, aber längst nicht einzige Ursache des Problems. Wo Wasser knapp wird, ist oft nicht allein Hitze das Problem - es ist auch die Übernutzung. Ein Fünftel der globalen Ackerflächen wird bewässert, von dort kommen nach Zahlen der Welternährungsorganisation FAO 40 Prozent der Lebensmittel. Doch nach ihren Schätzungen wird der Bewässerungslandbau in Entwicklungsländern bis 2030 noch einmal um ein Drittel zunehmen. Eine wachsende Weltbevölkerung braucht auch mehr Nahrungsmittel.

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In vielen Staaten - auch im Süden Europas - verschärft der Bewässerungslandbau so ein ohnehin großes Problem. Zugleich haben sich im reichen Norden Menschen daran gewöhnt, dass jedes Obst und Gemüse zu jeder Jahreszeit verfügbar ist, oft mit Hilfe künstlicher Bewässerung. Der Winter des Nordens ist schließlich der Sommer des Südens. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Wasser hieße deshalb auch, Konsummuster zu überdenken. Wer sich regional ernährt und damit auch saisonal, tut so doppelt und dreifach etwas gegen das Wasserproblem.

Weist Wasserstoff den Ausstieg aus der fossilen Welt?

Ohne Wasser ist alles nichts: Paradoxerweise steckt im Wasser auch ein großer Teil der Lösung, jedenfalls in der Theorie. Sein Grundstoff, Wasserstoff, soll den Ausweg bahnen aus der fossilen Welt, gewinnen lässt er sich mithilfe von Sonnen- und Windstrom. Rein technisch ist das längst möglich, und gerade Länder des globalen Südens sehen eine Chance darin, so zu Rohstofflieferanten für den reichen Norden zu werden. Auch dafür wird es aber zunächst einmal Wasser brauchen, auch dies wirft womöglich neue Verteilungsprobleme auf. Vor allem aber zeigt es noch einmal den Wert dieses nur scheinbar selbstverständlichen Elements: Wasser könnte der Schlüssel zur Milderung eines Problems werden, in dessen Zentrum das Wasser selbst steht. Wasser ist auch: Hoffnung.